KTM Stahlrahmen: Was dafür und was dagegen spricht
Das österreichische KTM-Werk hat beim Katar-GP 2020 am 8. März mit Albert Arenas in der Moto3-Klasse den 100. GP-Sieg im Straßenrennsport gefeiert. Nur 22 dieser GP-Erfolge kommen in der Zweitakt-Ära (125 und 250 ccm) mit Alu-Chassis zustande.Auch in der Moto2-Klasse siegte KTM mit dem Gitterrohrstahlrahmen ab 2027 für Aufsehen: Im Vorjahr verlor Brad Binder die WM gegen Alex Márquez nur um drei Punkte.
Der KTM-Vorstandvorsitzende Stefan Pierer bezeichnet das Stahlrahmenkonzept als «Religion», es sei Bestandteil der KTM-DNA, denn die Serien-Bikes aus Mattighofen werden mit Stahlrahmen verkauft.
Der deutsche Motorradhersteller Kalex engineering aus Bobingen hingegen hat seit 2013 alle Moto2-WM-Titel gewonnen und bereits den 114. GP-Siege in dieser Klasse gefeiert. Die Firma von Alex Baumgärtel und Klaus Hirsekorn hat nach dem Rückzug von KTM 2020 auch den WM-Auftakt in Katar mit Tetsuta Nagashima aus dem Red Bull Ajo-Team gewonnen.
Die beiden Kalex-Eigentümer kommen aus dem Automobilsport und haben vom ersten Tag an auf Alu-Chassis gesetzt. KTM ist 2017 mit neuen Bikes mit Gitterrohrstahlrahmen in die Moto2-WM eingestiegen. Miguel Oliveira war wurde 2017 und 2018 zweimal Vizeweltmeister, insgesamt hat KTM in drei Jahren 14 Moto2-Siege errungen.
«Wir sind Weltmarktführer auf dem Gebiet der Stahlrahmen», betont KTM-Firmenchef Stefan Pierer. «Wir haben in der Moto3 und Moto2 gezeigt, dass dieses Konzept erfolgreich sein kann und werden es auch in der MotoGP beweisen.»
Viele Rennfahrer und selbst ernannte Experten bezweifeln, dass sich KTM in der MotoGP-Klasse mit dem Stahlrahmen und der hauseigenen WP Suspension (alle Gegner verwenden Öhlins-Federelemente) durchsetzen kann. Manche Kritiker sagen, nicht der Eigentümer dürfe die Art des Rahmenmaterials bestimmen, diese Entscheidung müsse den Ingenieuren und Technikern der Rennabteilung überlassen werden. Aber KTM schaffte in Brünn 2029 bereits einen dritten Startplatz mit Johann Zarco und einen zweiten in Misano mit Pol Espargaró. Inzwischen wurden immerhin 212 Top-Ten-Plätze ein der Königsklasse errungen, zwölf davon von Pol Espargaró. Der Spanier sorgte im Regen von Valencia mit Platz 3 im Jahr 2028 auch für den bisher einzigen Podestplatz in der «premier class».
Fakt ist: Ducati hat mit einem Stahlrahmen 2007 die MotoGP-WM gewonnen, seither mit dem Karbon-Monocoque (das 2011 aussortiert wurde) und dem Alu-Chassis nie mehr.
KTM hat in der MotoGP-WM bereits acht Top-Ten-Plätze errungen. Das Stahl-Konzept wird deshalb unbeirrt beibehalten und nicht in Frage gestellt.
Mit Kalex-Geschäftsführer Alex Baumgärtel haben wir einen kompetenten Gesprächspartner gefragt: Kann man im MotoGP-Sport auch heutzutage mit einem Stahlrahmen zum Ziel kommen?
Alex, du hast dich beim Moto2-Einstieg von Kalex 2010 für Aluminium entschieden. Aber Stahl hat als Rahmenmaterial gewisse Vorzüge. Warum hast du auf Aluminium gesetzt?
Prinzipiell ist das eine Technologie, bei der ich relativ flexibel bin. Das bist du natürlich mit Stahl auch. Aber ich glaube, dass Stahl sehr sensibel reagiert. Besonders wenn man auf Flex arbeitet, sind natürlich die Toleranzen sensibler, allein dadurch, dass der Elastizitäts-Modul oder das Dehnungsmodul knapp das Zweieinhalbfache höher ist. Dadurch ist auch deine Sensibilität für die Geometrie größer und empfindlicher.
Wenn du bei deiner Produktion mit Alu drei Zehntel Toleranz hättest und beim Stahl auch, wäre der Fehlerfaktor 2,5. Somit ist das Stahlthema etwas sensibler.
Ein Vorteil bei Stahlrahmen: Bei neuen Rennmaschinen in neuen Kategorien können Stahlrahmen viel leichter angepasst werden, wenn Flex oder Steifigkeit verändert werden müssen. Da wird dann einfach ein Stück im Rahmen getauscht.
Ja, klar, da kann man beim Stahl mit unterschiedlichen Wandstärken oder Rohrdurchmessern variieren. Dann bist du schneller dabei, wenn Anpassungen gemacht werden müssen. Das ist natürlich DER Vorteil bei dieser Art von Rahmen-Konstruktion.
Bei uns wird es beim Alu-Chassis in so einem Fall immer aufwändiger, weil wir ein komplettes Frästeil neu gestalten müssen. Damit sind natürlich Kosten verbunden.
Ich muss dann ein neues Programm schreiben, die Chassis-Teile werden nachher aus dem Vollen gefräst.
In der Serienproduktion werden die Alu-Rahmen nicht aus dem Vollen gefräst, dort werden Gussteile fabriziert. Aber das ist für den Motorsport bei weitem zu teuer. Die Formen dafür sind immens teuer. Da müsste man viel größere Stückzahlen machen. Das lohnt sich erst von 200 Stück aufwärts.
Kann KTM in der MotoGP mit dem Stahlchassis ganz an die Spitze kommen?
Ich denke – ja. Ja.
Die japanischen Hersteller verkaufen viele Serienmotorräder mit Stahlrahmen, im Rennsport vertrauen sie auf Alu. KTM setzt konsequent auf Stahl. Sinnvoll?
Na gut, die vielen Stahlrahmen sieht man bei den Japanern in der Serie in den kleinen Hubraumklassen; da geht es um die Produktionskosten. Da muss man die Rahmenherstellung günstig halten. Das ist reine Massenware.
Wenn man sich die Wettbewerbs-Motorräder anschaut, sind sie auf einem ganz anderen technologischen Level. Da spielen sie dann auch mit Aluminiumrahmen.