Formel 1: Max Verstappen – Chancen verspielt?

Marc VDS und Michael Bartholemy: Der große Krach

Von Günther Wiesinger
Knallefffekt beim renommierten belgischen Marc-VDS Racing Team: Teamprinzipal Michael Bartholemy droht die Entlassung. Teambesitzer van der Straten ist bitter enttäuscht.

Im Fahrerlager des Circuito de Jerez verbreitete sich am Wochenende die Neuigkeit, es sei zu einem tiefen Zerwürfnis zwischen Marc VDS-Teambesitzer Marc van der Straten (VDS) und Teamprinzipal Michael Bartholemy gekommen, wie ein Lauffeuer. Es werde demnächst eine Bombe platzen, war zu hören, der Teammanager stehe vor der Entlassung, kam uns am Samstagabend zu Ohren.

Bartholemy hat bei Marc VDS seit dem Motorrad-GP-Einstieg 2010 (in der Moto2) das Kommando geführt. Inzwischen ist der belgische Rennstall im vierten Jahr auch in der MotoGP-Klasse am Start.

Das Budget für beide Klassen ist von VDS bis zum Saisonende 2021 gesichert.

Wie kam es zum Zerwürfnis zwischen van der Straten und Bartholemy?

Es soll um finanzielle Ungereimtheiten und Unregelmäßigkeiten bei Geldflüssen gehen, es soll bei diversen Geschäftstätigkeiten und Verträgen nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Teambesitzer Marc van der Straten sei von einem Teammitglied belastendes Material in die Hände gespielt worden, es drohe ein Gerichtsverfahren, die Deliktsumme soll im siebenstelligen Bereich liegen, wurde in Jerez kolportiert.

Vertrauensbruch und bittere Enttäuschung

Der 70-jährige Bier-Milliardär Marc van der Straten soll nach dem mutmaßlichen Vertrauensbruch bitter enttäuscht sein, war von Teammitgliedern zu hören.

Van der Straten ist ein Nachkomme der Bierbrauer-Dynastie Stella Artois, die von seinem Urgroßvater gegründet wurde. Heute ist aus dieser Brauerei ein riesiger börsennotierter Konzern namens Anheuser-Busch InBev geworden, früher hiess er Interbrew. Die belgisch-brasilianische InBev-Gruppe ging im November 2008 durch die Übernahme der Anheuser-Busch Companies in der Anheuser-Busch InBev auf, zu der 200 Biermarken gehören. Ihre bekanntesten Marken heißen Budweiser, Corona, Jupiler, Stella Artois und Becks.

Michael Bartholemy beteuert, er habe sich nichts vorzuwerfen. «Ich kann nicht beeinflussen, was manche Leute über mich sagen. Ich kann nur versichern: Ich habe keinen einzigen Fehler gemacht», erklärte Michael Bartholemy am Samstag in Jerez im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Ich habe mich fast neun Jahre meines Lebens pausenlos für dieses Team eingesetzt, hart geschuftet und mir keine Pause gegönnt. Wir sind in der Moto2 in acht Jahren zweimal Weltmeister geworden und dreimal Vizeweltmeister. Wir haben uns als stärkstes Moto2-Team etabliert. In der MotoGP haben wir im zweiten Jahr als Kundenteam einen Sieg errungen – mit Jack Miller in Assen. Wir haben rund zehn Leute im Team, für die ich schon vor 13 Jahren im Kawasaki-MotoGP-Werksteam verantwortlich war. Ich weiß nicht genau, was da jetzt abläuft. Vielleicht habe ich mich zu sehr um das Team und die Ergebnisse gekümmert und zu wenig darauf geachtet, wer im Team an meinem Stuhl sägt.»

