Florian Prüstel: «Beste Saison 2018 mit Bezzecchi»
Der Motorrad-GP-Sport ist ein knallhartes Geschäft, denn die Zeiten, als ein Dirk Raudies 1993 mit einer privaten Honda RS125, einem bescheidenen Budget mit ein paar begeisterten Gönnern die 125-ccm-Weltmeisterschaft gewinnen konnte, sind längst vorbei.
Durch die gestiegene Anzahl der Grand Prix und die vielen Übersee-Events sowie durch die Ablöse der Zweitakter durch die Viertakter sind die Budgets stark gestiegen. Heute kostet der Betrieb eines Moto3-Teams mit zwei Fahrern zwischen 1,5 und 2 Millionen Euro.
Dirk Raudies schlug sich als Teambesitzer vor 30 Jahren noch mit ca. 300.000 Mark durch, das wären ca. 140.000 Euro.
Das deutsche CFMOTO-PrüstelGP-Team von Ingo und Florian Prüstel bekam im November die Quittung für das mäßige Abschneiden von Artigas und Kelso, die 2023 über die WM-Ränge 15 und 17 nicht hinauskamen.
«Im Vorjahr haben wir die erste CFMOTO-Saison mit den Fahrern Artigas und Tatay gehabt», blickt Teamprinzipal Florian Prüstel (32) zurück. «Carlos Tatay kam als Red Bull Rookies-Cup-Sieger zu uns, er war Hoffnungsträger. Auch Artigas hat in der Junior-GP ganz vorne mitgemischt, dazu im Rookies-Cup. Wir waren bei der Fahrerwahl immer im Austausch mit KTM, haben uns aber auch selber auf dem Markt umgeschaut. Dich die Fahrerwahl für 2023 war für alle Teams nicht einfach, weil die neue Altersregelung kommt. Die Moto3-Fahrer müssen jetzt als Neulinge 18 Jahre alt sein.»
Zur Erinnerung: In der 125-ccm-Ära von Tom Lüthi, Randy Krummenacher, Stefan Bradl, Sandro Cortese, Jonas Folger lag das Alterslimit bei 15 Jahren.
Florian Prüstel bedauert, dass ihn die Pierer Mobility AG erst zwei Tage vor dem ersten Valencia-GP Training am 22. November mit dem Rlcjzug des CFMOTO-Budgets von 1 Millionen Euro konfrontiert hat.
«Hätten wir. Das Mitte der Saison gewusst, hätte wir etwas Neues aufbauen können. Aber uns das zwei Tage vor dem WM-Finale mitzuteilen, das ist schwer zu verstehen.»
Hat PrüstelGP angesichts der schwachen Ergebnisse nie befürchtet, dass die Pierer-Manager einen Schlußstrich ziehen und ein schlagkräftigeres Team auswählen könnten? «Nein, ich war ja im Oktober in China bei CFMOTO und habe mich danach sicher gefühlt. Sie haben mir alles bestätigt und die Zusendung eines neuen Vertrags angekündigt. Doch der kam nie. Es muss danach irgendetwas passiert sein, worüber wir nicht informiert waren.»
In Österreich wurde die neue 2024-Fahrerpaarung mit Riccardo Rossi und Xavier Artigas für nicht besonders vielversprechend eingeschätzt. Deshalb wurde in Doha kurzfristig entschieden, das Martinez-Team von GASGAS in beiden Klassen auf CFMOTO umzustellen, das GASGAS-Moto2-Projekt zu beenden und das GASGAS-Marketing-Budget zur Gänze zu Tech3 zu verlagern – für Moto3 (mit Holgado und Roulstone) sowie den MotoGP-Assen Pedro Acosta und Augusto Fernández.
Vermutlich wurde bei Pierer gehofft, PrüstelGP würde das Moto3-Team mit KTM-Bikes auf eigene Faust weiter betreiben. Doch die Einbuße von 1 Million Euro bei einem Gesamtbudget von 1,6 Mio ließ sich nicht in so kurzer Zeit ausbügeln.
Bei der Pierer Mobility wurde manchmal bemängelt, dass Prüstel die Technikcrew durch die Verpflichtung billiger spanischer Arbeitskräfte geschwächt habe. Außerdem gaben sich beim sächsischen Team die Crew-Chiefs die Klinke in die Hand – es gab ständige Wechsel.
