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Ost-West-Beziehung: Seel-Support in beide Richtungen

Von Thorsten Horn
Gerold Meißner und Ingo Emmerich

Gerold Meißner und Ingo Emmerich

Viel Lust verspürte der Sieger des Boykott-Grand-Prix von Deutschland 1974 auf dem Nürburgring, Ingo Emmerich, nicht, in «seiner» 50-ccm-Klasse beim Saisonauftakt der Moto Trophy in Oschersleben mitzumachen.

Dafür umso mehr in der Klasse GP 125/S1. «Ich halte nichts von den sogenannten Freetechs. Solange die alten 50er und die Freetechs zusammen fahren, fahre ich keinen Eurocup 50 mehr», meinte der 70-jährige Eifelaner am vergangenen Wochenende in der Magdeburger Börde und erklärte dazu: «Abgesehen von modernster Technik bei den Motoren und Bremsen, Data Recording und allem was es zu der eigentlichen 50er-Zeit nicht gab, fahren die einen mit breiten Slicks und wir mit Fahrradschläuchen herum. Das ist unlauterer Wettbewerb.»

So oder so ähnlich dachte und denkt auch der dreimalige DDR-Vizemeister Gerold Meißner, der heutzutage ebenfalls regelmäßig bei Klassik-Veranstaltungen an den Start geht und auch sonst mit Ingo Emmerich im Geiste verwandt ist. Vor allem wenn es um technische Dinge geht. So kam es, dass in Oschersleben eine Seel und ihr Ost-Pendant gleich nebeneinander standen.

Einst hat Ingo Emmerich zusammen mit Horst Seel die ersten zwei 80er-Seel gebaut. Horst Seel baute die Motoren und Ingo Emmerich die Fahrwerke. Davon fuhr er selbst eines und das andere Gerhard Waibel. «Daher kommt meine Beziehung zu diesem Motorrad hier. Ich konnte sie günstig bekommen und kann heutzutage bei solchen Veranstaltungen bei den 50ern oder den 125ern mitfahren. Wenn ich wollte, könnte ich damit in zwei verschiedenen Klassen fahren. Mein 125er-Motor hier ist im Prinzip ein aufgebohrter 80er-Motor, das Fahrwerk ist das gleiche. Meine 50er habe ich auch noch.»
Einst baute er zusammen mit Horst Seel nach der Ossa des Spaniers Santiago Herrero die weltweit erst zweite Rennmaschine mit Alu-Rahmen, worauf er natürlich nicht ohne Stolz verweist.
Seine in Oschersleben gefahrene 125er ist eine Original-Seel von 1987, die von Jörg Seel und Pierpaolo Bianchi in der WM gefahren wurde. 2015 hatte er diese von einem Sammler gekauft und führt sie so oft es geht aus.

So geht es auch Gerold Meißner aus Pirna bei Dresden. Auch bei ihm stehen das Bauen und Schrauben genau so hoch im Kurs wie das Fahrvergnügen. Seine Meikomot 80 basiert, wenn man so will, auf der 80er-Seel der 1980er-Jahre. Dazu erklärt der Sachse: «Ich habe einst in Brünn über den Westberliner Rennfahrer Werner Steege Horst Seel kennengelernt. Da ich ja immer schon in der DDR ein Eigenbauer war, gab es natürlich schnell Berührungspunkte. Es kam dann zum regen technischen Gedankenaustausch.»

Wie immer hinkte man in der glorreichen DDR auch mit der Einführung der 80-ccm-Klasse dem internationalen Rennsport hinterher. Als es dann soweit war, baute Gerold Meißner zusammen mit seinem Rennfahrerkollegen Peter Müller die MM80. Ungeklärt ist bis heute, welches «M» für wen steht. Wie dem auch sein, das Fahrgestell kam von Peter Müller und der Motor von Gerold Meißner. «Modellbau und Gießerei waren schon immer meine Spezialstrecke. Nun ist es bei allen Eigenbauten so, dass der Konstrukteur nicht alles selbst erfindet, sondern sich von verschiedenen Konzeptionen etwas abschaut und dann im Kopf eigene, möglichst bessere Gedanken entwickelt», sagt Gerold Meißner. Und weiter: «Mein technisches Vorbild war die tschechische Ahra, bei der das Getriebe am Motor angeflanscht war. In einer Nacht- und Nebel-Aktion durfte ich im Fahrerlager in Brünn mit Horst Seel zusammen mit dem Messschieber seinen 80er-Motor ausmessen und mir meine Notizen dazu machen. Da stand ich mit mehr als einem Bein schon im Knast.»

Gerold Meißner drehte den Seel-Motor praktisch um. So hatte die Seel den Schaltautomat rechts, Gerold Meißner an seiner Maschine hingegen auf der linken Motorseite. «Ich habe mir dann selbst Modelle gebaut und Gehäuse gießen lassen.» Daher verwehrt sich Gerold Meißner auch dagegen, dass sein Motor eine Seel-Kopie wäre. Außerdem adelte ihn Horst Seel später, indem er sagte: «Dein Motor ist sogar besser als meiner» – was Gerold Meißner gleich entkräftet: «Etwas abschauen und zu verbessern, ist eine andere Sache, als komplett bei Null anzufangen.»

Im Lauf der Jahre war der technische Support aber keine Einbahnstraße. «So ist bei der Seel häufig der Brennraum weggebrannt. Da habe ich ihn auf den Einsatz von Kupfer gebracht.» Später wurden Getriebeteile gen Westen geliefert, die sogar in Ralf Waldmanns Motoren zum Einsatz kamen.

Wie Ingo Emmerich zu berichten weiß, kamen bei der Seel der Schaltautomat und das Getriebe von der Maico-RS zum Einsatz. Als Horst Seel von der Anfälligkeit seiner Getriebe berichtete, wusste Gerold Meißner Abhilfe zu schaffen. So wurden nach dem Härten der Zahnräder die Flanken geschliffen und beim nächsten Rennen in der damaligen Tschechoslowakei an Horst Seel illegal «geliefert». Dafür bekam Gerold Meißner dann einen Vergaser. Des Weiteren hat fertigte und reparierte Gerold Meißner viele weitere Teile oder auch Sturzteile für Jörg Seel vergleichsweise günstig. «So war es ein ständiges Geben und Nehmen. Mit Horst bin ich heute noch gut befreundet.»

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