Fix: MotoGP-Finale nicht in Valencia

KTM: Gelingt der Durchbruch auch in der MotoGP-WM?

Kolumne von Günther Wiesinger
Die MotoGP-Box von Red Bull-KTM: Hohe Erwartungen im dritten Jahr

Die MotoGP-Box von Red Bull-KTM: Hohe Erwartungen im dritten Jahr

2017 gelangen KTM in der MotoGP-WM zehn Top-Ten-Plätze, 2018 nur fünf, aber dafür ein Podest mit Rang 3 in Valencia. Jetzt fragen die Fans: Kann KTM auch in der «premier class» gewinnen? Und wenn ja – wann?

Der österreichische Motorradhersteller KTM ist nicht nur sportlich erfolgreich. 2019 wurde zum 18. Mal hintereinander die Dakar-Rallye gewonnen, noch dazu durch einen Hattrick mit Price, Walkner und Sunderland. Und auf den Plätzen 4 und 5 landeten Quintanilla und Short mit der Zweitmarke Husqvarna. Dazu kommen erstaunliche Erfolge in der Motocross-Szene, in der Supercross-WM, in der Moto3-, Moto2- und MotoGP-WM.

Stefan Pierer, Vorstandsvorsitzender der KTM Group, freut sich aber auch im Kerngeschäft über erfreuliche Erfolge. Zur Erinnerung: Stefan Pierer hat KTM nach der Insolvenz 1992 übernommen. Im ersten Jahr wurden mit 150 Beschäftigten rund 6000 Motorräder erzeugt und verkauft. Der Kaufpreis für KTM Motorrad lag damals bei rund 3,3 Millionen Euro.

Heute beschäftigt KTM Industries weltweit mehr als 5000 Mitarbeitende, es werden mehr als 261.400 Zweiräder verkauft.

«2020 wollen wir 400.000 Motorräder bauen», kündigte Stefan Pierer schon vor zwei Jahren im Interview mit SPEEDWEEK.com an.

Vor wenigen Tagen bestätigte die KTM Industries AG die Ergebnisprognose für 2018 und meldete das achte Rekordergebnis in Folge. Absatz: 261.454 Motorräder; Umsatz: 1560 Mio €. Im Geschäftsjahr 2018 schaffte KTM einen Rekordumsatz von EUR 1559,5 Mio. (+ 2%). Das entspricht einer Steigerung von EUR 26,5 Mio.

Der Gewinn lag 2013 noch bei 50 Millionen, 2017 betrug er rund 115 Millionen Euro. Das vorläufige Ergebnis vor Steuern erhöhte sich 2018 von EUR 117,1 Mio. auf EUR 143,3 Mio.

Mit 212.899 verkauften KTM und mittlerweile bereits 48.555 verkauften Husqvarna-Motorrädern im Geschäftsjahr 2018 hat die KTM AG ihre Stellung als größter europäischer Motorradhersteller weiter ausgebaut. Diese Erfolge sind auch auf die Neueinführungen der KTM-Mittelklasse (KTM Duke 790) und der ersten Husqvarna-Straßenmotorräder (401 Svartpilen/Vitpilen und 701 Vitpilen) zurückzuführen.

Der Steirer Stefan Pierer hat sich vor fünf Jahren vorgenommen, bis 2020 auf dem Gebiet der Sportmotorräder die weltweite Nummer 3 hinter Honda und Yamaha zu werden. Die Visionen von Pierer hörten sich manchmal utopisch an. So hat er bald nach der Übernahme von Husqvarna 2014 angekündigt, er wolle mit dieser Marke bis 2020 die Nummer 3 in Europa werden.

Mit aktuell 48.555 verkauften Exemplaren liegt Husqvarna nicht mehr weit hinter Ducati, der aktuellen Nr. 3 in Europa. Ducati verkauft ca. 55.000 Motorräder im Jahr. KTM ist in Europa längst die klare Nr. 1 vor BMW.

