Was sich Pedro Acosta und Marc Márquez erzählten
Marc Márquez im Gespräch mit Pedro Acosta
Zur Halbzeit der Saison führt Pedro Acosta die Moto3-WM mit 48 Punkten Vorsprung an. Der Spanier hat durch seine sensationen Darbietungen das Interesse an der kleinsten WM-Klasse neu geweckt. Weltmeister wie Lorenzo Dalla Porta sowie Albert Arenas haben zuletzt für wenig Glanz gesorgt. Aber der neue WM-Spitzenreiter reisst die Fans von den Sitzen. Hier wächst ein neuer Ausnahmekönner heran vom Kaliber Márquez oder Quartararo, keine Frage. Gut möglich, dass Acosta schon mit 18 Jahren in der Saison 2023 in der MotoGP-WM zu bewundern sein wird.
Teamchef und Weltmeister-Macher Aki Ajo bescheinigt ihm ein «old style»-Verhalten, weil er dem Rennsport alles unterordnet, sehr fokussiert ist, alles Wissen begierig aufsaugt und sich wenig um «social media» schert. Dafür gehört er absolut zur «new generation», wenn es um den modernen Fahrstil geht, der in den Kuven eine eckige und spitze Linie bevorzugt, eine Methode, die bei «Fast Freddie» Spencer schon im jugendlichen Alter vor bald 40 Jahren zum Erfolg geführt hat.
Seit Beginn der Motorrad-Weltmeisterschaft 1949 hat noch nie ein Rennfahrer drei seiner ersten vier WM-Läufe gewonnen. Kein Hailwood, kein Agostini, kein Read, kein Cecotto, kein Roberts, kein Sheene, kein Rossi, kein Lorenzo, kein Stoner, kein Marc Márquez.
Kein Wunder, wenn der 17-jährige Moto3-Rookie Pedro Acosta (er hat bei seinen ersten vier WM-Rennen 95 von 100 Punkten erzielt!) aus dem Red Bull KTM-Ajo-Team in den höchsten Tönen gelobt und mit Superlativen überschüttet wird. Er wird als neuer Marc Márquez gefeiert, als Phänomen, als Mythos, als Senkrechtstarter, als Wunderknabe, Magier und Zauberlehrling bezeichnet.
Beim Jerez-GP trafen Marc Márquez (28) und Pedro Acosta (zu diesem Zeitpunkt noch 16) am Donnerstag vor dem ersten Training bei der offiziellen Dorna-Pressekonferenz erstmals aufeinander. Der junge KTM-Pilot war neben den MotoGP-Stars als WM-Leader der Moto3-Klasse eingeladen. Ein Dorna-Kameramann filmte das interessante Gespräch geistesgegenwärtig mit, auch ein Mikrofon war eingeschaltet, das die Unterhaltung auf Spanisch aufzeichnete.
WM-Leader Acosta räumte ein, er sei nervös, denn er habe noch nie ein großes Interview auf Englisch gegeben. Marc beruhigte den schnellen Landsmann, gab ihm gute Tipps und stellte ihm viele neugierige Fragen.
Márquez: Du bist vor der Pressekonferenz nervös?
Acosta: Ja, ich habe mich noch nie vor so vielen Menschen auf Englisch unterhalten.
Márquez: Das ist normal, dass du bei deiner ersten großen Pressekonferenz aufgeregt bist.
Acosta: Ja, ich habe mich gewundert, warum ausgerechnet ich für dieses Interview ausgewählt worden bin.
Márquez: Aber im Rookies-Cup habt ihr doch auch hauptsächlich Englisch gesprochen?
Acosta: Ja, ein paar Brocken wie «good race» oder «difficult». Im ersten Jahr war das mühsam für mich. 2019 sind wir im Rookies-Cup zuerst in Jerez und in Mugello gefahren. Das war einfach. Dort konnte ich mich verständlich machen. In Assen und in Sachsen habe ich mich gefragt: Was reden die mit mir?
Márquez: An die Interviews gewöhnt man sich, Mann. Als ich im ersten Jahr in der WM war, habe ich diese GP-Saison am meisten genossen. Das erste Jahr hat die meiste Freude gemacht.
Acosta: Ja, wirklich?
Márquez: Ja, denn nachher heißt es nur mehr «siegen, siegen, siegen». Es wird dann immer komplizierter für dich. Ja, alle denken, das sei einfach.
Die Leute erwarten dann von dir, dass du jedes Rennen gewinnst.
Acosta: Ja, das kann ich mir vorstellen.
