Rennchef Beirer: «KTM ist ein riesiges Schneeschild»
KTM steht vor dem dritten Jahr in der Moto3-WM, die beiden bisherigen Weltmeisterschaften der 250-ccm-Viertakt-Klasse konnten die Österreicher mit Sandro Cortese und Maverick Viñales für sich entscheiden. 2014 ist nun reglementarisch keine Bevorzugung des Werksteams Red Bull KTM mehr möglich, die Motoren eines jeden Herstellers werden unter den Fahrern ausgelost. Mit zehn KTM-Piloten, zwei Husqvarna-Vertretern und den sieben Kalex-KTM-Fahrern rüstet der KTM-Konzern 19 Motorräder aus.
Die Auslosung der Motoren und das Plombieren fanden am Rande des letzten IRTA-Tests vor dem Saisonauftakt statt. KTM-Rennchef Pit Beirer reiste für dieses Ereignis nach Jerez. In der Delegation des ehemaligen Weltklasse-Motocross-Piloten befindet sich auch der neue Husqvarna-Motorsportchef Robert Jonas, der sich vor Ort ein Bild vom neuen Rundstreckenprogramms der aus dem Offroadbereich bekannten Marke machen will.
Pit, KTM dominiert auch den letzten IRTA-Test vor der neuen Saison. Bist du hauptsächlich zum Gratulieren nach Jerez gekommen?
Grundsätzlich sehe ich einfach ganz gerne Rennmotorräder auf der Strecke (lacht). Was wir jetzt sehen ist das, was wir vor einem Jahr an Arbeit eingeleitet haben. Die Verträge wurden gemacht, das Material wurde beschafft, die Jungs bauten die Motorräder bei uns zusammen, und zwar richtig viele.
Da war bei uns eine grosse Spannung da: Wie wird es ausschauen im Vergleich mit der Konkurrenz? Das war insofern interessant, weil wir uns ja nicht mehr auf drei Motorräder konzentrieren konnten, sondern viele gleiche gebaut haben. Jetzt wollte ich hier bei der Motorenverteilung und -verplombung zumindest greifbar sein. Aber es ist für mich wirklich fast ein Ausflug, denn es läuft bisher einfach alles prima. Die Motoren haben wir alle pünktlich geliefert, jetzt sind alle verplombt. Wir sind soweit vorbereitet. Jetzt kannst du nichts mehr revidieren. So wie es ist, ist es nun.
Honda wird das Schlupfloch nutzen, einige Motoren erst nächste Woche in Katar zu verplomben. Auch Mahindra plant dies offenbar. War dies definitiv keine Option für KTM?
Wir haben einen sehr guten Plan gehabt. Es wäre verrückt, jetzt nochmals bei 19 Motoren einzugreifen. Wir haben jetzt 42 Motoren abgeliefert. Mit diesen Motoren können wir eine sehr hohe Qualität und eine hohe Kilometerlaufleistung garantieren.
Wir fühlen uns wohl dabei. Bei einem vor einem Jahr gestarteten Prozess bringen fünf zusätzliche Tage auch nichts mehr. Natürlich sind wir in einer sehr gefährlichen Situation, weil wir wie ein gigantisches Schneeschild eine riesige Masse vor uns herschieben.
Schnell reagieren geht da nicht mehr.
Man sieht es hier, Honda hat bei ihren besten beiden Motorrädern noch eine andere Auspuffanlage drauf und solche Dinge. Sie können halt auf einer schmalen Linie noch Dinge probieren. Wir haben uns aber entschieden, unsere Kunden und das Werksteam gleich zu behandeln.
Das macht uns auch Spass. Jetzt kannst du mit offenem Visier in jede Box hineingehen und wirst nicht gleich wieder rausgeprügelt… Wir ziehen das einfach so weiter und hoffen einfach, dass wir in Katar konkurrenzfähig sein werden. Im Moment sieht es nicht schlecht aus.
Der neue Werkseinsatz von Honda hat das klare Ziel, KTM in die Schranken zu weisen. Ist es eine Genugtuung für euch, dass sie bei den Wintertests immer noch einen Schritt zurückliegen?
Nein, absolut nicht. So etwas ist immer nur ein Ansporn. Einen schlafenden Tiger in Japan zu wecken, kann auch ganz schnell nach hinten losgehen. Wir wollen mit Honda keinen verbalen Zweikampf führen. Das interessiert uns ehrlich gesagt überhaupt nicht. Wir konzentrieren uns darauf, zufriedene Kunden zu haben. Wir sind stolz darauf, wenn wir in der Moto3-WM mit Honda um die Weltmeisterschaft kämpfen können.
Dafür sind angetreten. Im ersten Jahr war es brutal schwer, überhaupt den Anschluss herzustellen. Ich möchte an die 18 sec Rückstand in Katar erinnern (Anm.: Beim Saisonauftakt 2012 wurde Sandro Cortese Dritter hinter den FTR-Honda-Piloten Maverick Viñales und Romano Fenati). Die haben wir abgeknabbert.
Im zweiten Jahr schien es dann leicht zu laufen, aber das wird nicht so bleiben. Rennsport ist nie eine Einbahnstrasse. Honda wird sich jetzt anstrengen, ich habe von Anfang an gesagt, die werden in Katar ein konkurrenzfähiges Motorrad am Start stehen haben.
Wir werden uns zusammenreissen, damit wir dagegen halten können. Ich bin sicher, dass es eine ganz spannende Saison wird. Mahindra hat auch einen Schritt gemacht, die Kalex ist auch weiter, wir werden mit Sicherheit gute Rennen sehen. Wir haben ein starkes Paket und Jack Miller scheint bei uns einen Schritt nach vorne gemacht zu haben. Wir werden dagegenhalten.
Ihr habt Husqvarna in die Moto3-WM gebracht. Wäre ein GP-Gewinn von Husky-Pilot Danny Kent etwas Spezielleres als ein KTM-Sieg?
Husqvarna ist natürlich unser neues Baby. Wir haben nun am Anfang alles zusammen gelegt, was wir im Offroad- und Strassensport haben. Aber wir werden uns langsam trennen.
Natürlich bleibt die Firma im gleichen Besitz, aber Husqvarna geht auf eine eigene Schiene. Deshalb wir ein erster Sieg von Husqvarna für uns alle ganz grossartig sein.
Wenn ein Familienmitglied von uns ein Grand-Prix-Sieg einfahren würde, würden wir uns alle extrem freuen. Nach den ganzen Politikspielchen im Herbst haben wir ja am Anfang sogar vorgehabt, mit Husqvarna ab sofort eigene Wege zu gehen. Das wurde uns schnell als verkappter Werkseinsatz ausgelegt. Aber das Ziel bliebt, Husqvarna als eigenständige Marke zu etablieren.
Das werden wir im ersten Jahr noch nicht tun, weil dies das Reglement verbietet. Aber wenn wir Husqvarna im Herbst als eigene Marke für 2016 anmelden, können wir entwickeln, was wir wollen. Diesen Weg werden wir gehen. Für uns ist es nicht wichtig, wo Husqvarna im Mai 2014 steht.
Sondern es geht darum, wo wir in drei Jahren stehen. Es sollen zwei eigenständige Marken sein. Aber zurück zur Frage: Der erste Sieg von Danny Kent auf Husqvarna würde uns trotzdem extrem freuen!