50er-Vizeweltmeister Rolf Blatter: «War nie Profi»
Rolf Blatter (69)
So geschehen und gesehen am vergangenen Wochenende beim Saisonauftakt der Moto Trophy in Oschersleben. Zwei Klassen sind in der Regel den altehrwürdigen Zweitaktern vorbehalten. In einer davon ging auch Rolf Blatter seiner nach wie vor großen Leidenschaft nach.
In seiner aktiven Zeit hinderten Blatter seine 185 Zentimeter Körpergröße nicht daran, sich auf kleine 50-ccm-Maschinchen zu falten. «Ich wog in meiner aktiven Zeit 72 kg, die anderen Spitzenfahrer zwischen 50 und 60 kg. Erst bin ich mangels Geldes bei den 50ern bzw. den 125ern gefahren, später habe ich diese Klassen geliebt», erzählte er.
Inzwischen ist der 50-ccm-Vizeweltmeister von 1979 um ca. fünf Zentimeter geschrumpft und fand in Oschersleben auf seiner «geräumigen» Yamaha TZ 250 T von 1987 dennoch kaum Platz. «Die Positionen der Fußrasten muss ich noch ändern, dann sollte es besser gehen», erklärte der 69-jährige Burgdorfer das mit Klebeband mehrlagig auf seiner Sitzbank fixierte Handtuch zur Höhengewinnung.
Der am 18. Februar 1951 geborene Eidgenosse wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Mit viel Fleiß und selbst verdientem Geld schaffte er 1971 den Einstieg in den Rennsport. Nach seinem Einstieg 1971 bei den Junioren legte er sich für 1972 eine der damals dominanten 50-ccm-Van-Veen-Kreidler zu und wurde auf Anhieb Schweizer Meister. Bereits ein Jahr später gab er beim Grand Prix von Deutschland in Hockenheim sein WM-Debüt, wobei er als Zehnter gleich seinen ersten WM-Punkt holte. «Da habe ich viele Plätze geerbt, weil bei vielen Kreidler-Fahrern reihenweise die Kurbelwellen kaputtgingen», erinnert er sich an sein GP-Debüt.
Um mehr Startgeld zu erhalten, trat Blatter ab 1974 parallel dazu mit einer Maico in der Achtelliterklasse an. 1976 war sein erstes konstant gutes Jahr, als er bei sieben der neun 50er-Grand-Prix in die Punkte fahren konnte und WM-Siebenter wurde. Gleichzeitig holte er sich als Siebenter in Opatija in Jugoslawien seine ersten WM-Punkte in der Klasse bis 125 ccm.
Nach einer längeren Verletzungspause war 1979 dann sein großes Jahr. In der Schnapsglasklasse holte Blatter seine ersten Podestplätze. Bei sieben Rennen wurde er zweimal Zweiter, dreimal Dritter und somit Vize-Weltmeister: «Da habe ich erstmals die Rennerei über Start- und Preisgelder finanzieren und sogar ein bisschen Geld beiseitelegen können. Ein Profi war ich aber nie, sondern habe immer von Montagfrüh an in meiner vom Vater übernommenen Motorradwerkstatt gearbeitet.»
An seine 1979er-Erfolge konnte der Schweizer anschließend nicht mehr ganz anknüpfen. Lediglich 1981 holte er sich, wiederum in der kleinsten Hubraumklasse, als jeweils Dritter in Opatija und Assen seine Podestplätze 6 und 7, doch ein Grand-Prix-Sieg blieb ihm weiterhin verwehrt. Ende 1982 beendete er seine Laufbahn nach einem weiteren schweren Unfall, bei dem er den halben Ringfinger seiner rechten Hand einbüßte. «Außerdem kam da mein Sohn auf die Welt, da habe ich im Wesentlichen aufgehört und bin nur noch ein paar kleinere Rennen, zum Beispiel in der Tschechei, gefahren», ergänzte er.
Vor einigen Jahren kehrte er bei Klassik-Rennen oder -Demofahrten, die Rolf Blatter «Plausch-Veranstaltungen» nennt, auf die Rennstrecken zurück. Anfangs mit einem NSU-Bullus-Gespann aus eigenen Beständen, später wieder vorzugsweise mit seiner 50er-Kreidler. In dieser steckt nach wie vor sein 1973 von ihm mit einer individuellen Geometrie selbst gebauter Rahmen. Daran änderten sich seither lediglich die Anbauteile wie etwa Gussräder, Scheibenbremsen und Gabel. Heutzutage dürfen die Motorräder aber altersgerecht schon mal etwas größer sein. So fuhr und gewann zum Beispiel schon drei Mal bei der Classic-TT im tschechischen Horice mit einer 500er-Einzylinder-Ducati von 1968/1970.
Derzeit steckt der Rentner, wenn er nicht gerade auf einer Rennstrecke zugange ist, in der Arbeit von zwei Replikas seiner 50er, mit denen er dann fahren und das Original schonen will. Am liebsten fährt er aber mit einer handlichen und gutmütigen Moto3-Standard-Honda von 2012. «Die ist affengeil zu fahren. Dagegen ist meine 250er-Yamaha ein Panzer», hält er fest.
Parallel zu seinem heimischen Domizil lebt Rolf Blatter in einem ehemaligen Baugeschäft mit Wohnung und Werkstatt in Geringswalde, unweit von Frohburg. «In der Schweiz ist das Leben sehr teuer. In Frankreich oder Spanien müsste ich erst die Sprache lernen, doch hier habe ich viele gute Freunde», nennt er seine Beweggründe für seinen derzeitigen Zweit- und zukünftig gegebenenfalls Erst-Wohnsitz in Sachsen.