Sito Pons: «Wir brauchen mehr Chassis-Hersteller»
Dem Spanier Alfonso «Sito» Pons (63), dem 250-ccm-Weltmeister von 1988 und 1989 auf Honda, ist nach seiner Rennfahrerkarriere eine glanzvolle Laufbahn als Teambesitzer gelungen. Er gewann die Moto2-WM 2013 mit Pol Espargaró, siegte in der mittleren Hubraumklasse als Teamchef bisher 31 Mal, schaffte mit seinem Team in der Königsklasse (500 ccm und MotoGP) nicht weniger als 13 GP-Siege, zu denen Stars wie Crivillé, Puig, Checa, Barros, Capirossi und Biaggi beitrugen. Auch im seit 2019 existierenden MotoE-Weltcup triumphierte das Pons-Team: Jordi Torres gewann die Meisterschaft 2020 und 2021.
2022 kämpfte Pons-Schützling Aron Canet im Flexbow-HP-40-Team um den Moto2-Titel. Er scheitere zwar an seinem ersten Moto2-Sieg, brachte immerhin sechs zweite Plätze heim – und den dritten WM-Rang hinter Augustó Fernández und Ai Ogura.
Was längst in Vergessenheit geraten ist: Der erfolgreiche Talent-Scout Sito Pons hat 2019 mit dem jungen Augusto Fernández bereits drei Moto2-WM-Rennen gewonnen.
Höchste Zeit also für SPEEDWEEK.com, mit Sito Pons wieder einmal ein Gespräch über die Situation des GP-Sports und der Moto2-WM im Besonderen zu führen.
Sito, in der Moto2-Klasse hat sich einiges getan. 2019 wurden die Honda-600-Vierzylinder durch die 765-ccm-Dreizylinder von Triumph ersetzt, Hersteller wie KTM und Suter haben sich zurückgezogen. Mit Kalex und Boscoscuro sind nur noch zwei ernstzunehmende Fabrikate dabei. Reicht das?
Ich bin nicht vollkommen happy mit der Situation. Das ist klar. Die Meisterschaft entwickelt sich gut, das ist in Ordnung.
Aber wir haben Mühe, die Teams in den verschiedenen Kategorien zu finanzieren und die nötigen Budgets aufzutreiben. Selbst wenn die TV-Produktion von den Rennen vorbildlich gestaltet wird, so fehlen uns auf der ganzen Welt die hohen früheren Einschaltquoten im Free-TV.
Dadurch werden wir benachteiligt, denn wir finanzieren unsere Teams zu 90 Prozent mit Sponsorship-Einkünften.
Und natürlich werden die Verhandlungen mit Sponsoren schwieriger, wenn weltweit die TV-Einschaltquoten zurückgehen.
Das Interesse würde auch steigen, wenn namhafte Hersteller dabei wären. Aber die Moto2-Teams von KTM, Husqvarna, GASGAS, Honda und Fantic setzen einfach Kalex-Bikes ein. Kalex hat 26 Motorräder im Feld, dazu kommen nur zwei Boscoscuro. 2010 waren ca. zehn Hersteller mit von der Partie.
Mehr namhafte Hersteller, das würde helfen, ganz sicher. Dadurch würde das Interesse an der Meisterschaft steigen.
Wie du genau weisst, war ich 2010 der erste Teamchef, der Kalex als neuen Hersteller in die Moto2-WM gebracht hat.
Anfangs sind wir als Kalex-Pons aufgetreten. Wir haben Alex Baumgärtel und Klaus Hirsekorn bei der Weiterentwicklung geholfen. Daraus ist eine riesige Erfolgsstory für Kalex entstanden.
Inzwischen hat Kalex zehn Fahrer-WM-Titel in Serie gewonnen. Das ist eine schöne Geschichte. Aber in Realität wäre es für unsere Klasse besser, wenn es vier oder fünf weitere Hersteller mitmachen würden.
Kalex wollte ja vor fünf, sechs Jahren sogar vorschlagen, die Anzahl der Teams unter den Herstellern besser aufzuteilen. Aber schon damals wollte alle Teams das Sieger-Motorrad aus Bobingen.
Ja, trotzdem steht fest: Es würde mehr Interesse entfachen, wenn mehr Hersteller mitfahren, denn mehr Konkurrenz ist immer gut fürs Geschäft.
Wir brauchen mehr Wettbewerb, auch aus kommerziellen Gesichtspunkten.
Wir müssen den Zuschauer neue Anreize liefern, den Werken auch. Dadurch würde am Ende des Tages das Interesse an der Meisterschaft steigen.
Für die erwähnten Nachwuchsteams von KTM, GASGAS, Fantic, Yamaha und so weiter ist es wesentlich preiswerter, einfach Kalex-Bikes zu kaufen als eigene Maschinen zu entwickeln. Deshalb ist KTM nach drei Jahren als Chassis-Fabrikant wieder ausgestiegen.
Für mich macht das keinen Sinn. Diese Werke nützen die Arbeit anderer Hersteller, um Publicity für ihre Marke zu machen.
KTM und alle anderen erwähnten Hersteller verwenden die Produkte von Kalex und Triumph, um Imagewerbung in der Moto2 zu machen. Das ist aus ihrer Sicht gewiss clever. Aber für Firmen wie Kalex, die viel Geld, Arbeit, Gehirnschmalz und Zeit für die Entwicklung investieren, macht es wenig Sinn.
Deshalb glaube ich, es wäre nett, wenn KTM weiter eigene Motorräder hätte und etliche andere Hersteller auch.
Zu Beginn der Moto2-Ära gab es Diskussionen, ob man jedem Hersteller eine maximale Anzahl von Bikes im Feld zugestehen sollte.
Denn Alex Baumgärtel sagte anfangs, er kann nicht mehr als 14 Fahrer beliefern. Ich bin nicht sicher, ob diese Zahl genau stimmt, aber sie lag in diesem Bereich.
Jetzt hat sich dieses Thema erledigt, weil immer mehr Teams bei Kalex einkaufen. Es gibt fast keine anderen Optionen.
Speed-up sorgt mit den Boscoscuro-Maschinen für gute Ergebnisse. das Bike ist sehr konkurrenzfähig, wie die zwei Siege von Alonso Lopez beweisen.
Es wäre sinnvoll, wenn sich jetzt wieder mehr Teams für Boscoscuro entschieden. Das würde die Meisterschaft aufwerten.
Es ist schade, dass nach der Saison 2021 auch NTS verschwunden ist. Ich halte es auch für schade, dass sich Marken wie Moriwaki zurückgezogen haben. Sie haben 2010 mit Toni Elias die erste Moto2-WM gewonnen. Auch FTR, TSR, MotoBi, Suter und andere fehlen.
Mir würde auch gefallen, wenn sich Triumph stärker engagieren würde. Sie könnten auch ein eigenes Chassis bauen oder sich sonst wie stärker einbringen.
KTM-Chef Stefan Pierer erzählte mir, dass ihm nach Moto2-Siegen des Red Bull-Ajo-Team immer gratuliert wird, da weiterhin riesig für KTM auf den Bikes geworben wird.
Ja, ich bekomme manchmal zu hören, die KTM seien in der Moto2-WM sehr schnell. Dann muss ich die Leute aufklären und ihnen mitteilen: Sie haben dieselben Kalex-Motorräder wir mein Team.
Aber die meisten Zuschauen merken das nicht.