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Ducati-Flügel: Was sagt Alfa Romeo-F1-Aerodynamiker?

Von Günther Wiesinger
Das umstrittene Bauteil an der Ducati GP19 von Petrucci

Das umstrittene Bauteil an der Ducati GP19 von Petrucci

Der englische Formel-1-Aerodynamiker Ali Rowland-Rouse hat keinen Zweifel: Der Ducati-Flügel erzeugt Downforce. Kalex-Designer Alex Baumgärtel sagt: «Jedes Bauteil an einem Motorrad hat einen aerodynamischen Einfluss.»

Der umstrittene Hinterradflügel von Ducati Corse, der im Rennen von Losail am Sonntag an den GP19 von Dovizioso, Petrucci und Miller zu sehen war, erregt weiter die Gemüter. Gigi Dall’Igna, General Manager von Ducati Corse, bezeichnet die Vertreter von Honda, Suzuki, KTM und Yamaha, die gegen Ducati protestiert haben, als «technische Laien.» Er droht jetzt seinerseits einen Protest gegen die seitlichen Flügel von Honda beim Argentinien-GP an, weil diese zu scharfkantig und dünn seien, also gefährlich im Fall eines Sturzes oder bei der Berührung eines Gegners.

Zuerst einmal müssen aber die Richter des «FIM MotoGP Appeal Panels» entscheiden, ob der Flügel vor dem Hinterrad legal ist.

Kühlt er nur den Hinterreifen oder erzeugt er Abtrieb, was die Ducati-Gegner allesamt vermuten. Dann wäre er ein unerlaubtes aerodynamisches Hilfsmittel und somit verboten. Übrigens: Es gibt keine andere Sanktion als eine Disqualifikation, falls die FIM-Richter nicht die Absicht von Technical Director Danny Aldridge teilen, der den Flügel als Regenabweiser oder Hinterreifenkühlsystem zugelassen hat.

Dass sich jetzt die Techniker von fünf Werken streiten, lässt vermuten, dass wieder einmal die GP-Funktionäre einen Reglementpassus nicht kugelsicher formuliert haben, wie so oft in der Vergangenheit, so dass unterschiedliche Interpretationen zugelassen sind.

Die Meinungsverschiedenheiten über den Flügel haben auch die Formel-1-Experten erreicht. Ist der erwähnte Spoiler ein «aerodynamic device», also illegal?

«Das Gesetzbuch geht nicht spezifisch auf die Attachments an der Schwinge ein», hält MotoGP Technical Director Danny Aldridge fest. «Aber wir haben Richtlinien für den Aero Body, an die sich alle Hersteller halten müssen. Dazu gab es kürzlich ein Update, darin wurde festgehalten, dass die Attachments an der Schwinge nur der Kühlung, der Wasserabweisung oder dem Schutz vor Dreck dienen dürfen. Ducati hat erklärt, dass ihr ‚device‘ der Kühlung des Hinterreifens dient. Die anderen Werke meinen, er diene zur Erzeugung von aerodynamischen Kräften. Das würde den Richtlinien widersprechen. Dadurch kam es zum Protest.»

In der Formel 1 ist der Aerodynamiker Ali Rowland-Rouse für das Alfa Romeo-Sauber-Team mit den Piloten Kimi Raikkönen und Antonio Giovinazzi beschäftigt. Er fährt selbst Motorradrennen mit einer Kawasaki ZX-6. Und er hat keinen Zweifel daran, wozu der Ducati-Flügel dient.

«Bei Ducati ist ein ‚device‘ zu sehen, das aus drei Elementen besteht», hält Rowland-Rouse fest. «Es ist ein Flügel mit kurzer Spannweite, der einen anständigen Gewinn an Downforce vermittelt, wenn sich das Bike im aufrechten Zustand bewegt. So wird der Wheelspin reduziert, indem mehr Druck auf den Hinterreifen kommt, das wirkt sich bereits bei 120 bis 160 km/h aus. Da sich der aerodynamische Abtrieb mit dem Quadrat der Geschwindigkeit erhöht, bekommst du bei doppelter Geschwindigkeit die vierfache Downforce. Dazu kommt aber: Je höher die Belastung des Hinterreifens, desto höher wird seine Betriebstemperatur, also nimmt auch der Reifenverschleiß zu.»

