Sachsenring-GP: Die Zukunft bleibt weiter ungewiss
Sachsenring: Die Zukunft bleibt ungewiss
Im neuen Fünf-Jahres-Vertrag (von 2017 bis 2021) zwischen Dorna Sports und der ADAC-Zentrale in München ist nach den Turbulenzen um dem Sachsenring-GP kein fester Standort für den deutschen Motorrad-WM-Lauf mehr definiert worden.
Dorna, FIM und ADAC wollen sich die Option Nürburgring für die Zukunft offen halten. Manche Fans plädieren sogar für Hockenheim – wegen des besseren Einzugsgebiets. Aber der Hockenheimring lässt sich im jetzigen Zustand nicht für MotoGP-Niveau (Grade A) homologieren.
Da die Sachsenring Management GmbH beim Grand Prix 2017 Mitte Juli einen «hohen sechsstelligen Betrag» als Verlust erwirtschaftet hat und niemand weiß, ob sich diese Gesellschaft derartige Verluste vier weitere Jahre leisten kann, wurde FIM Safety Officer Franco Uncini vor einer Woche in die Eifel geschickt, um den Nürburgring als möglichen Ausweichschauplatz zu inspizieren.
ADAC-Sportpräsident Hermann Tomczyk (66) besuchte den Österreich-GP und stellte danach klar: «Ich will finanzielle Belange oder die Ergebnisse vom Sachsenring-GP nicht kommentieren. Aber ich stehe als ADAC-Sportpräsident in der Verantwortung für den Sport und muss Alternativen prüfen, nicht mehr und nicht weniger.»
Tomczyk ließ zudem durchblicken: «Für die MotoGP-WM ist der Sachsenring ein idealer Austragungsort. Dort gibt es auch das nötige Motorrad-Einzugsgebiet und eine Riesen-Fangemeinde. Das ist meine persönliche Meinung, das möchte ich wirklich klarstellen. Wie die Fahrer den Sachsenring als Rennstrecke beurteilen, kann ich nicht sagen und auch nicht bewerten. Fakt ist aber: Der ADAC wird sich als Vertragspartner des Sachsenrings an seinen Vertrag halten und ihn seinerseits in jedem Fall erfüllen.»
Was in diesem Vertrag genau steht, wissen nur die Partner Promoter SRM (Sachsenring Rennstrecken Management GmbH) und die Verantwortlichen ADAC-Zentrale in München.
SRM-Geschäftsführer Wolfgang Streubel besuchte nach dem jüngsten Finanzdesaster entgegen seiner üblichen Gewohnheiten weder den Grand in Brünn noch jenen in Spielberg.
Stattdessen stellte er einen Standortwechsel in die Eifel gegenüber wohlgesinnten Medien als Ding der Unmöglichkeit hin; die SPEEDWEEK.com-Meldung, Franco Uncini werde den Nürburgring inspizieren, wurde als «Fake News» gebandmarkt, auch der ADAC Sachsen-Vorstand glaubte nicht daran. Inzwischen haben wir die Inspektion vom 21. August mit Fotos dokumentiert...
Die Wut auf die Dorna wächst
20 Jahre lang fand der Motorrad-GP jetzt in Sachsen statt. Aber in dieser Phase hat die Dorna die Gebühr von 1,7 Millionen Euro (1998 bis inklusive 2011) auf 3 Millionen (2012 bis inklusive 2016) erhöht, jetzt verlangt sie pro Grand Prix 4 Millionen – wie fast überall in Europa.
Natürlich werfen die eingefleischten Sachsenring-Fans der Dorna jetzt Wucherpreise und Geldgier vor.
Aber: Die Dorna genehmigte dem Sachsenring-Promoter jahrelang einen saftigen Rabatt. Und niemand zwang die SRM 2016, den neuen Deal zu unterschreiben. Außerdem ist die Nachfrage nach dem Produkt «MotoGP» in den letzten Jahren ständig gestiegen, das Interesse gewachsen. In einer freien Markwirtschaft steigen in so einer Wachstumsphase die Preise. Das fällt unter betriebswirtschaftliches Allgemeinwissen.
In Finnland, in Indonesien, in Thailand und in Aserbeidschan stehen neue GP-Schauplätze bereit oder vor der Vollendung. Spielberg kam 2016 neu dazu.