KTM in der MotoGP: Kein Interesse an Márquez

Jetzt stellt sich die Frage, wann es KTM in der MotoGP-WM ernsthaft mit den Giganten Honda, Yamaha, Suzuki und Ducati aufnehmen kann. Die Big-Bikes-Rennerfahrung bei KTM lässt zu wünschen übrig. Aber die ersten zwei MotoGP-Jahre sind über weite Strecken verheißungsvoll verlaufen. Denn auch 2018 schafften Kallio, Smith und Pol Espargaró mit der KTM RC16 insgesamt fünf Top-Ten-Ergebnisse, dazu Pol den ersten Podestplatz in Valencia, Aprilia wurde in der Marken-WM abermals besiegt.

Stefan Pierer will 2019 in der dritten Saison öfter um Podestplätze fighten, mit Johann Zarco hat er seinen Wunschfahrer engagiert. An Stars wie Lorenzo (mit 25 Mio für 2 Jahre zu teuer) oder Marc Márquez hatte er kein Interesse. «Wenn Márquez gewinnt, ist es der Fahrer, wenn er verliert, ist es mein Motorrad», sagte Pierer beim Valencia-GP 2017 im Interview mit SPEEDWEEK.com.

Pol Espargaró und KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer gaben als Zielsetzung für die Saison 2019 den Fight um Top-6-Plätze aus.

Wenn man berücksichtigt, dass selbst Rossi und das Yamaha-Werksteam 2018 oft nur zwischen den Plätzen 5 und 7 zu finden waren, darf man diese Absicht als überaus ambitioniert bezeichnen.

Anderseits: In Valencia schaffte Pol Espargaró bei teilweise trockener Piste am Samstag in den drei Trainings die Plätze 7, 3 und 6. Im Quali verlor er nur 0,265 sec auf die Bestzeit.

Wenn der gepflegte und unerschütterliche Optimismus und die Zielstrebigkeit nicht die Markenzeichen von Stefan Pierer wären, hätte er den Motorradverkauf bei KTM nicht von 1992 bis 2018 von 6000 auf unglaubliche 261.500 Einheiten steigern können. Husqvarna hat er BMW am 31. Januar 2013 zum Nulltarif abgeluchst – und zu einer Erfolgsstory gemacht. BMW-Chef Herbert Diess hatte die schwedische Offroad-Marke zuvor für fast 50 Millionen Euro von Cagiva-Eigentümer Castiglioni erworben – und brachliegen lassen.

Die Zutaten sind vorhanden

Jetzt fragen sich Fans und Gegner: Darf man KTM in der MotoGP-WM den Durchbruch an die Spitze zutrauen?

Ich würde nichts dagegen wetten.

Denn die nötigen Zutaten sind vorhanden. KTM erwirtschaftet genug Geld für den Rennsport auf höchster Ebene, mit Red Bull steht den Mattighofenern ein langfristig planender Sponsor zur Seite, der Siegeswille, die Technologie, die Manpower – alles ist vorhanden. Für die MotoGP-WM allein wird mit einem Budget von 30 Millionen Euro pro Saison geplant.

Auch an Geduld mangelt es nicht. Stefan Pierer ist bekannt für seinen langen Atem. «Natürlich sind wir nicht wegen des Olympischen Gedankens in die MotoGP-WM gekommen. Wir wollen irgendwann gewinnen», sagt der KTM-Vorstandsvorsitzende. «Wir haben einen Fünf-Jahres-Vertrag mit der Dorna bis Ende 2021. Aber wenn es zehn Jahre dauert, werden wir uns bis dahin anstrengen. Wir haben auch bei der Rallye-Dakar zehn Jahre auf den ersten Sieg warten müssen. In der Supercross-Meisterschaft in den USA haben wir sieben Jahre bis zum ersten Titelgewinn gebraucht.»