Márquez: Also entspann‘ dich. Und wenn du nicht gewinnen kannst, nimm die Punkte mit. Jetzt mit 28 Jahren weiß ich das. Aber als ich in deinem Alter war…
Acosta: Ja, ich stimme zu. Sicher. Wenn ich jetzt heimkomme von einem Grand Prix, sagen alle: «Weltmeister zu werden, ist jetzt leicht für dich.»
Ich denke mir dann: Wie um Himmels Willen soll das einfach ein?
Ich schätze, im Fernsehen sieht es einfach aus…
Márquez: Du musst das alles beiseite schieben.
Ich habe dich schon im ganzen letzten Jahr beobachtet, auch in der Junioren-WM. Da habe ich mir gesagt: Der Junge macht das gut.
Acosta: Es war eine lange Saison.
Márquez: Junge, ihr Burschen kommt mit vielen Kilometern in den GP-Zirkus. Red Bull Rookies Cup, CEV Repsol Championship.
Du bist im Team von Aki Ajo, richtig? Legt er sich richtig für dich ins Zeug?
Acosta: Aki ist gut. Er ist sehr gut.
Márquez: Ich bin für ihn gefahren. Er versteht sein Geschäft.
Acosta: Manchmal wirkt er wie eine Statue. Aber wie gesagt: Wir haben ein super Team.
Márquez: Und Aki bringt Ruhe rein. Du kannst bei ihm lernen, einen kühlen Kopf zu bewahren.
Acosta: Da, das war besonders bei meinen zwei WM-Rennen in Katar hilfreich. In Portimão dachte ich, ich muss in jeder Session in den Top-14 sein, damit ich sicher ins Q2 komme. Bei meinem GP-Debüt in Katar war das anders. Ich sagte: «Jetzt bin ich hier, ich bin in jedem Training in den Top-3. So ist es jetzt!»
Dann hat mich Aki angeschaut. Sein Gesichtsausdruck bedeutete: «Komm, entspann‘ dich. Übertreib‘ es nicht.»
Márquez: Ja, er hat recht. Entspann‘ dich. Aki ist der richtige Teamchef für dich.
Acosta: Ja, das ist fein. Er ist die Ruhe in Person.
Márquez: Das ist wichtig. Du darfst dich vom Druck nicht beeinflussen lassen. Eines Tages wird der Druck grösser werden. Aber du bist erst 16. Du hast Zeit.
Bisher läuft ja alles ausgezeichnet bei dir. Aber ich kann dir sagen: Schwierig wird es erst, wenn es einmal schiefgeht.
Was du bisher erreicht hast, ist großartig. Später werden sie dir einmal sagen: Du MUSST gewinnen! Dann musst du auf einen anderen Kanal schalten und trotzdem die Freude bewahren.
Acosta: Ich werde es versuchen.
Márquez: Dein Fahrstil gefällt mir. Du fährst in den Kurven nicht so rund wie die meisten anderen Moto3-Fahrer. Du fährst spitz in die Kurven rein. Auf den Stop-and-Go-Strecken bist du gut!
Die längeren Strecken sind schwieriger zu lernen. Aber Brünn steht beispielsweise nicht auf dem Kalender.
Acosta: Ja, die längeren Strecken sind schwieriger.
Márquez: Lebst du immer noch in Murcia?
Acosta: Ja, ja.
Márquez: Direkt in der Stadt?
Acosta: Nein, eine halbe Stunde entfernt.
Márquez: Du bist der Hai von…?
Acosta: … der Hai von Mazarron. Keine schlechte Gegend. Mir gefällt es dort.
Márquez: Das glaube ich. Ich lebe auch immer noch in Cervera, wo ich aufgewachsen bin. Fährst du Motocross? Oder was machst du sonst noch?
Acosta: Von allem ein bisschen was… Aber nicht so viel Motocross. Das endet meistens mit Schmerzen.
Márquez: Ja, wirklich?
Acosta: Ja, ja. Ich hatte so ein richtiges chinesisches Motorrad. Es wurde in einem Fahrradgeschäft verkauft.
Márquez: Du bist direkt auf Minibikes aufgestiegen?
Acosta: Ja.
Márquez: Und dann von dort gleich auf ein richtiges Rennmotorrad?
Acosta: Ja, das war kein Problem. Aber beim Motocross tue ich mir immer weh.
Márquez: Na, dann hör’ lieber auf damit.
Acosta: Daran habe ich auch schon gedacht. Ich dachte immer, eines Tages lerne ich es noch. Aber… Der Boden ist einfach hart, wenn du landest.
Márquez: Hm, ja, das Springen muss man schon sehr früh üben. Ich selber habe ja mit Motocoss begonnen. Deshalb betreibe ich das weiter. Trainierst du auch Flat Track?
Acosta: Ja, ja.
Márquez: Das macht Sinn. Gut.
Acosta: Okay, Danke.