Der Brite sagt, an den MotoGP-Maschinen seien bisher die Flügel immer an den Verkleidungen montiert worden. So gehören sie zu den gefederten Massen an den Maschinen, die Downforce sei also der Dämpfung ausgesetzt, man müsse deshalb mit härteren Federn reagieren. «Aber dieser Flügel wird auf einen ungefederten Teil der Maschine montiert, also wirkt der erzeugte Abtrieb ungedämpft in den Hinterreifen», betont Aerodynamiker Ali Rowland-Rouse.

«Diese Beobachtung stimmt, obwohl der umstrittenen Flügel unterhalb der Schwinge angebracht ist, die zum Teil gefedert ist», erklärte Kalex-Chefdesigner Alex Baumgärtel im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Das Rad selbst ist zum Beispiel ungefedert. Je näher du aber zur gefederten Masse kommst, umso geringer wird der Anteil der ungefederten Masse.»

Rowland-Rouse erläutert weiter: «Das ist der Heilige Gral der Downforce, weil du einen größeren Einfluss auf den Grip bekommst. Weil der Effekt nicht durch die Suspension beeinträchtigt wird; du musst also durch das Suspension-Set-up nichts kompensieren. Beim Bremsen wird man mit diesem Flügel die Downforce nicht erhöhen können, weil beim Bremsen der Bug der Verkleidung die meiste Luft verdrängt oder weghält, die sonst auf den Flügel wirkt.»

Aber wie wollen Honda, Suzuki, KTM und Aprilia jetzt beweisen, dass dieses umstrittene Bauteil in erster Linie der Erzeugung von Downforce dient und nicht zur Reifenkühlung?

Alex Baumgärtel: «An einem Rennmotorrad hat die Gestaltung jedes einzelnen Bauteils einen aerodynamischen Einfluss. Ein neutrales Bauteil, das weder Auftrieb noch Abtrieb erzeugt, existiert in der Motorrad-Dynamik nicht. Das gilt für alles, auch wenn du einen Wasserabweiser machst, der ein Loch hat, um den Reifen zu kühlen. Er hat trotzdem einen aerodynamischen Einfluss, ob man will oder nicht. Das gilt auch für jeden Kotflügel… Wenn dieser Hinterradflügel laut MotoGP-Reglement, das ich nicht genau kenne, keine aerodynamische Wirkung entfalten darf, darfst du gar nichts hinbauen.»

Ducati lote das Reglement bis zum Äußersten aus, bemerkte Rowland-Rouse. «Sie operieren wie ein Formel-1-Team und schauen sich absolut alle Aspekte ab. Die andere Werke müssen das erkennen und bei diesem Spiel mitspielen»», erzählte er Mat Oxley vom britischen Online-Portal motorsportmagazine.com.

In der Formel 1 werden erhebliche neue Innovationen, die zu Kontroversen führen, im ersten Jahr erlaubt. Am Saisonende findet ein Tribunal statt, bei dem besprochen wird, wie die Vorschriften in Zukunft interpretiert werden sollen. «Es wird also das Team belohnt, das etwas Neues erfunden hat. Es hat seine Arbeit und sein Geld nicht vergeudet», hält der Alfa-Romeo-Aerodynamiker fest. «Vielleicht sollte die MotoGP auch diesen Weg beschreiten.»

Das war in der Formel 1 zum Beispiel 2009 beim Doppel-Diffusor der Fall. Damals wurde Jenson Button bei BrawnGP mit diesem System Weltmeister, nicht zuletzt, weil nur BrawnGP, Toyota und Williams diesen Techniktrick vom ersten Rennen an nutzen konnten.

«Generell kommt die MotoGP-Klasse aus dieser misslichen Lage nur mehr schwer raus», meint Kalex-CEO Alex Baumgärtel. «Wenn du mal angefangen hast, brennt das Feuer.»

«Die ich rief die Geister, werd' ich nun nicht los», heißt es in Goethes Zauberlehrling.

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