Vor 47 Jahren verunglückten Saarinen und Pasolini
Jarno Saarinen 1972
Der Motorradrennsport veränderte sich um 15:17 Uhr des 20. Mai 1973 für immer. Im 250er-Rennen des Italien-GP in Monza steuerte das Feld Vollgas auf die von Leitplanken gesäumte erste Kurve zu, die gefürchtete «Curva Grande», die die Fahrer mit 230 km/h nahmen.
Der Deutsche Dieter Braun lag auf der Yamaha TZ250 in Führung, gefolgt von Renzo Pasolini auf der Harley Davidson und Yamaha-Pilot Jarno Saarinen, der sich im 250er-Titelkampf ein Jahr zuvor knapp gegen Pasolini durchgesetzt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war Saarinen der beste Fahrer der Welt und Top-Favorit auf den «premier class»-Titel 1973, nachdem er auf Yamahas erstem 500ccm-GP-Bike, der OW 19 mit Vierzylinder-Reihenmotor, die ersten zwei Rennen der Saison dominiert hatte.
Pasolini stürzte bei rund 210 km/h, vermutlich aufgrund eines Kolbenfressers, und Saarinen konnte ihm nicht ausweichen. Der 27-jährige Finne knallte gegen die Leitplanke und wurde wieder auf die Strecke geschleudert, wo auch er von den nachfolgenden Piloten überrollt wurde.
Tanks wurden beschädigt, Funken flogen und die Heuballen, die umsonst die Leitplanke säumten, fingen Feuer. Die Piloten fuhren mit High-Speed durch das brennende Inferno und versuchten meist vergeblich den bereits zu Boden gegangenen Fahrern auszuweichen. Insgesamt stürzten bei dem Massencrash 14 Fahrer. Nur einer oder zwei von ihnen konnten auf ihren eigenen Beinen davonlaufen, gleich mehrere wurden ernsthaft verletzt. Saarinen und Pasolini hatten keine Chance, sie überlebten nicht.
Trotz dieser Horror-Szenen wurden keine Warnflaggen geschwenkt und das Rennen nicht unterbrochen. Mehrere Minuten lang fuhren die übrig gebliebenen Kontrahenten weiter und kämpften sich jede Runde durch das Chaos, ehe sie aus freien Stücken in die Box einbogen und das Rennen beendeten.
Bei den Überlebenden hat die Tragödie ihre Spuren hinterlassen. Der Brite Chas Mortimer, damals einer der besten Privatfahrer, erlitt schwerer Beinverletzungen. Es fällt ihm immer noch schwer, über Monza zu sprechen: «Ich war der dritte Fahrer, der gestürzt ist. Ich habe Pasolini getötet. Es gibt ein Bild von mir, wie ich aus den Flammen komme und Pasolini quer über der Strecke liegt. Ich bin geradewegs auf ihn zu», erinnerte er sich. «Als Marco Simoncelli getötet wurde, war es genauso, nur gab es in Sepang kein Feuer. Dieser Unfall hat in mir Monza wieder aufgebracht. Es tat mir so leid für Colin Edwards und Valentino Rossi [die Simoncelli trafen].»
Monza 1973 hat viele Dinge verändert, einige zum Besseren. Es ist eine traurige Konstante im Rennsport, dass die Sicherheitsstandards immer nur dann verbessert werden, nachdem ein Fahrer den höchsten Preis zahlen musste.
Auch wenn die Massenkarambolage von einem technischen Defekt verursacht wurde, hätte es vielleicht nicht tödlich enden müssen, wenn die Strecke nicht von Leitplanken gesäumt gewesen wäre. Sowohl Saarinen als auch Pasolini starben, nachdem sie an der Streckenbegrenzung abgeprallt und wieder auf die Strecke geschleudert worden waren.
Zwei Lektionen ergaben sich daraus: Die Motorradhersteller mussten Schmierung, Metallurgie und das Kühlsystem verbessern, die Streckenbauer mussten auf die Leitplanken verzichten. Auch wenn es nicht über Nacht geschah, war Monza wohl der Anfangspunkt auf einem langen Weg in Richtung der heutigen, deutlich sichereren, Rennstrecken.
Jarno Saarinens Genie
Jarno Saarinen war ein «Game-Changer» und auf dem besten Weg dahin, einer der Größten aller Zeiten zu werden. Er studierte Maschinenbau und war für seine akribische Arbeit am Motorrad bekannt. Er dachte viel darüber nach, wie man schneller fahren könnte, und nutzte dafür sowohl die Fahrtechnik als auch die Technologie an der Maschine. So positionierte er etwa seinen Lenker in einem ungewöhnlich spitzen Winkel. Damit könne er die Slides besser kontrollieren, versicherte er.
In etwas mehr als einer Saison – zwischen September 1971 und Mai 1973 – gewann Saarinen 17 Grand Prix in den Klassen 250, 350 und 500 ccm.
Der Motorradsport hätte ganz anders aussehen können in den folgenden Jahren, wenn Saarinen in Monza nicht tödlich verunglückt wäre. Der brillante Finne war drauf und dran, sich den Titel in der Königsklasse zu holen, als das Schicksal seinen Lauf nahm. Er hätte Geschichte schreiben und sich die erste 500er-Zweitakt-Krone sichern können.
Nach dem tödlichen Zwischenfall in Monza zog sich das Yamaha-Werksteam für den Rest der Saison 1973 zurück. Die Zweitakter mussten zwei weitere Jahre warten, ehe sie die «premier class» einnahmen.