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Früher ein Gigant: 100 Jahre Motorradbau von DKW

Von Thorsten Horn
Mit DKW war im sächsischen Zschopau einst der größte Motorrad-Hersteller der Welt beheimatet. Der Ursprung war das in Folge motorsportlicher Erfolge ab 1922 produzierte «Reichsfahrtmodell».

DKW und später MZ haben nicht nur in Sachsen, nein auch deutschland- und weltweit die Motorradindustrie wie auch den Motorradrennsport geprägt. Nicht umsonst trägt Zschopau seit dem 16. Juli 2021 offiziell den Namen «Motorradstadt Zschopau». In diesem Jahr ist es 100 Jahre her, dass dort das erste Motorrad vom Band rollte. «Reichfahrtmodell» hieß dieses, womit die Erfolge bei der «Reichsfahrt» 1921, bei der die ersten drei Plätzen von Fahrern mit einem DKW-Fahrradmotor gewonnen wurden, der Verkaufsförderung dienen sollten.

Vorausgegangen war die Gründung einer technischen Fabrik 1904 in Chemnitz sowie 1907 in Zschopau durch den 1878 geborenen Dänen Jörgen Skafte Rasmussen. Zur Produktpalette des seit 1912 als «Zschopauer Maschinenfabrik J. S. Rasmussen» firmierenden Unternehmens gehörten unter anderem Dampfmaschinen, die während des Ersten Weltkrieges in der Produktion von etwa einem Dutzend Dampfkraftwagen gipfelte. Diese Technik setzte sich allerdings nicht durch, sodass man im Tal des Baches Tischau die Produktion wieder einstellte. Den Namen DKW, abgeleitet von Dampfkraftwagen, hatte Jörgen Skafte Rasmussen allerdings schützen lassen.

Mit den von Hugo Ruppe maßgeblich entwickelten neuen Verkaufsschlagern stationäre Spielzeugmotoren («Des Knaben Wunsch») sowie Fahrrad-Hilfsmotoren («Das kleine Wunder») hielt man an am Markennamen DKW fest.

Die ersten Fahrradhilfsmotoren, die in der «Rennausführung» bis zu damals erstaunliche 65 km/h erreichten, wurden bald werkseitig bei Rennveranstaltungen eingesetzt. Der erste offiziell verbürgte DKW-Sieg wurde am 20. September 1920 im niederländischen Den Haag errungen. Die weiteren Erfolge bei besagter Reichsfahrt 1921 sowie auch anderswo bestärkten Jörgen Skafte Rasmussen, komplette Motorräder zu bauen.

Neben dem Serienmodell «Reichsfahrt» gab es ebenfalls noch im Jahr 1922 ein erstes für den Straßenrennsport verbessertes Motorrad namens «Renntyp». Bei diesem steigerten der Nachfolger von Hugo Ruppe und somit neue Chefkonstrukteur Hermann Weber und seine Mitarbeiter die 2,5 PS des 148-ccm-Zweitakt-Serienmotors nach und nach auf über 4 PS. 192 Siege und Podestplätze wurden mit diesen allein 1922 erzielt. Einen der vielbeachteten Rennsiege errang 1922 der Berliner Walter Ebstein beim ersten Motorradrennen auf der 1921 eingeweihten AVUS in der Hauptstadt in der Klasse bis 150 ccm.

Ab 1925 trat an die Stelle der «Renntyp» eine weiterentwickelte, wassergekühlte 175-ccm-Rennmaschine mit einer Kolbenladepumpe. Diese Konstruktion hatte den Effekt eines Kompressors, der die Leistung des DKW-Motors damals fast verdoppelte. Dieses im Laufe der Jahre stets verfeinerte Motorprinzip wurde zu einem wesentlichen Element der beispiellosen DKW-Rennerfolge bis zum Zweiten Weltkrieg. Mit guten Produkten sowie einer effizienten Fertigung war DKW bis 1928 zum größten Motorradhersteller der Welt gewachsenen.

In der 1924 erstmals ausgetragenen Deutschen Motorrad-Meisterschaft gewannen ab 1925 ausschließlich DKW-Fahrer die Klasse bis 175 ccm. Zunächst Hans Sprung, dann Arthur Müller, dann noch einmal Hans Sprung sowie 1928 Arthur Geiß. Die erfolgreiche Rennmaschine «Are» leistete mit ihrem wassergekühlten 173-ccm-Motor etwa 12 PS. Das ab 1928 verwendete 250-ccm-Schwestermodell namens «ORe» hatte eine Leistung von 18 PS.

Danach wurde die 175-ccm-Klasse nicht mehr ausgeschrieben, doch bereits seit 1927, in dem Jahr, ab dem sich DKW eine professionelle Rennabteilung unter der Leitung von August Prüssing leistete, hatte DKW das Heft in der Klasse bis 250 ccm fest in der Hand. Bis einschließlich zu Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 gingen alle DM-Titel bis auf einen nach Zschopau. Dabei entfielen auf Walfried Winkler drei, auf Arthur Geiß und Ewald Kluge jeweils vier und auf Kurt Friedrich einer. Lediglich 1932 hatte Hans Kahrmann auf einer Hercules-JAP die Nase vorne.

Waren die kleinen Hubraumklassen eine Domäne des sächsischen Herstellers, erwuchs in den 1930er-Jahren, speziell in den Klassen bis 350 und 500 ccm, DKW starke innerdeutsche Konkurrenz. Dennoch luchsten DKW-Fahrer NSU und BMW einige Titel ab. Bei den 350ern setzten sich 1938 und 1939 Walfried Winkler und Heiner Fleischmann durch, was in der Halbliter-Kategorie Toni Bauhofer (1930 und 1983) sowie Otto Ley (1933 und 1934) je zwei Mal und zudem Hermann-Paul Müller (1936) einmal gelang.

