Von Roberts bis Schwantz: Siegeszug der Amerikaner
Der Rücktritt von Rekordweltmeister Giacomo Agostini nach der Saison 1977 bedeutete eine Wachablöse im GP-Sport: Zunächst war es Barry Sheene, der Suzuki 1977 und 1978 zwei WM-Titel bescherte. Der Rebell und Playboy ist immer noch der letzte Brite, der einen Titel in der «premier class» holte. Aber eine Welle von neuen Fahrern, die über den großen Teich schwappte, sollte Sheene an der Spitze der Motorrad-WM verdrängen.
Tatsächlich trug Sheene seinen Teil dazu bei. Ein in der amerikanischen Flat-Track-Szene bekanntes Siegergesicht, Kenny Roberts, hatte schon eine ganze Weile mit dem Gedanken gespielt, nach Europa zu gehen – vor allem nachdem ein langjähriger Mitarbeiter seines Arbeitgebers Yamaha zugegeben hatte, dass sie mit Harley Davidson auf den Dirt-Tracks einfach nicht mithalten konnten. Die Entscheidung traf dann aber indirekt Sheene, als der Brite stur und dickköpfig verkündete, dass der Amerikaner «keine Gefahr» für ihn darstellen würde.
In einer Ära, in der die GP-Bikes von schierer Power bestimmt wurden – einer Power, die vom Chassis und den Reifen oft nicht gezähmt werden konnte – stellte der Flat-Track-Stil von Roberts eine Revolution im Straßenrennsport dar. Vorbei war die Zeit des späten Anbremsens, der perfekten Linie und des Stop-and-Go-Stils seiner Rivalen. Roberts bremste stattdessen früh und slidete wild um die Kurve. Brutal und aggressiv anzuschauen – und meilenweit weg von dem, was die Europäer pflegten – ermöglichte dieser Fahrstil Roberts, im Kurvenausgang früher ans Gas zu gehen, was ihn einfach unschlagbar machte.
Der Kalifornier holte auf Yamaha von 1978 bis 1980 drei Titel in Folge und ebnete den Weg für eine neue Generation von Fahrern, die auf den amerikanisch Dirt-Track-Ovalen groß geworden waren. 1981 und 1982 kämpfte Roberts allerdings mit Verletzungen sowie einem weniger konkurrenzfähigen Motorrad und musste sich den Italienern Marco Lucchinelli und Franco Uncini geschlagen geben. 1983 ließen die Amerikaner dann aber ihre Muskeln spielen – und eine der größten Rivalitäten in der GP-Geschichte nahm ihren Lauf.
Honda kehrte – nach einem Fehlstart mit einem desaströsen Viertakter – mit einem Paukenschlag und einem weiteren jungen Amerikaner, Freddie Spencer, zurück. Roberts bekam bei Yamaha, wo inzwischen Agostini als Teammanager agierte, mit Eddie Lawson einen Landsmann zur Seite gestellt – und kämpfte auf der Strecke gegen Spencer um jeden Meter.
In den 16 Saisonen zwischen 1978 und 1993 gingen 13 WM-Titel in der «premier class» nach Amerika: Nach Roberts, Spencer und Lawson waren es die Erzrivalen Wayne Rainey und Kevin Schwantz, die für ihr Land den beeindruckendsten Siegeszug in der 70-jährigen Geschichte Motorrad-WM fortsetzten.
In die 1980er-Jahre fiel außerdem der Abschied der Klassen 50/80 und 350 ccm, wobei sich ein fünffache Motorrad-Weltmeister aus Deutschland, Toni Mang, 1982 zum letzten 350er-Champion kürte. In der «Schnapsglas-Klasse» war es Stefan Dörflinger, der von 1982 bis 1985 vier Titel in Folge holte. Seit dem Vorjahr darf sich der Schweizer auch ganz offiziell als MotoGP-Legende bezeichnen.
Die Meilensteine von 1978 bis 1990
1979: Kenny Roberts gewinnt als erster Amerikaner einen WM-Titel in der «premier class»
1982: Das letzte Jahr der Klasse 350 ccm
1984: Die Klasse 50 ccm wird von der 80 ccm ersetzt, die ihrerseits 1989 verschwindet
1987: Wayne Gardner gewinnt als erster Australier einen WM-Titel in der «premier class»
1987: Der Schiebestart wird abgeschafft
1988: Wayne Rainey gewinnt das erste Rennen mit Karbon-Bremse
1990: In der 500er-Startaufstellung wird die Anzahl der Bikes pro Reihe von fünf auf vier reduziert