Frauen in der MotoGP-WM? Für Ana Carrasco denkbar
Ana Carrascos Titelgewinn in der Supersport-WM 300 hat es 2018 weltweit in Zeitungen, Magazine und auf Websites geschafft, die normalerweise nicht über Motorradrennsport berichten. Aber eine Frau, die es allen Männern in ihrer Klasse gezeigt hat, ist eine Geschichte wert. Dass die 22-jährige Spanierin äußerst adrett, charmant und nicht auf den Mund gefallen ist, trägt zu ihrer Beliebtheit bei.
Dass der Titel kein Zufallsprodukt war, wie damals einige Gegner mutmaßten, stellte sie mit Gesamtrang 3 im vergangenen Jahr unter Beweis. Inzwischen hat Carrasco in der kleinsten SBK-Klasse fünf Rennen gewonnen, preschte mit ihrer Kawasaki Ninja achtmal aufs Podium und zählt auch in der Ende März in Jerez beginnenden Supersport-300-WM-Saison zu den Favoriten.
«Ich weiß nicht, wann eine Frau in der Lage sein wird, in der MotoGP-Klasse zu gewinnen», grübelte Carrasco. «Aber ich hoffe, dass ich die erste Frau sein werde, der das gelingt. Ich bin 22 Jahre alt, also noch immer sehr jung. Es gibt viel Raum für Verbesserungen. Ich halte es für möglich, dass ich in vier oder fünf Jahren MotoGP fahre.»
Diesen Winter bekam sie die Chance, die Kawasaki ZX-10RR von Superbike-Weltmeister Jonathan Rea einige Stunden lang zu fahren – und damit einen Vorgeschmack.
Einige männliche Kollegen aus der Superbike-WM sind der Meinung, dass Frauen nicht die körperlichen Voraussetzungen mitbringen, um ein über 230 PS starkes Superbike schnell bewegen zu können – geschweige denn ein MotoGP-Bike. Dass das sehr wohl möglich ist, beweist seit Jahren Lucy Glöckner. Die 29-jährige BMW-Pilotin wird am ersten August-Wochenende in Oschersleben als erste Frau an einem Superbike-WM-Event teilnehmen. Zweifellos wird ihr Start für Carrasco Inspiration und Motivation sein.
Carrascos Erfolge im GP-Sport sind überschaubar, noch nie schaffte es eine Frau in die Königsklasse MotoGP.
2013 war sie die erste Frau in der Moto3-WM. Sie sammelte in ihrer Rookie-Saison neun Punkte und belegte WM-Rang 21. In Valencia gelang ihr eine starke Leistung: Carrasco preschte auf Platz 8 vor Philipp Öttl, Miguel Oliveira und Romano Fenati.
Die Saison 2014 war für Carrasco aus unterschiedlichen Gründen nicht von Erfolg geprägt. Die letzten Rennen musste sie sogar auslassen, da Sponsorengelder fehlten. Sie blieb punktelos.
Für 2015 fand Carrasco wieder einen WM-Platz im RBA-Team, doch beim Vorsaison-Test in Jerez brach sich die damals 18-Jährige das rechte Schlüsselbein und erhielt für Katar Startverbot von den Ärzten. Auf dem Sachsenring folgte der nächste Rückschlag. Ana Carrasco und Maria Herrera stürzten im Moto3-Rennen nach einer Berührung heftig. Carrasco zog sich einen Bruch des linken Oberarmknochens nahe der Schulter zu und musste operiert werden. Sie verpasste den Indianapolis- sowie den Brünn-GP und gab ihr Comeback in Silverstone. Doch ihre Verletzung bereitete der Spanierin auch im weiteren Verlauf der Saison Probleme. Auch 2015 blieb Carrasco punktelos. Um ihren Platz im RBA-Team auch 2016 zu behalten, konnte sie nicht genügend Sponsoren auftreiben.
Nach ihrem GP-Aus versuchte sich Carrasco 2016 in der Moto2-EM; doch sie blieb punktelos.
Seit 2017 fährt sie in der Supersport-300-Klasse und belegte seither die WM-Ränge 8, 1 und 3.