Das war auch möglich geworden, weil nach der Weltwirtschaftskrise zu Beginn der 1930er-Jahre, dem Zusammenschluss der sächsischen Auto Union (DKW war 1928 auch in die Automobilproduktion eingestiegen) 1932 und der Machtübernahme in Deutschland durch die Nazis 1933 sowie deren monetärer Motorsportförderung auch DKW wieder mehr Mittel für den Rennsport zur Verfügung standen.

So spielte DKW auch auf internationalem Parkett immer wieder Hauptrollen. Das höchste Prädikat war damals die Europameisterschaft, die bis 1937 bei jeweils einem Saison-Höhepunkt ausgefahren wurde. So zum Beispiel 1927 auf dem in jenem Jahr eröffneten und so mit dem Sachsenring gleich alten Nürburgring, auf dem sich Willy Henkelmann den EM-Titel in der Klasse bis 175 ccm sicherte. Das gelang 1929 Josef «Sepp» Klein in Barcelona sowie 1930 dem belgischen DKW-Privatfahrer Ivan Goor bei dessen Heimrennen in Spa-Francorchamps.

In der Viertelliterklasse wurden Walfried Winkler und Arthur Geiß 1934 und 1935 im niederländischen Assen bzw. beim Ulster Grand Prix in Nordirland Europameister auf DKW. So auch Ewald Kluge 1938 und 1939, also in jenen beiden Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg, in denen die Europameisterschaft als mehrteilige Rennserie ausgetragen wurde. Ebenfalls 1939 entschied Heiner Fleischmann die 350er-EM für sich.

Und auch mit drei Rädern gab es für DKW international einiges zu feiern. So wurden 1937 Karl Braun/Erwin Badsching Titelträger bei den Seitenwagen bis 600 ccm, wie auch Hans Schumann/Julius Beer in der 1000er-Gespannklasse.

Auch bei den damals populären Geschwindigkeits-Weltrekordfahrten ging DKW immer wieder an den Start.

Den wichtigsten Einzelerfolg erzielte Ewald Kluge 1938 bei der englischen Tourist Trophy (TT) auf der Insel Man, dem damals schwersten und bedeutendsten Rennen. Als Sieger der Klasse Lightweight (250 ccm) war er nach dem Italiener Omobono Tenni 1937, ebenfalls in der Viertelliterklasse, der erst zweite Nicht-Brite sowie der erste Deutsche, der auf der berühmt-berüchtigten Insel ein Rennen gewinnen konnte.

Die ab 1927 entstandenen Zweizylinder-Modelle mit doppelt wirkender Ladepumpe mit der Bezeichnung «PRe» kamen vorwiegend in der 500er-Kategorie, zum Teil aber auch in der 350er-Klasse zum Einsatz. Die an das Serienmodell Z 500 angelehnte Konstruktion leistete anfangs 26, gegen Ende ihrer Entwicklung 36 PS. 1937, 1938 und 1939 trat die «ULD» an ihre Stelle.

In der ersten Erfolgsphase in den 1920er-Jahren leistete sich DKW bis zu zehn Werksfahrer, doch durch die Weltwirtschaftskrise wurden die Sportaktivitäten zu Beginn der 1930er-Jahre stark zurückgeschraubt. So nahm man zeitweise an den sogenannten Großen Preisen oder Meisterschaften gar nicht mehr teil. Der Fahrerstamm schrumpfte zu dieser Zeit auf drei, die auch noch überwiegend in der Werkstatt der Rennabteilung eingesetzt wurden. Als es Mitte der 1930er-Jahre wirtschaftlich wieder aufwärts ging, wuchs die Rennsportabteilung wieder auf rund 100 Mitarbeiter plus Fabrik-Rennfahrer. Neben dem Straßenrennsport wurde in Zschopau ab 1934 auch dem mehr und mehr an Stellenwert gewinnenden Motorradgeländesport gefrönt.

Mit all den schönen Rennen und Erfolgen war auf Grund des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs im Herbst 1939 allerdings Schluss. In den ersten Kriegsjahren wurde die Produktion zunehmend auf Fremdarbeiten umgestellt, wobei man vorzugsweise wieder bei stationären Motoren landete. Im August 1941 wurde die Rennabteilung schließlich geschlossen. Nach Kriegsende 1945 wurde die Auto Union in Sachsen aufgelöst und auch bei DKW wurden die Produktionseinrichtungen von den sowjetischen Besatzungstruppen abgebaut und als Reparationsleistungen in die Sowjetunion gebracht.

Während Jörgen Skafte Rasmussen schon 1935 nach Differenzen mit den neuen Mächtigen der Auto Union Zschopau verlassen hatte, gingen führende Mitarbeiter des Unternehmens nach dem Irrsinn nach Bayern und gründeten 1949 in Ingolstadt mit der Auto Union GmbH eine neue Gesellschaft. Unter den neuen vier Ringen erlebte auch DKW ein relativ kurzes Comeback.

In Zschopau füllten IFA und später MZ die entstandene Lücke einer Motorradproduktion und setzten so die Tradition noch viele Jahre fort. Dann kam 1989/1990 die politische Wende, sodass auch MZ bzw. MuZ nach kurzen Phasen des Aufflackerns ganz von der Bildfläche verschwand.


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