KTM: Viel Respekt in der GP-Szene

297 Motorrad-Weltmeistertitel hat KTM inzwischen in allen möglichen Disziplinen gewonnen, Aprilia 54.

Als ehemaliger Offroad-Spezialist stieg KTM erst 2003 in die Grand Prix Road Racing World Championship ein, inzwischen stehen insgesamt 89 GP-Siege zu Buche. Die Fahrer-WM in der Moto3-WM hat KTM 2012, 2013 und 2016 gewonnen.

KTM hat sich in der MotoGP-WM in zwei Jahren viel Respekt erworben, nicht nur wegen der Ergebnisse. Mit Tech3 wurde Yamaha ein vorbildliches Kundenteam abspenstig gemacht. Die Verpflichtung von Zarco gilt als echter Coup. Die KTM RC16 verfügt über einen schlagkräftigen, extrem standfesten Motor, das Motorkonzept mit dem V4 gilt als vorbildlich, Big Bang und gegenläufige Kurbelwelle sind längst auch bei KTM Standard, genauso wie ein Seamless-Getriebe. 2018 gab es bei Espargaró zweimal Elektronik-Probleme, sie sollten jetzt beseitigt sein.

Beim MotoGP-Projekt von KTM sind viele alte Hasen von Honda, Aprilia, Ducati und anderen Kontrahenten eingebunden.

Teammanager Mike Leitner hat mit viel Akribie eine aussichtsreiche Mannschaft zusammengestellt, der Input der Tech3-Mannschaft wird die Schlagkraft weiter erhöhen.

Mit Johann Zarco (bisher sechs Podestplätze in der MotoGP, dazu zweimal WM-Sechster auf der M1-Yamaha) und dem 31-fachen MotoGP-Sieger Dani Pedrosa (er kam für zwei Jahre als Testfahrer) wird KTM wertvolle Informationen für die Verbesserung der MotoGP-Maschine erhalten, auch wenn Pedrosa vorläufig verletzt ist.

Auf Strecken mit vielen Richtungswechseln wie in Austin, Catalunya und Mugello hatten die KTM-Fahrer bisher Mühe, zuletzt auch bei den Tests in Jerez im November.

«Wir verkürzen zwar die Abstände zur Spitze, aber die Konkurrenz wird ja auch laufend schneller», ist sich Pit Beirer bewusst.

Da Red Bull und KTM den Talenten vom Rookies-Cup über die Moto3 bis zur Moto2 und MotoGP eine ideale Aufstiegsmöglichkeit bieten, wird der Nachschub an Talenten nicht versiegen. Mit Oliveira, Binder, Moto3-Weltmeister Jorge Martin und Bezzechi ist er schon jetzt beachtlich. Selbst der zweifache Moto2-Weltmeister Johann Zarco hat 2007 seine ersten Sporen im Red Bull-Rookies-KTM-Cup verdient.

Wegen der Wirtschaftskrise und dem Ende der Zweitakt-Ära zog sich KTM 2009 aus den GP-Klassen 125 und 250 ccm zurück. 2012 erfolgte die Rückkehr in die neue 250-ccm-Moto3-WM-Klasse als Semi-Werksteam und Partner von Teambesitzer Aki Ajo.

«2012 war unser Auftritt mit drei Technikern im Ajo-Team noch bescheiden», erinnert sich Pit Beirer. «Jetzt haben wir bis zu 100 Mitarbeiter bei den Grand Prix. Langsames Wachstum kann uns also niemand vorwerfen.»

«Ich bin nach 20 Jahren von Yamaha zu KTM gewechselt, weil ich weiß: Menschen wir Stefan Pierer, Hubert Trunkenpolz, Pit Beirer und Mike Leitner werden nicht ruhig schlafen, bevor sie in der MotoGP-Klasse ihr Ziele nicht erreicht haben», ist Tech3-Teambesitzer Hervé Poncharal überzeugt.

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