Philipp Öttl: «Mental lässt sich noch viel rausholen»
Philipp Öttl gelang im November 2012 bei seinem GP-Debüt als Wildcard-Pilot in Valencia gleich der elfte Platz – im Regen.
Danach war ihm bewusst, dass er 2013 in seiner ersten kompletten Moto3-WM-Saison nicht auf verlorenem Posten stehen würde.
2012 hatte sich Öttl mit der Kalex-KTM bereits mit der neuen 250-ccm-Viertakt-Klasse angefreundet, die Spanische Meisterschaft CEV bestritten (sieg in Jerez) und sie als Gesamtvierter beendet.
Gleichzeitig absolvierte der talentierte Bayer damals die dritte Saison im Red Bull Rookies-Cup mit der 125-ccm-Zweitakt-KTM. Er verzeichnete einen Laufsieg in Silverstone und schloss die Cup-Saison als Vierter ab.
In der Moto3-WM tastete sich Philipp Öttl 2013 im Interwetten-Paddock-Team von Dani Epp schrittweise an die Weltspitze heran. Beim fünften Rennen in Le Mans gelang der erste Saisonpunkt. Es folgten sieben punktelose WM-Läufe. Und Papa Peter Öttl (fünffacher GP-Sieger in den Klassen 80 und 125 ccm) fragte sich allmählich, ob der Junior noch einen weiteren Punkt ergattern würde.
Es wurden schliesslich 33 zusätzliche Punkte!
Denn der 17-jährige Kalex-KTM-Pilot setzte nach dem ausgezeichneten neunten Platz von Misano zu einem sehenswerten Saisonfinish an – mit drei weiteren Top-Ten-Plätzen und dem Highlight von Aragón, wo Phil mit Platz 6 ein Meisterstück ablieferte.
Philipp, was hast du dir im letzten Winter für die Saison 2013 ausgerechnet? Hast du erwartet, einen sechsten GP-Platz zu schaffen?
Ich wollte mich schon über die Saison hinweg steigern und zum Schluss konstant in die Punkte fahren. Dass die Punkte dann im Herbst immer so eindeutig werden, hätte ich mir nicht gedacht. Ein, zwei, drei Punkte, das habe ich erwartet. Aber einmal zehn Punkte auf einmal, das hätte ich mir nicht gedacht.
Ich wollte in der WM eigentlich schon unter die ersten 20 kommen. Das habe ich im Endeffekt mit Platz 18 auch geschafft. Aber ich habe gewusst, dass es wirklich nicht leicht wird.
Wenn dir jemand prophezeit hätte, dass du Ende September beim Aragón-GP mit der Spitzengruppe mit Viñales und Rins mitfährst und am Schluss trotz eines Fehlers Sechster wirst: Hättest du das für möglich gehalten?
Am Anfang vom Jahr hätte ich schon gesagt: Eher nicht. Aber mein Chefmechaniker Stefan Kirsch hat mir vorausgesagt, dass ich in diesem Jahr einmal ganz weit vorne dabei sein werde.
Bisher war es immer so: Wenn mir jemand aus meinem Umfeld so etwas voraus gesagt hat, dann ist es auch jedes Mal passiert.
2012 im Rookies-Cup war die erste Rennhälfte bei dir manchmal ein bisschen problematisch. Du hast zu lange gebraucht, um in Fahrt zu kommen. In der zweiten Rennhälfte warst du dann oft an der Spitze; du hast aber immer etliche Sekunden aufholen müssen. Hat sich das im Frühjahr 2013 in der WM fortgesetzt?
Wenn du in der Startaufstellung weiter vorne stehst, wenn du nach dem Start also eine freiere Bahn hast wie in Aragón, ist es ganz logisch, dass du schneller fahren kannst, weil du mehr Platz hast.
Wenn du als 15. startest, musst du zuerst ein paar Gegner überholen. Dann sind die ersten vier Runden vorbei, bis du endlich freie Bahn hast, die Reifen sind dann auch schon vier Runden alt.
Es geht also darum, sich im Training bessere Voraussetzungen zu schaffen. Dann bist du auch im Rennen schneller.
Der vierte Startplatz in Aragón war eine wichtige Grundlage für das gute Resultat bei diesem Rennen.
Im Rookies-Cup haben die Startplätze oft gepasst, aber der Speed in der ersten Rennhälfte war verbesserungswürdig?
Ja, das war in der ersten Saisonhälfte 2012 noch der Fall. Aber nachher hat es sich ein bisschen geändert. Nachher bin ich in jedem Rennen an die Spitze nach vorne gefahren.
Aber ich habe letztes Jahr meinen Trainer Franz Dietzinger noch nicht gehabt. Deshalb habe ich zu viel falsch gemacht, um die Rookies-Gesamtwertung gewinnen zu können.
Dietzinger war ein Spitzen-Biathlet. Er ist heute Physiotherapeut in Berchtesgaden und hat dich gezielt auf die WM vorbereitet?
Ich habe im November 2012 angefangen, gut zu trainieren. Es hat dann seine Zeit gebraucht, bis die Auswirkungen zu spüren waren.
Ich habe zum Beispiel auch gelernt, dass ich mich vor den Trainings und Rennen richtig und gezielt aufwärmen muss.
In der zweiten Saisonhälfte war nur noch das Rennen in Malaysia anstrengend – so wie die Rennen am Saisonanfang.
Bei den ersten Grand Prix habe ich mich noch ein bisschen schwerer getan. Im Juli auf dem Sachsenring ist es mir schon leichter gefallen, über die Renndistanz zu kommen. Ich war dann nach den Rennen nicht mehr so fertig wie im Frühjahr.
Für einen jungen Motorradrennfahrer gibt es kein Rezept, wie man trainieren soll, um auf dem Motorrad schneller zu werden. Dieses Problem hast du auch bewältigen müssen – wie viele Piloten vor dir?
Es gibt halt keinen Plan für jeden Rennfahrer, der sich für alle anwenden lässt. Jeder braucht da ein bisschen andere Methoden. Es muss eine Kombination sein. Man braucht eine gute Fitness; dann schafft man diese 40 Minuten im Rennen. 60 Prozent macht dann das mentale Training aus, 40 Prozent das Koordinationstraining. Das wird jetzt immer mehr bei mir.
Ich sage meinem Trainer immer genau, welche Muskeln mir nach dem Rennen weh getan oder welche ich gespürt habe. Dann sagt er mir Übungen, wie wir das wegbringen. Diese Übungen werden immer zahlreicher. Und ich weiss jetzt schon recht genau, welche Übung ich in welchem Fall anwenden muss.
Aber das meiste kann man sicher im mentalen Bereich rausholen. Im Kopf. Ich habe seit Indianapolis ein Büchlein, das ich mir vor dem Fahren immer durchlese. Da geht es um Ablenkung.