Fakt ist: Es gibt beim Marc VDS-Team inzwischen Schweizer E-Mail-Adressen, Michael Bartholemy verfügt seit einigen Wochen über eine Schweizer Mobil-Telefonnummer, der von ihm kontrollierte Rennbetrieb läuft neuerdings über die Schweizer Firma MM Performance & Racing AG, Obstmarkt 1, CH-9100 Herisau. Das ist die Hauptstadt des Schweizer Kantons Appenzell Ausserrhoden, der nur 55.000 Einwohner zählt.

Aber ist gibt etliche andere ausländische Rennställe, die in der Schweiz beheimatet sind, in Monte Carlo, San Marino oder Andorra. Ein steuersparender Firmensitz ist nicht unbedingt verwerflich.

Bisher liegen keine Beweise für Verfehlungen von Michael Bartholemy vor, es gilt die Unschuldsvermutung.

Michael Bartholemy: «Ich bin enttäuscht»

Bartholemy grübelt darüber nach, wer ihn bei Marc VDS wegen übler Machenschaften ans Messer liefern will.

Die langjährige italienische Marc VDS-Teamkoordinatorin Marina Rossi, die mit KTM-Moto2-Pilot Sam Lowes liiert ist, für September ihr erstes Kind erwartet und von Bartholemy gekündigt wurde, hat Marc van der Straten nach Jerez begleitet, sie gilt als seine Vertrauensperson.

Bartholemy: «Sie hat im ersten Moto2-Jahr 2010 ihr eigenes Team gehabt, San Marino Racing, das hat aber nicht lange Bestand gehabt. Vorher war sie bei Scot-Honda. Ein reicher Mann wie Marc ist für viele ein interessanter Mensch. Von meiner Seite kann ich nur sagen: Ich bin enttäuscht.»

«Wenn mir jemand an den Karren fahren will, soll er es machen», seufzte Bartholemy, sichtlich betroffen. «Ich bin immer jemand, der 100-prozentig zum Team und zu den Leuten steht. Wer meinst du, wer für unsere Erfolge verantwortlich ist? Wer hat in diesen Jahren alle Entscheidungen getroffen? Wir haben ja inzwischen auch einige andere Sponsoren, die das Budget absichern… Ich habe bei Marc VDS auch stark bei den Automobilsport-Projekten mitgewirkt. Es gibt keine einzige Sache, bei der ich heute sagen kann: ‚Sorry, ich habe Scheiße gebaut.’ Ich bin seit 21 Jahren im Motorsport tätig. Ich habe viel geopfert und für die Familie und die Kinder immer zu wenig Zeit gehabt.»

Daniel M. Epp, persönlicher Manager von Tom Lüthi und jahrelang selbst erfolgreicher Teambesitzer in den GP-Klassen 125 ccm, 250 ccm und Moto2 mit Firmen wie bluewin, Caffe Lattè, Interwetten und so weiter, berichtet von einer makellosen und ausgezeichneten Zusammenarbeit mit van der Straten und Bartholemy.

Dani Epp hat Teamsponsoren wie Interwetten, CarXpert und Exide zu Marc VDS mitgebracht, dazu persönliche Sponsoren wie Hertz und Polo für Tom Lüthi. «Es ist alles sauber abgelaufen, alle Summen lagen sauber auf dem Tisch, es waren bei jedem Mail 20 Personen in cc», berichtet der Schweizer Geschäftsmann. «Die Zusammenarbeit mit dem Team ist von Beginn an in voller Transparenz abgelaufen; die Zusammenarbeit mit allen beteiligten Personen funktioniert einwandfrei. Das gilt für Marc van der Straten, für Michael Bartholemy, Ian Wheeler, Fabrice und und allen anderen aus meiner Sicht gleichermaßen. Ich habe hier in Jerez von Missverständnissen zwischen Marc van der Straten und Bartholemy gehört und war erstaunt. Ich kann nur versichern: Wir sind bisher in allen Belangen mit dem Team zufrieden.»

Sind durch diese Unstimmigkeiten und Diskussionen auch die Verhandlungen mit dem Materialpartner für die MotoGP-Zukunft ins Stocken geraten? Es sollte ja ursprünglich Ende März klar sein, ob es mit Yamaha, Suzuki oder Honda weitergeht.

