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Paolo Ciabatti: «Sind wegen Lorenzo nicht enttäuscht»

Von Günther Wiesinger
Jorge Lorenzo entpuppte sich zwar beim Valencia-GP als Befehlsverweigerer. Aber Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti nimmt den Spanier in Schutz. Denn ein Platztausch hätte sowieso nichts genützt.

Obwohl der mit 12,5 Millionen Euro Jahresgage hochbezahlte Jorge Lorenzo beim Valencia-GP mehrere Aufforderungen ignorierte, er möge Titelkandidat Andrea Dovizioso vorbei lassen, hing bei Ducati Corse der Haussegen nach dem Grand Prix keineswegs schief.

Die italienische Truppe freute sich viel mehr über diese ausgezeichnete Saison mit sechs Siegen, man hat das ruhmreiche Movistar-Yamaha-Team mit Rossi und Viñales (zusammen vier Siege) oft in den Schatten gestellt, in der Konstrukteurs-WM elf Punkte auf Yamaha verloren und auf Movistar-Yamaha in der Team-WM nur 40 Punkte.

Im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com nahm Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti zum spannenden Finale in Valencia Stellung.

Paolo, warum habt ihr Lorenzo zum Platzmachen aufgefordert? Er war doch schneller als Dovizioso, er zog ihn mit. Oder täuschte dieser Eindruck?

Wir können mit solchen Aufforderungen nur Empfehlungen an die Fahrer abgeben, die darauf basieren, was wir von der Box aus sehen. Die Fahrer mögen dann zu einer andern Ansicht kommen.

Als wir nach dem Rennen mit Dovi sprachen, hat er gesagt: Er war am Anfang in einigen Kurven schneller, in anderen langsamer als Jorge gewesen. Aber ab einem gewissen Punkt half Jorge seinem Teamkollegen dank seiner sauberen Linien entspannter zu fahren als in den ersten Runden und in den Trainings.

Dovi versicherte, Jorge habe ihm geholfen, man habe gemeinsam Pedrosa eingeholt.

Aber er gab auch zu, dass er und Jorge völlig am Limit waren.

Jorge hat uns mitgeteilt, dass es seine Absicht war, Andrea an die Spitzengruppe heranzuführen. Und dann hätte er Dovi vorbei gelassen.

Dann hätte man versucht, auf die Plätze 1 und 2 vorzustoßen.

Nachher hätte man abwarten müssen, was mit Márquez passiert...

Zusammengefasst muss man festhalten: Als TV-Zuschauer in der Box kann man nie ein perfektes Urteil fällen.

Wenn ein Fahrer wie Jorge merkt, er hat die Pace, um die Lücke nach vorne zu schließen, dann ist es verständlich, wenn er die Vorschläge zum Platztausch ignoriert. Er zeigte Dovi lieber ein paar saubere Linien. Das war gut. Wir sind nicht verärgert gewesen.

Wir wären nur verärgert gewesen, wenn Márquez gecrasht wäre und Lorenzo gewonnen hätte.

Das war nicht der Fall.

Der Fahrer weiß am besten, ob er noch Reserven hat, ob er härter pushen, die Lücke zufahren und seinem Teamkollegen helfen kann.

Lorenzo hat also nichts falsch gemacht?

Dovi hat darauf die beste Antwort gegeben. Er versicherte, er sei nicht enttäuscht wegen Jorge, denn hinter ihm konnte er sich etwas entspannen.

Ich weiß nicht, ob Dovi in den ersten Runden an Jorge vorbeifahren hätte können. Jedenfalls hat er hinter Jorge etwas Energie sparen können. Aber beide Fahrer erzählten, sie seien sechs Runden vor dem Ziel völlig am Limit gewesen. Trotzdem wollte Dovi versuchen, den Sieg zu erringen, als er nach dem Márquez-Ausritt und dem Sturz von Jorge Dritter war. Aber dann hat Marc noch einen Fehler gemacht, auch wenn dieser Rutscher nicht so heftig war wie der erste.

Wie gesagt: Wir sind wegen Jorges Fahrweise nicht enttäuscht.

Auch wenn es von außen so aussah, als würde er unsere Anweisungen ignorieren.

Naja, in der Box sah es so aus, als würde Jorge Dovi an manchen Stellen aufhalten.

Aber wenn das wirklich der Fall gewesen wäre, wäre Dovi in ziemlich zorniger Stimmung an die Box gekommen. Das war aber nicht der Fall.

Wir müssen also unseren professionellen Piloten Kredit geben und darauf vertrauen, dass sie in solchen Situationen das Richtige tun.

Warum habt ihr Jorge den Befehl «Mapping 8» gezeigt? Warum habt ihr ihm nicht gesagt: «Lass’ dich zurückfallen!» Inzwischen weiß jeder, was mit dieser Message aufs Dashboard gemeint ist.

Wir können ja den Wortlaut für nächstes Jahr ändern. Dann werden wir schreiben: «Wink der Menge zu!» Okay?

Man kann auch sagen: Zarco und Pedrosa einzuholen und dann zu überholen, das sind zwei unterschiedliche Geschichten?

Ja. Aber natürlich musst du die zwei erst einholen, bevor du sie angreifen kannst.

Der Plan unserer beiden Fahrer hat recht gut funktioniert – bis sie beide gestürzt sind.

Man darf nicht vergessen: Auch nach dem ersten schlimmen Rutscher wäre Marc Márquez problemlos Fünfter oder Vierter geworden. Das hätte ihm locker zum Titelgewinn gereicht. Also sind alle Diskussionen über einen Platztausch leider sowieso überflüssig und sinnlos.

Wir hätten nur eine Chance auf den Titel gehabt, wenn Marc bei diesem Slide in Kurve 1 gestürzt und ausgeschieden wäre. Als er im Kiesbett war, bestand eine hohe Chance, dass er umkippt. Dann hätte er das Bike vielleicht nicht mehr in Gang gebracht.

Aber das ist nicht passiert. Also haben wir nicht viel zu bedauern.

Ducati hat trotzdem eine fantastische Saison geliefert.

Ja, und ehrlich gesagt: Márquez ist ein würdiger Weltmeister. Er hat diesen Titel verdient. Er ist eine erstklassige Saison gefahren.

Wir haben den Titelkampf gegen Honda und Márquez bis zum letzten Rennen offen gehalten. Das kann sich sehen lassen.

Ich will trotzdem nicht behaupten, dass wir restlos happy sind.

Wir bedauern den sechsten Platz in Brünn und den 13. Platz in Phillip Island. Wir bedauern den Sturz in Argentinien, an dem uns keine Schuld traf. Wenn wir in Australien ein paar Plätze weiter vorne gewesen wären und die elf Punkte gehabt hätten, die uns in Argentinien durch die Lappen gingen, wäre es eine andere Story gewesen. Dann hätten uns vor dem Finale vielleicht nur fünf oder sechs Punkte auf Marc gefehlt.

Dann hätten wir eine andere Strategie wählen können, und Márquez hätte beim Finale mehr Druck gehabt. Aber solche Diskussionen erübrigen sich.

Denn Márquez ist in Silverstone mit einem Motorschaden stehen geblieben. Ohne diesen Ausfall wäre er aufs Podest gefahren.

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