Yamaha und Co.: Was ist eine Sepang-Bestzeit wert?
Fabio Quartararo beendete den Sepang-Test auf Platz 1
Yamaha und Fabio Quartararo, der an allen drei Tagen des ersten Pre-Season-Tests Bestzeit fuhr, entschieden den Sepang-Test, den 19 Fahrer in gerade einmal sieben Zehntel beendeten, für sich.
Die Arbeit, die an drei heißen Tagen in Malaysia – an denen die Fahrer insgesamt mehr als 20.400 km abspulten, geleistet wurde, wird unter anderem darüber entscheiden, wer in der MotoGP-WM 2020 gewinnt und verliert – aber den Rundenzeiten sollten wir nicht allzu große Beachtung schenken.
Als die Fahrer nach dem Sepang-Test nach den stärksten Gegnern gefragt wurden, nannten die meisten den drittschnellsten Alex Rins (Suzuki) und Marverick Viñales (Yamaha), der in der Zeitenliste nur auf Rang 16 rangierte. Testzeiten können irreführend sein.
«Am Sonntagmorgen zog jeder Softreifen für die Zeitattacke auf», erzählte Viñales. «Ich habe meinem Team gesagt, ich will eine Zeitattacke versuchen! Aber sie haben mich beruhigt und gesagt, du bist hier, um zu arbeiten. Wir haben also stattdessen eine großartige Rennsimulation absolviert.»
Die Rundenzeiten in Test-Sessions haben wenig Aussagekraft, weil sie davon abhängen, wer weiche Reifen einsetzt, wer das Qualifying-Mapping wählt und wer dazu bereit war, alles zu riskieren, um seinen Namen an der Spitze der Zeitenliste zu sehen.
Es gibt noch einen Grund, warum man die Sepang-Zeiten nicht beachten sollte: Keiner weiß warum, aber es scheint fast schon ein Tabu zu geben, für den Fahrer, der dort die schnellste Rundenzeit fährt. Es ist ein Fakt: Wer auch immer Sepang «gewinnt», verliert die Weltmeisterschaft.
2019 war Danilo Petrucci der Schnellste in Sepang, im Jahr davor war es Jorge Lorenzo, 2017 Viñales. 2016 war es einmal mehr Lorenzo und 2015 Marc Márquez – im einzigen Jahr, in dem er in seiner MotoGP-Karriere den Titel verpasst hat.
Auch mit den Ergebnissen des Katar-Tests, der am kommenden Samstag beginnt, oder des Saisonauftakts in Doha am 8. März sollte man vorsichtig umgehen. Wer in den vergangenen fünf Jahren in Katar gewann, verlor anschließend immer den Titelkampf: Dieses Schicksal traf Andrea Dovizioso 2019 und 2018, Viñales 2017, Lorenzo 2016 und Valentino Rossi 2015.
Die Erklärung dafür ist einfach: Die Streckenbedingungen sind sowohl in Sepang als auch in Losail ungewöhnlich. Außerdem müssen die Fahrer und Teams noch auf Temperatur kommen. Wer wirklich stark ist und wer nicht, wird sich nicht vor COTA, Argentinien oder Jerez zeigen.
Michelin: Was bringt der neue Hinterreifen?
Es gab in Sepang eine neue Sache, die alle ausprobierten: Der neue Slick-Hinterreifen von Michelin für die Saison 2020 – der erste neue Hinterreifen seit zwei Jahren – der eine neue Konstruktion aufweist, die für mehr Grip sorgen und die Lebensdauer verlängern soll. So ziemlich jeder mochte den Reifen, also glauben auch alle, dass er ihnen helfen wird, um die WM zu gewinnen – aber natürlich läuft es so nicht.
Einige Fahrer sagen, der Grip auf der Reifenkante verbessert sich, wodurch sie in der Kurve schnell sind, andere sprechen vom Drive-Grip und davon, dass sie schneller und härter ans Gas gehen könnten. Anders gesagt: Der Reifen könnte den V4-Motoren genauso wie den Reihenmotoren helfen.
«Vielleicht können Yamaha und Suzuki einen höheren Kurvenspeed fahren und vielleicht können Ducati und Honda früher beschleunigen», fasste KTM-Ass Pol Espargaró zusammen.
Wie auch immer, ein Großteil der Fahrer ist sich darin einig, dass der neue Hinterreifen hinten den Grip im Kurveneingang und Kurvenausgang verbessern, dabei aber zu Gripproblemen an der Front führen kann. Wenn ein Fahrer in eine Kurve prescht, kann der Hinterreifen die Front zu sehr belasten, und dann, wenn der Fahrer härter als normalerweise das Gas aufdreht, um den zusätzlichen Grip zu nutzen, verschiebt sich die Balance des Motorrads nach hinten und nimmt Last von der Front, was dort den Grip verringert. Mehrere Fahrer sind in Sepang gestürzt, als sie auf dem neuen Hinterreifen unterwegs waren, weil sich die Gewichtsverteilung veränderte, sie Grip am Vorderreifen verloren und stürzten.
Die Wahrheit ist, dass wir nicht wissen, wem der Reifen am meisten hilft, bis wir nicht mitten in der Saison sind und die klügeren Fahrer und Ingenieure die Geheimnisse des neuen Michelin durchschaut haben werden.
Zu diesem Zeitpunkt des Jahres – nachdem gerade einmal drei Tage auf einer GP-Strecke von insgesamt 69 Tagen auf 20 Strecken absolviert worden sind – macht es nicht viel Sinn, die Performance aller sechs Hersteller bis ins Detail zu analysieren, aber hier sind einige Überlegungen zum Auftakt von Yamaha.
