Jan Witteveen über KTM: «Alles braucht seine Zeit»
Jan Witteveen (72) war von 1989 bis Ende 2004 bei Aprilia als Rennsport-Verantwortlicher und Technical Director für 23 der total 54 WM-Titel zuständig. Aprilia nahm zeitweise an der 125er-WM, 250er-WM, 500er und Superbike-WM teil. Dazu fand ein Engagement im Supermoto-Szene und sogar in der Trial-WM statt. Heute ist Aprilia nur noch ein Schatten seiner selbst, der letzte WM-Titel wurde 2014 gewonnen, durch Sylvain Guintoli in der Superbike-WM, das Motorrad wurde damals noch von Gigi Dall’Igna entwickelt.
Witteveen trennte sich 2005 von Aprilia, als die Piaggio Group die Firma von Gründer Ivano Beggio übernahm. Witteveen lebt seit vielen Jahren in Österreich und war 2007 auch bei KTM als Technical Director und Rennchef für die 125er- und 250er-WM vorgesehen. Aber die Pläne zerschlugen sich. «Heute bin ich froh darüber, denn das wäre ein Job für sieben Tage pro Woche und 24 Stunden am Tag gewesen», sagt der 72-Jährige.
«Bei Aprilia gibt es heute noch viele kompetente, erfahrene und fähige Mitarbeiter», ist Witteveen überzeugt. «Aber der Geist ist nicht mehr derselbe wie früher. Deshalb funktioniert das GP-Engagement nicht so, wie das gewünscht wird. Bei KTM ist das gesamte Top-Management sehr rennsportorientiert, sie haben die richtige DNA und die ‚Ready to Race‘-Philosophie. KTM ist seit vielen Jahren im Offroad-Sektor sehr erfolgreich, inzwischen auch im Road Racing. In der MotoGP-Klasse ist KTM relativ neu, sie sind das dritte Jahr dabei. Das Management muss in diesem Bereich dazulernen, denn man kämpft jetzt gegen Giganten wie Honda und andere Werke, die schon 20 oder 25 Jahre Erfahrung haben und wissen, was zu tun ist. Da geht es zum Beispiel auch um die parallele Entwicklung der Techniker daheim im Werk, abseits der Rennstrecke. Als ich 1989 zu Aprilia gekommen bin, haben wir auch einige Jahre gebraucht, bis wir Weltmeister geworden sind. 1992 haben wir den ersten 125-ccm-WM-Titel gewonnen, 1994 den ersten 250-ccm-WM-Titel. Alles braucht seine Zeit.»
«Die Zeitunterschiede in der MotoGP sind gering, KTM ist manchmal nur 0,5 sec oder noch weniger hinten», sagt Witteveen. «Die MotoGP ist komplex, weil viele Faktoren eine Rolle spielen. Wichtig ist, dass KTM ein System findet und das Richtige macht. Die Performance in Mugello bestätigte einen klaren Aufwärtstrend. Wenn du in Mugello stark bist, bist du in Catalunya gut, in Brünn und auf Phillip Island, weil diese Pisten ähnliche Charakteristiken aufweisen. Und diese Pisten komme alle erst. KTM hat für diese Grand Prix jetzt eine gute Basiseinstellung.»
Bei der Dorna und IRTA wundert man sich, weil Robert Colaninno seit Jahren nicht mehr bei einem Grand Prix auf Besuch war.
Witteveen: «Bei Aprilia fehlt irgendwie die richtige Einstellung und der Bezug zum GP-Sport… Colannino interessiert die MotoGP nicht besonders. Ihm reicht es, wenn er etwas Anerkennung bekommt, politisch in Italien, er macht das aus irgendeinem Grund, aber er muss es nicht machen. Die geschäftliche Aktivität von Aprilia würde normalerweise nicht genügen, um die Finanzierung des MotoGP-WM-Teams zu rechtfertigen. Der finanzielle Aufwand in der MotoGP steht in keinem Verhältnis zu den Verkaufszahlen von Aprilia.»