GP-Welt trauert um englische TV-Legende Chris Carter
Chris Carter beim Interview mit Giacomo Agostini
Die GP-Welt trauert um den populären britischen GP-Berichterstatter, TV-Kommentator, Streckensprecher und Buchautor Chris Carter, der im Alter von 74 Jahren verstorben ist. Noch in diesem Jahr hat er ein Buch über die Norton-Legende John Cooper veröffentlicht, 2005 hatte er ein Buch über sein eigenes Leben geschrieben. Er gab ihm in Anspielung auf seine stattliche Leibesfülle den sinnigen Titel: «Chris Carter At Large».
Carter kämpfte schon seit Jahren mit gesundheitlichen Problemen und blieb deshalb auch dem Silverstone-GP fern, den er mit 70 Jahren noch besuchte. ich lernte Chris in den 1970er-Jahren als Reporter von «Motor Cycle Weekly» kennen und schätzen, später gründete er das Fachmagazin «Bikesport News», das heute noch als Website existiert.
Chris Carter wurde in den letzten Jahren von IRTA-CEO Mike Trimby finanziell stark unterstützt, und das hatte vorrangig zwei Gründe. «Chris ist mit zwei Ideen und Projekten zu mir gekommen, die mein Leben verändert haben», erklärte der Chef der Grand Prix-Teamvereinigung IRTA. «1982 schlug er den GP-Piloten vor, dass ich ihre Interessen bei den Themen Sicherheit, Geld und anderen Problemen vertreten solle. Diese Probleme sollten endlich gelöst werden, meinte er. Diese Bestellung führte unmittelbar zur Gründung der IRTA 1986 und hat den Level von MotoGP auf das heutige Niveau befördert», erklärte Trimby in einem Nachruf auf Chris Carter. «Chris hat auch die Idee der ‘Alexandra Palace Road Racing Show' an mich herangetragen, die ich dann jahrelang organisiert habe. Aus ihr entstand die größte und beste Motorradaustellung von London.»
Der legendäre Ex-Rennfahrer John Cooper hat Chris Carter noch einen Tag vor dessen Tod besucht. «Chris und ich sind als Jungs in Derby aufgewachsen. Ich erinnere mich, dass ich ihn um Hilfe bei einem Job geholfen habe, als ich Fleisch für einen lokalen Metzger ausgeliefert habe. Wir hatten beide bereits Interesse an Motorrädern durch Plätze wie Osmaston Manor. Er hat später im Medienbusiness viele unterschiedliche Tätigkeiten übernommen.»
Über Mike Trimby, der einst jahrelang als Reiseveranstalter Tausende Zuschauer von England zum «Daytona 200» brachte, kam Chris Carter in Daytona zu einer täglichen Radiosendung, außerdem fungierte er dort jahrelang als Pressechef.
Chris Carter verfügte über ein enzyklopädisches Wissen über den Motorradrennsport und eine einzigartige Stimme, er war humorvoll und wegen seiner beispielhaften Schlagfertigkeit allseits beliebt.
«Die Nachricht von Chris‘ Tod erfüllt mich mit tiefer Traurigkeit. Ich habe Chris vor mehr als 60 Jahren kennengelernt. Er hat mich immer unterstützt, er hat mir viele unbezahlbare Ratschläge und Hilfe gegeben», trauert Ex-Rennfahrer Eddie Roberts, dessen Tochter mit dem aktuellen Moto2-Fahrer Jake Dixon liiert ist.
Schon Carters Eltern arbeiteten in unterschiedlichen Funktionen bei Motorradrennen in England. Und er merkte bald, die letzte Position, mit der sich ein Rennveranstalter beschäftigt, ist die Aufgabe des Streckensprechers. «Man bietet diesen Job allen Clubmitgliedern an, aber 90 Prozent lassen sich sofort mit allen erdenklichen Ausreden entschuldigen», sagte Chris Carter einmal. «Als sie zu mir kamen, entgegnete ich nur: ‚Wo ist das Mikrofon?‘ Ich war damals 12 Jahre alt – und seit damals habe ich Motorradrennen kommentiert.»
Carter kümmerte sich aber nicht nur um Road Racing; er war auch im Speedway, im Motocross und Flat Track zuhause.
Chris sagte gerne, seine beruflichen Entscheidungen seien meist von Bequemlichkeit und Faulheit beeinflusst worden. Aber er kannte alle statistischen Details der Rennfahrer, er wusste über ihre Hobbys Bescheid und verfügte über ein einmaliges, detailreiches Hintergrundwissen, als es noch kein Wikipedia, kein Google und keine Media Debriefs gab. Das unerschöpfliche Wissen von Chris war das Ergebnis unermüdlicher Arbeit.
«Die meisten Kommentatoren sind höflich und politisch korrekt. Ich war anders. Ich trug mein Herz immer auf der Zunge. Wenn ein Rennen langweilig war, sagte ich: ‚Oh Gott, ist das langweilig.‘ Ich wollte beim Kommentieren immer Spaß haben. Sobald mir vor dem Mikrofon ein humorvoller Einfall kam, war ich aufgeregt.»
Carter sprühte vor Witz und nahm sich kein Blatt vor den Mund. Als er vor ein paar Jahren mein Bild auf Facebook entdeckte, schrieb er kurz und bündig darunter: «Still ugly.» (Immer noch hässlich.)
«Es kann dir keine Freude machen, so ein Schwein von einem Motorrad fahren zu müssen», lautete einmal seine Frage an einen Rennfahrer.
Über den kleinwüchsigen Rennfahrer und späteren Teambesitzer Chuck Graves sagte er: «The small, but perfectly formed Chuck Graves.»
Chris Carter hat sein ganzes Leben dem Motorradsport gewidmet. Er wird uns als einzigartige Persönlichkeit in Erinnerung bleiben.
Chris, verzeih’ uns all die üblen Späße, die wir im Zusammenhang mit deiner Unsportlichkeit mit dir getrieben haben – auch Mick Grant und Steve Parrish gehörten oft zu den Übeltätern.
Ruhe in Frieden, Chris.