Der bewährte Cheftechniker Stefan Kirsch kündigte Ende 2021 und wurde im September 2022 zurückgeholt, wechselte aber für 20213 zum Husky-Team von Peter Öttl und betreute dort Collin Veijer. Massimo Capanna kam 2022 – und ging im Sommer wieder.
«Massimo kam auf Wunsch von Artigas zu uns», schildert Florian Prüstel. «Ohne Massimo hätten wir Artigas nicht bekommen. Also haben wir den Deal gemacht. Mitte des Jahres hat sich herausgestellt, dass Artigas überhaupt nicht mit Massimo gearbeitet hat. Danach kam Stefan Kirsch zurück. Aber für ihn ging nachher die Türe bei Peter Öttl auf.»
«Was die Spanier betrifft, ja sie sind billig, aber sie sind auch reisebereit und motiviert für diesen Sport», hält Prüstel fest. «In Deutschland sind solche Menschen schwer zu finden. Man kann ja im Paddock rumgehen und zählen, wie viele deutsche Mechaniker man noch findet. Sie werden immer weniger», sagt Prüstel.
Als PrüstelGP im Frühjahr 2016 das abgewirtschaftete Racing Team Germany übernahm und mit McPhee gleich in Brünn gewann, blieb Hauptsponsor Saxoprint noch für 2017 an Bord. Prüstel: «Danach brachte Jakub Kornfeil Sponsor Redox mit, nach dessen Ausstieg hatten wir 2020 die Schweizer Sponsoren CarXpert mit Jason Dupasquier, auch Interwetten war dabei; 2022 folgte CFMOTO.»
2022 wurde das PrüstelGP-Team von Tom Lüthi als Sportdirektor unterstützt. Er fädelte auch noch den Wildcard-Einsatz von Noah Dettwiler in Spielberg 2023 ein, der von Prüstel abgewickelt wurde.
Prüstel suchte immer nach deutschen Fahrern, brachte aber nie ein deutsches Talent in die WM. «Wir haben 2020 und 2021 zwei Jahre den Northern Talent Cup bestritten und dann Freddy Heinrich in den Rookies-Cup gebracht. Wie haben uns stark für die Nachwuchsförderung engagiert, aber bald erkannt, wie schwer es ist, schnelle deutsche Nachwuchsfahrer zu finden», sagt Prüstel junior. «Dirk Geiger wollten wir 2020 die ersten WM-Rennen fahren lassen, bis Barry Baltus 16 Jahre alt war. Aber durch Corona hat die Saison erst im Juli begonnen, deshalb kam Geiger nur in Doha zum Einsatz.»
Vor der Saison 2021 ging Prüstel ein dicker Fisch durch die Lappen. «Da hatten wir kurzfristig Pedro Acosta als Fahrer unter Vertrag. Aber dann hat ihn Aki Ajo in sein Team geholt», blickt Prüstel zurück. Acosta gewann dann 2021 gleich im ersten Jahr bei Ajo die Moto3-WM!
2021 erlebt die PrüsteGP-Mannschaft in Mugello einen verheerende Tragödie: Der 19-jährge Schweizer Jason Dupasquier stürzte am Samstagmittag in Mugello schwer und erlag am Sonntag seinen Verletzungen.
Wie lautet die Bilanz nach siebenhalb Jahren in der Moto3-WM? Prüstel: «Die beste Saison hatten wir 2018, als Bezzecchi WM-Dritter wurde und drei GP-Siege gefeiert hat.»
Die Fahrerpaarungen von PrüstelGP
2016 mit Peugeot: John McPhee, Albert Arenas
2017 mit Peugeot, Jakub Kornfeil, Patrick Pulkkinen
2018 mit KTM: Marco Bezzecchi, Jakub Kornfeil
2019 mit KTM: Jakub Kornfeil, Filip Salaz
2020 mit KTM: Jason Dupasquier, Barry Baltus
2021 mit KTM: Jason Dupasquier, Ryusei Yamanaka, Filip Salac
2022 mit CFMOTO: Xavier Artigas, Carlos Tatay
2023 Mit CFMOTO: Xavier Artigas, Joel Kelso