«Ich weiß nur, dass an diesem Wochenende in Japan die ‘golden days’ stattfinden, das sind irgendwelche Feiertage, an denen keine Entscheidungen getroffen werden», sagt Bartholemy.

Die Situation bei Marc VDS droht jetzt zu eskalieren. Die Teammitglieder und Fahrer (Tom Lüthi, Franco Morbidelli, Joan Mir, Alex Márquez) machen sich Sorgen über den Fortbestand des Rennstalls.

In Jerez fanden bei WM-Promoter Dorna und bei der Teamvereinigung IRTA Krisensitzungen statt. Ein Skandal soll möglichst vermieden und der leidenschaftliche Motorsportfreund Marc VDS der Szene als Teambesitzer, Sponsor und Entrepreneur unbedingt erhalten bleiben.

Dem Bier-Milliardär wurde zugesichert, dass die Startberechtigung für die beiden Teams nicht erlöschen wird, die beiden MotoGP-Plätze sind bis Ende 2021 gesichert.

Marc van der Straten hat Marina Rossi inzwischen zu seiner Vertrauten erkoren. Die Lebensgefährtin von Sam Lowes ist schwanger, könnte aber das Team interimistisch führen, wurde erzählt.

Marc van der Straten ist überzeugt, er könne Fakten und Beweise auf den Tisch legen. Er will den Sachverhalt in Gegenwart des in Ungnade gefallenen Michael Bartholemy in Belgien klären lassen. Am Montag in einer Woche, am 14. Mai, werden sich die Rechtsanwälte der beiden Streitparteien treffen. Wenn es dort keine Einigung erzielt wird, wird wohl ein Gerichtsverfahren in Gang gebracht.

Bartholemy droht die fristlose Kündigung und Entlassung. Irgendwann in absehbarer Zeit will das Team mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gehen. Bisher waren die Teamverantwortlichen damit beschäftigt, die Sponsoren zu beruhigen.

Es steht bereits ein neuer Teammanager zur Debatte: Gilles Bigot, momentan Crew-Chief von Tom Lüthi, der 1999 bei Repsol-Honda mit Alex Crivillé 500-ccm-Weltmeister wurde und bis 2017 Teilhaber beim Schweizer CGBM-Moto2-Team von Fred Corminboeuf (Fahrer 2018: Sam Lowes, Iker Lecuona) war.

Es wäre keine überraschende Wahl, denn der kauzige Milliardär van der Straten kann sich auf Englisch kaum verständlich machen. Bigot ist Franzose und spricht dieselbe Sprache wie der belgische Teambesitzer.

Diesen Artikel teilen auf...

Mehr über...

Siehe auch

Kommentare

MotoGP-Innovationen: Wir sollten den Wahnsinn feiern

Von Michael Scott
In der MotoGP dienen technische Innovationen dazu, die Bikes schneller zu machen. Der normale Motorradfahrer hat im Alltag wenig davon, oft werden Innovationen durch die Vorschriften sogar verhindert.
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • So. 24.11., 00:15, Hamburg 1
    car port
  • So. 24.11., 01:10, SPORT1+
    NASCAR Truck Series
  • So. 24.11., 03:10, Motorvision TV
    King of the Roads
  • So. 24.11., 03:45, ORF 1
    Formel 1: Großer Preis von Las Vegas
  • So. 24.11., 03:55, Motorvision TV
    King of the Roads
  • So. 24.11., 04:45, Motorvision TV
    King of the Roads
  • So. 24.11., 04:45, Hamburg 1
    car port
  • So. 24.11., 05:15, Hamburg 1
    car port
  • So. 24.11., 06:00, RTL
    Formel 1: Großer Preis von Las Vegas
  • So. 24.11., 06:00, Motorvision TV
    King of the Roads
» zum TV-Programm
6.762 20111003 C2311212015 | 5