Wegen der großen Nachfrage (Misano kehrte 2007 zurück) und der modernen neuen Schauplätze (von Valencia über Losail bis Aragón) hat die Dorna in den letzten 20 Jahren Standorte wie Sentul, Rio, Shanghai, Imola, Donington, Istanbul, Estoril, Laguna Seca und Indianapolis aufgegeben, auch Suzuka musste weichen, weil die Sicherheitsanforderungen nicht genügten.
Damit will ich sagen: Kein MotoGP-Schauplatz ist heilig.
Im Zusammenhang mit dem Sachsenring haben Dorna, FIM und ADAC jahrelang Kompromisse geschlossen. Die Fahrer freuten sich über die begeisterten Fans und die tolle Atmosphäre, sie klagten aber über die vielen Linkskurven und den geringen Speed. Die Kritik am Turn 11 wächst, die Teams und die Dorna jammern über die Nachteile des zweigeteilten Fahrerlagers.
Also wird nach 20 Jahren über eine Rückkehr in den Westen nachgedacht.
Ist das ein Verbrechen?
Ist Deutschland rund 28 Jahre nach der Wiedereinigung immer noch keine Einheit?
Als der Grand Prix 1997 auf dem Nürburgring nicht mehr funktionierte, regte sich kein Mensch über den Transfer nach Sachsen auf. Oder?
Heute gilt allein schon der Gedanke an einen Standortwechsel als Frevel, als würde man ein Heiligtum vom Sockel stürzen.
Und wer darüber berichtet, darf mit heftigen Beschimpfungen rechnen. Diese schiessen aber am Ziel vorbei.
Fakt ist: Wegen der von 3 auf 4 Millionen Euro gestiegenen Dorna-Gebühr hat die SRM die Eintrittspreise für 2017 um 30 Prozent erhöht.
Nicht der böse Schreiberling hat ein Millionendefizit erwirtschaftet, das auf Dauer untragbar ist, sondern der deutsche MotoGP-Promoter.
Die SRM schiebt jetzt den Rückgang von rund 67.000 Besuchern (an drei Tagen) grossteils auf die Terminverschiebung, die in der ersten Dezember-Woche 2016 kundgetan wurde.
Die Mehrheit der Fans macht allerdings die zu hohen Preise für das Fernbleiben verantwortlich.
Naja, selbst wenn die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegen sollte, obwohl andere Veranstalter sagen, eine Terminänderung koste höchstens 1000 oder 2000 Tickets: Eine Terminänderung kann auch für 2018 nicht ausgeschlossen werden. Wenn diese wieder zu einem Verlust von fast 1 Million führt, sehe ich da in Sachsen ein etwas wackliges Geschäftsmodell, das noch dazu von den Gemeinden und somit mit Steuergeld finanziert wird.
Was die Dorna alles bezahlt
Die Dorna schüttet rund 60 Millionen Euro im Jahr für die Teams aus, sie bezahlt den Großteil der Kosten für die Moto2-Einheitsmotoren, sie finanziert die TV-Produktion, sie finanziert Nachwuchsserien in Großbritannien und Asien sowie den Red Bull Rookies Cup mit, sie hat das Produkt MotoGP durch viele weitblickende Maßnahmen (Umstellung auf Viertakter, Einheitsreifen, Einheitselektronik, Fahrer aus vielen Ländern, Attraktionen für die Werke und so weiter) auf ein hohes Level gebracht.
Die Dorna hat bereits 1992 dem Weltverband FIM 6 Millionen US-Dollar im Jahr für die Vermarktungsrechte bezahlt und sich durch diese Investition das Vorrecht gesichert, den Motorrad-GP-Sport zu organisieren und kommerziell zu vermarkten.
1997 schimpfte im Osten niemand, als die Dorna den Grand Prix für 1998 auf die «Mickey Mouse Piste» (Zitat Mick Doohan) in Hohenstein-Ernstthal transferierte.
Ein Promoter, der sich nicht nach den Spielregeln der Dorna richten will, muss eine andere Rennserie veranstalten.
Im internationalen Motorradrennsport bleibt dann leider nicht viel übrig. Denn auch die Superbike-WM wird seit 2012 von der Dorna ausgerichtet.
Auch daran ist nicht der SPEEDWEEK.com-Berichterstatter schuld. Sondern Flammini, der diese Serie an den Rand des finanziellen Ruins geführt hat.