Yamaha greift wieder tiefer in die Tasche
Am Ende der letztjährigen Saison war es klar, dass Yamaha tiefer in die Taschen griff als in den vielen Jahren zuvor. Wahrscheinlich hatte das Management endlich realisiert, dass es besser ist, 150 Millionen Dollar auszugeben, um im Kampf um den Sieg dabei zu sein, anstatt nur 100 Millionen in die Hand zu nehmen, um dann wie Dummköpfe auszusehen. Genau das haben sie auch 2003 getan, als sie nahe dran waren, ihr MotoGP-Projekt zu streichen und stattessen ernst machten und Valentino Rossi verpflichteten.
In Sepang standen so viele Yamaha M1, dass es nicht einfach war, immer mitzubekommen, wer mit was unterwegs war. Manchmal waren sechs oder sieben Fahrer in den drei Yamaha-Boxen des Werksteams, von Petronas SRT und dem Testteam anzutreffen.
Wenigstens landete Yamaha an der Spitze der Tests: Quartararo war an jedem Tag der Schnellste, ganz egal auf welchem Bike – 2019, 2020 oder etwas dazwischen. Rossi landete nur 0,192 Sekunden dahinter auf einem fünften Platz, der der Moral guttut, und Viñales war als 16. 0,544 Sekunden langsamer als Quartararo. Edeltester Jorge Lorenzo war 21. (+ 1,348 sec), aber er saß noch nicht auf der M1 2020.
Die vergangenen dreieinhalb Jahre waren für Yamaha ein Desaster, vor allem weil die Ingenieure es nicht schafften, mit der M1 das Beste aus den Michelin-Reifen herauszuholen – daher das neue Chassis, das wir erstmals in Valencia im November sahen. Es wurde mit dem Hauptziel designt, die Reifen weniger in Mittleidenschaft zu ziehen – weil die Abnutzung des Hinterreifens die M1-Piloten hemmte. Auch wenn dazu gesagt werden muss, dass Quartararo im Vorjahr weniger Mühe hatte als Rossi und Viñales.
Rossi meinte, dass der neue Michelin-Reifen der M1 entgegenkommen würde, mit mehr Grip auf der Reifenkante und einer besseren Lebensdauer, aber wenn das auch auf die anderen Motorräder zutrifft, wird Yamaha keinen Vorteil herausschlagen. Auf der anderen Seite glaubt der Yamaha-Werksfahrer, dass das 2020er-Bike insgesamt ein Schritt nach vorne sei. Die beeindruckende Rennsimulation von Viñales hat diesen Eindruck seines Teamkollegen mehr als nur untermauert. Aber wird es der junge Spanier schaffen, diesen Speed auch unter dem Druck der GP-Wochenenden abzurufen?
Der Topspeed ist Yamahas nächstes großes Problem – in den vergangenen Jahren war die M1 nicht einmal schnell genug, um im Windschatten der anderen Bikes zu fahren. Rossi erklärte, dass der neue Motor definitiv über mehr Power verfüge, aber auch die anderen Hersteller sich verbessert hätten. Viñales, der doch deutlich kleiner als sein Teamkollge ist, versicherte seinerseits, dass er in Sepang einige Zweikämpfe mit Gegnern ausgetragen hätte und am Ende der Geraden in einer Position war, um zum Manöver auf der Bremse anzusetzen. Also gibt es vielleicht Hoffnung.
Übrigens: Beide Yamaha-Werksfahrer probierten in Sepang auch die neue Startvorrichtung aus, aber laut Rossi braucht das Holeshot-Device noch mehr Arbeit.
Gesamtwertung IRTA-Test Sepang, 7. bis 9. Februar:
1. Fabio Quartararo, Yamaha, 1:58,349 min
2. Cal Crutchlow, Honda, 1:58,431 min, + 0,082 sec
3. Alex Rins, Suzuki, 1:58,450, + 0,101
4. Francesco Bagnaia, Ducati, 1:58,502, + 0,153
5. Valentino Rossi, Yamaha, 1:58,541, + 0,192
6. Danilo Petrucci, Ducati, 1:58,606, + 0,257
7. Pol Espargaró, KTM, 1:58,610, + 0,261
8. Jack Miller, Ducati, 1:58,616, + 0,267
9. Dani Pedrosa, KTM, 1:58,662, + 0,313
10. Aleix Espargaró, Aprilia, 1:58,694, + 0,345
11. Joan Mir, Suzuki, 1:58,731, + 0,382
12. Miguel Oliveira, KTM, 1:58,764, + 0,415
13. Marc Márquez, Honda, 1:58,772, + 0,423
14. Franco Morbidelli, Yamaha, 1:58,831, + 0,482
15. Andrea Dovizioso, Ducati, 1:58,859, + 0,510
16. Maverick Viñales, Yamaha, 1:58,893, + 0,544
17. Johann Zarco, Ducati, 1:58,951, + 0,602
18. Alex Márquez, Honda, 1:59,042, + 0,693
19. Brad Binder, KTM, 1:59,104, + 0,755
20. Tito Rabat, Ducati, 1:59,549, + 1,200
21. Jorge Lorenzo, Yamaha, 1:59,697, + 1,348
22. Bradley Smith, Aprilia, 1:59,841, + 1,492
23. Takaaki Nakagami, Honda, 1:59,860, + 1,511
24. Iker Lecuona, KTM, 1:59,898, + 1,549
25. Sylvain Guintoli, Suzuki, 2:00,100, + 1,751
26. Mika Kallio, KTM, 2:00,148, + 1,799
27. Lorenzo Savadori, Aprilia, 2:03,150, + 4,801
28. Takuya Tsuda, Suzuki, 2:03,674, + 5,325