Moto2-WM-Leader Vietti: Was er von Vale gelernt hat
Celestino Vietti im Gespräch mit Teamkollege Niccolò Antonelli (links)
Trotz Q1-Aus und eines Ausritts im Rennen fuhr der zweifache Saisonsieger Celestino Vietti am vergangenen Wochenende in Le Mans noch auf den achten Platz. Damit büßte der Kalex-Pilot aus dem Mooney VR46 Team nur drei Punkte auf seinen ersten Verfolger Ai Ogura ein und geht als WM-Leader in den «Gran Premio d'Italia Oakley» in Mugello (27. bis 29. Mai).
«Cele» beeindruckte im GP-Paddock 2018 mit einem Podestplatz in seinem erst zweiten WM-Rennen, als er auf Phillip Island Niccolò Bulega im Moto3-Team von Sky Racing VR46 vertrat. Zum Selbstläufer entwickelte sich seine Karriere dennoch nicht. Auf die ersten zwei GP-Siege in der kleinsten Klasse im Jahr 2020 folgte im Vorjahr eine enttäuschende Moto2-Rookie-Saison.
Der 20-jährige Italiener blickt vor seinem Heim-GP im Interview mit SPEEDWEEK.com auf seine Anfänge zurück und verrät, was er an der VR46 Riders Academy um Mentor Valentino Rossi am meisten schätzt.
Celestino, du kommst aus Cirié nahe Turin – das viel zitierte italienische «Riders‘ Land» rund um den Misano World Circuit ist davon ein gutes Stück entfernt. Wie kam es dazu, dass aus dir trotzdem ein Motorradrennfahrer wurde?
Ich habe dank der Leidenschaft meines Vaters angefangen. Er war schon immer ein großer Fan von Motoren und Motorsport generell, er hatte in seinen jungen Jahren auch ein paar Rennen bestritten. Die ganze Familie hat diese Begeisterung übernommen. Zuerst hat mein größerer Bruder mit den Minimoto angefangen und danach ich. Ich habe dann die ersten nationalen Meisterschafften bestritten und Schritt für Schritt wurden die Räder immer größer.
2015 kam dann die Academy – das war ein bisschen der Schlüsselmoment. Meine Familie musste viele Opfer bringen, weil wir immer viele Kilometer zurücklegen mussten, um überhaupt Motorrad fahren zu können. Es war eine Sache, die sowohl ich als auch sie unbedingt wollten.
Inzwischen wohnst du aber in unmittelbarer Nähe zum VR46-Stützpunkt.
Ja, in Tavullia. 2019, in meinem ersten WM-Jahr mit dem Team Sky wollte die Academy, dass ich hinziehe, um zusammen trainieren zu können. Ich war noch gar nicht volljährig und zu Beginn war es nicht einfach.
Deine Eltern blieben im Piemont.
Ja, ich musste also lernen, Dinge allein zu machen und allein zurechtzukommen. Wenn ich jetzt zurückblicke, würde ich es aber noch einmal so machen. Denn dadurch bin ich aus sportlicher und menschlicher Sicht gewachsen.
Die VR46 Riders Academy rund um Superstar Valentino Rossi gilt weit über Italien hinaus als Paradebeispiel für die Nachwuchsförderung. Was bedeutet es für dich als Fahrer, Teil dieses Projekts zu sein?
Für einen Italiener oder für jeden Fahrer ist es mit Sicherheit die Chance, von der alle träumen. Es ist das Beste, was dir passieren kann. Eine so solide Basis gibt dir viel Gelassenheit und vor allem hast du die Möglichkeit, mit den besten Fahrern der Welt zu trainieren – allen voran Vale, der immer mein Idol war, aber auch Franco [Morbidelli], Pecco [Bagnaia] und all die anderen Jungs aus der Academy. Das Schöne ist, dass wir immer zusammen trainieren und du so jedes Mal etwas von einem anderen lernen kannst. Du pusht dich mit jedem Mal weiter.
Was war der bisher wertvollste Ratschlag von Vale, vielleicht auch gerade jetzt, da du die WM anführst?
Er hat mir mit Sicherheit sehr geholfen. Als ich in die WM kam, war ich ein Typ, der sich in schwierigen Phasen sehr nach unten ziehen ließ. Auch an den Rennwochenenden – wenn die Dinge schlecht liefen, konnte ich nicht unbedingt mit großer Gelassenheit damit umgehen. Er riet mir Wege, um etwas ruhiger zu bleiben und alles mit mehr Freude zu nehmen. Denn am Ende geht dir alles leichter von der Hand, wenn du Spaß hast.