Philipp Öttl (KTM): «Es fehlte an Selbstvertrauen»
Philipp Öttl mit seinem Teamkollegen Marco Bezzecchi
Die Moto2-WM 2019 endete für Philipp Öttl mit einem Worst-case-Szenario. Als nach 19 Rennen zusammengezählt wurde, stand der 23-jährige Bayer aus Ainring ohne einzigen WM-Punkt da. Öttl startete im Red Bull-KTM-Tech3-Team von Hervé Poncharal nach den nicht gerade vielversprechenden Wintertests 2019 noch recht passabel in die Saison. Platz 19 in Las Termas, Platz 18 in Austin, Platz 19 in Le Mans – diese Ergebnisse konnten sich im starken Feld sehen lassen.
Aber beim Catalunya-GP stürzte Ötl am Freitag schwer. Wegen einer Gehirnschütterung und eines Schleudertraumas verpasste er dann die Rennen in. Montmeló, Assen und Sachsen. Und nach der Rückkehr gelang die erhoffte Steigerung mit der nicht KTM RC12 nicht. Platz 20 in Motegi blieb das Highlight der zweiten Saisonhälfte.
Klar, die KTM war besonders in der ersten Saison nicht sonderlich konkurrenzfähig. In Texas kam keines der neun Bikes in die Top-Ten, in Mugello nicht einmal in die Top-15. Aber Teamchef Poncharal betont: «Marco Bezzecchi und Philipp Öttl waren auf der KTM-Version V5 unterwegs, die ungefähr ab Assen ins Spiel kam. Die KTM V6 stand nur Brad Binder und Jorge Martin zur Verfügung.»
«Durch den Umstieg von Honda auf Triumph-Motoren ist Kalex 2019 schneller geworden, und KTM ist langsamer geworden», lautet die Diagnose von Philipp Öttl.
«Ich könnte viele Sachen erzählen. Aber das ist ja jetzt wurscht. Ich habe in Österreich das erste Update bekommen», beklagt sich Öttl. «Ich bin wie Marco den V5-Rahmen gefahren. Das war die erste gescheite Variante. Sie ist besser; ich habe sie in Österreich gekriegt.»
Der Widerspruch zur Aussage von Poncharal hat auch damit zu tun, dass Öttl ja in Assen und auf dem Sachsenring fehlte. Und in Brünn könnte er beim Comeback noch mit der alten Version gefahren sein.
«Dort bin ich nach zwei Monaten zum ersten Mal wieder auf der Rennmaschine gesessen», blendet Öttl zurück. «Es hat etwas gedauert, bis ich wieder in Schwung war. Aber in Österreich sind wir unser bestes Rennen gefahren. Ich bin 22. geworden – vor Bezzecchi und Lowes und habe 34 Sekunden auf den Sieger verloren.» Weniger als 30 sec auf den Sieger verlor Öttl in der ganzen Moto2-Saison nie.
Vorgesehen war ursprünglich, dass das Red Bull Tech3-Team dem Ajo-Team mit Binder und Martin technisch immer gleichgestellt sein sollte. Aber durch die vielen Updates kam KTM mit dem rechtzeitigen Beliefern der Fahrer meist nicht nach.
Fakt ist: Die Rookies der anderen Hersteller wie Fabio Di Giannantonio (zweimal Zweiter auf Speed-up) und Enea Bastianini (ein dritter Platz auf Kalex) taten sich auf ihren Gefährten wesentlich leichter.
Philipp Öttl macht kein Geheimnis daraus, dass ihm die Umstellung von der 55 PS starken 250er-Moto3- auf die ca. 140 PS starke 765er-Moto2-Maschine schwerer fiel als erwartet. «Grob gesagt ist alles anderes. Die Reifen, das Gewicht und die Power. Wenn du vorher noch nie auf einem schweren Motorrad gesessen bist… Vor dem ersten Test mit den Triumph-Motoren im November 2018 bin ich genau zwei Tage auf einem schweren Motorrad gesessen. Das war im September 2018 in Aragón, als ich die 600er-Moto2-KTM ausprobiert habe. Ich hatte 2019 sicher weniger Erfahrung mit großen Motorrädern als die Konkurrenten.»
«Das Tech3-Team hat zwar viel Erfahrung in der Moto2 gehabt, auch mit Umsteigern. Klar, am Anfang hörst du deshalb aufs Team. Nach einer gewissen Zeit schaut man, wie sich alles anfühlt. Es kamen dann viele andere Ratschläge, und es war schwer zu differenzieren, was davon sinnvoll war und was nicht. Von meinem Crew-Chief und vom Data-Recording-Ingenieur sind sicher nützliche Vorschläge gekommen. Dazu habe ich andere Fahrer gefragt. Zum Beispiel meinen Teamkollegen Marco Bezzecchi, denn er hat sich schnell umgestellt. Seine Datenbasis war Bagnaia, der hat ihm gesagt, wie er fahren muss. Das hat dann gut gepasst. Aber bei meinem Fahrstil war schon richtig viel zum Umstellen...»
Öttl: «Ich glaube, das Moto2 Jahr wird mir 2020 in der Supersport-WM sehr helfen. Ich habe in der Moto2 generell viel gelernt im Umgang mit schweren Motorrädern. Solche Bikes brauchen eine andere Herangehensweise. Eigentlich glaubt man, man müsste mit einem kleineren Motorrad sanfter umgehen, weil sich jede Körperbewegung mehr auswirkt. Aber man darf auch auf einem großen Motorrad nicht so viel herumwerken.»
Die Formschwäche von Philipp Öttl wurde schon in der Moto3-WM 2018 offenkundig, als er nach dem Jerez-Sieg in den restlichen 15 Rennen nur 23 Punkte einsammelte. Er wollte im Mai in der WM noch unter die Top-3 oder Top-5 fahren – und fiel dann an die 16. Stelle der Gesamtwertung zurück.
Philipp fuhr damals im Schedl-KTM-Team von Papa Peter Öttl, das für 2019 ein Joint Venture mit Max Biaggi und Aron Canet einging. «Unser Team ist im Sommer 2018 zerfallen», blickt Philipp zurück.
«Mein Selbstvertrauen war schon nach der Moto3-Saison 2018 weg», räumt Philipp Öttl ein, der seine komplette Road-Racing-Laufbahn mit KTM absolviert hat. Vom 125er-Zweitakter über den Red Bull Rookies-Cup bis zur Moto3- und Moto2-WM. «Das Selbstvertrauen ist momentan eher nicht vorhanden», stellte er im Oktober beim Australien-GP fest.
Selbst seine Fähigkeiten im Regen und auf nasser Fahrbahn haben 2019 gelitten, wie sich beim Japan-GP zeigte. «Dort habe ich im FP3 auf nasser Fahrbahn umgeschmissen.»
Trotzdem kämpfte er bis zum Finale in Valencia um eine Formsteigerung. «Klar, ich hatte für 2020 schon woanders unterschrieben., Ich wollte mir aber nie vorwerfen lassen, ich hätte mir keine Mühe mehr gegeben. Das macht man nicht. So etwas kann sich kein Rennfahrer erlauben», weiß der Bayer.
Philipp Öttl vertraut auf einen Mentaltrainer und glänzte im November beim ersten Test mit der Puccetti-Supersport-Kawasaki in Jerez mit Platz 2.
Wie kann Phillip das alte Selbstvertrauen wiederfinden? «Das muss man sich selber erarbeiten», ist er sich bewusst.