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MotoGP-WM: Das Schweigen der Fans

Kolumne von Michael Scott
In diesem Jahr schwiegen wir traurige 69 Sekunden für Nicky Hayden

In diesem Jahr schwiegen wir traurige 69 Sekunden für Nicky Hayden

Schweigeminuten: Zu viele traurige Ereignisse werden benutzt, um den neuzeitlichen öffentlichen Gefühls-Overkill zu zelebrieren – auch im GP-Sport.

Ich bin geteilter Meining bei diesem Thema. Auf der einen Seite ist es sicher wichtig, Respekt für die Toten zu haben, doch wir befinden uns in einer Ära von krankmachender öffentlicher Sentimentalität. Den Toten Respekt zu zollen, ist sicher auf keine Weise negativ.

Auf der anderen Seite sind wir aber alle sterblich. Wenn uns der Tod nicht wirklich persönlich oder zumindest weitläufig betrifft, wie ehrt unsere belanglose Aufmerksamkeit dann uns oder den Verstorbenen? Diese Grübelei entstand dank der Hysterie (vor allem von Briten), die anlässlich des 20. Jahrestags des Todes von Prinzession Diana aufkaum, die zusammen in einem Auto mit ihrem Freund Dodi und einem berunkenen Fahrer an einer Unterführung in Paris zerschnellte. Ein Ereignis, das viele als Anlass nehmen, um einen neuzeitlichen öffentlichen Gefühls-Overkill zu zelebrieren.

Ich erinnere mich noch lebhaft an ganz andere Gründe. Es ereignete sich am Abend des Brünn-GP, zur Schlussphase einer insgesamt denkwürdigen GP-Saison – Runde 12 von 15.

Ich erinnere mich, als ich an die bewaldete Strecke von Brünn kam, neben dem Eingang zum Paddock parkte und die Neuigkeiten hörte. (Damals, in der Zeit vor Twitter.) Damals lebte ich in Großbritannien, aber war weder Royalist noch Republikaner. Während der Verlust einer jungen Mutter bei einem Autounfall immer unnötig und tragisch für ihre Familie ist, hatte ich keine weitere Meinung zum Unfall der früheren Prinzessin. Neutral. Unpolitisch. Oder, wenn ihr so wollt: teilnahmslos.

Ich war viel mehr an den Geschehnissen im Rennsport interessiert. Daher fragte ich mich, ob Mick Doohan, der zwei Wochen zuvor in Großbritannien seinen vierten Titel gesichert hatte, es schaffen würde, auch dieses Rennen zu gewinnen. Es gelang ihm, es war der elfte von zwölf Siegen in dieser Saison. Ein Rekord, der erst von Marc Márquez gebrochen wurde. Und, ob Valentino Rossi seinen ersten Titel in der 125-ccm-Klasse sichern würde. (Es gelang ihm.)

Ein weiterer geschichtlicher Anhaltspunkt: Max Biaggi gewann das 250er-Rennen auf dem Weg zu seinem dritten 250-ccm-Titel in Folge.

Aber ich roch die Chance, ein paar Pluspunkte zu sammeln. Drei Rennen zuvor, auf dem Nürburgring, hatte die Dorna eine bisher unbekannte Zeremonie eingeführt: eine Schweigeminute in der Startaufstellung. Das war keine Angelegenheit des Motorsports, aber ein Zeichen gegen den kaltblütigen Mord der baskischen Separatisten-Gruppe ETA an einem entführten Politiker: Miguel Angel Blanco. Er wurde als Geisel genommen und in den Hinterkopf geschossen, als sich die spanische Regierung weigerte, inhaftierte ETA-Mitglieder zu entlassen.

Scheußlich. Ein nationaler Skandal und wie sich herausstellte ein politisch entscheidender Moment. Doch eine gänzlich spanische Angelegenheit. Nicht nur ich zweifelte an der Relevanz dieses Tributs beim Grand Prix von Deutschland.

Also stürmte ich nun in das Pressebüro und fragte die von der Dorna ernannte Chefin – eine respekteinflößende italienische Dame – ob wir auch eine Schweigeminute für Diana einlegen. Sie lächelte liebenswürdig, sogar mitfühlend und sagte: «Carmelo Ezpeleta hat ja gesagt, ihr bekommt eine Schweigeminute. Im Pressezentrum.»

Nein. Nicht gut genug. Ich wollte, dass alle an der Strecke beteiligt sind. Wie es in Deutschland war. «Renata», ärgerte ich mich. «Dieser Tod hat keinen Einfluss auf mich persönlich, aber wenn es eine Schweigeminute bei einem Grand Prix für einen spanischen Politiker gibt, dann können wir auch eine verdammte Schweigeminute für die britische Prinzession einlegen.»

«Mike», sagte sie. «Ich weiß nie, ob du einen Scherz machst oder nicht.» Ich antwortete ohne eine Miene zu verziehen: «Es spielt keine Rolle, ob ich scherze oder nicht.» Auf mein Geheiß hielten 80.000 Zuschauer plus weitere auf einem weiter entfernten Hügel eine Schweigeminute für Diana ab. Unterbrochen wurde sie nur von leisem Schniefen, weil ich versuchte, mein Lachen zu unterdrücken.

Also bin ich vielleicht auch ein bisschen daran Schuld, dass diese Praxis nun zur Gewohnheit in GP-Sport wurde, denn kaum ein Wochenende kommt ohne Schweigeminute aus – wegen einer Terrorattacke irgendwo oder einem Erdbeben oder einer Hungersnot oder einem Zugunglück oder einem anderen grauenhaften Ereignis.

Manchmal decken sie sogar zwei Ereignisse ab. Es ist ein Wunder, dass unter all diesem Schweigen überhaupt noch jemand die Chance hat, sich mit jemand anderem zu unterhalten.

Manchmal ist natürlich das Gegenteil der Fall. Es ist richtig, dass im Rennsport die Verstorbenen, die Teil des Sports waren, betrauert werden sollen. In diesem Jahr schwiegen wir für Angel Nieto und (traurige 69 Sekunden) für Nicky Hayden. Obwohl nicht dasselbe für John Surtees oder im letzten Jahr für Geoff Duke getan wurde. Was ein bisschen unfair wirkt – aber keiner von ihnen hatte etwas mit der Dorna zu tun.

Keiner könnte die Minute der aufheulenden Motoren für Marco Simoncelli vor ein paar Jahren vergessen. Aber diese ehrlichen und respektvollen Momente werden mittlerweile von der Tatsache untergraben, dass sie so alltäglich geworden sind. Gefühle werden von dieser ständigen Wiederholung abgewertet.

Ich schlage vor, wir rüsten uns für mehr Schweigeminuten im Verlauf des restlichen GP-Jahres. Und ich denke, wir sollten dankbar sein, wenn sie irrelevant sind. Es ist besser so.

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