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Honda in der Klemme: Sorgenfalten bei Marc Márquez

Von Günther Wiesinger
Weltmeister Marc Márquez: Kummer mit dem 2020-Material

Weltmeister Marc Márquez: Kummer mit dem 2020-Material

Wenige Tage vor dem MotoGP-Saisonstart in Katar herrscht bei Honda viel Ungewissheit. Marc Márquez ist angeschlagen, die neue Honda bisher kein Sieger-Motorrad.

Das Repsol-Honda-Werksteam und Castrol-Honda-LCR-Pilot Cal Crutchlow (34) stecken in der Klemme. Denn die neue Honda RC213V erwies sich bei den Tests in diesem Jahr als Sorgen-Motorrad. «Wir wollten das Vorderrad-Feeling verbessern, aber es ist schlechter geworden», lautete das Resümee vor dem letzten der insgesamt zehn Wintertesttage letzten Sonntag auf dem Losail Circuit in Doha.

Marc und Alex Márquez schlossen den Sonntag (23.2) auf den Plätzen 14 und 19 ab, Crutchlow als 21 und Vorletzter. Dann wurde Takaaki Nakagami (Platz 10 am Sonntag) um einen Großteil seines 2019-Materials erleichtert, es wanderte in die Repsol-Honda Box von Weltmeister Marc Márquez. Der Rest ist bekannt: Der achtfache Weltmeister reduzierte den Rückstand im Handumdrehen von einer prekären Sekunde auf überschaubare 0,2 Sekunden.

Jetzt wird bei HRC gerätselt, welches technische Gesamtpaket am Donnerstag nächster Woche für die Saison 2020 homologiert werden soll. Bei der Motor-Spezifikation muss sich HRC festlegen, bei der Aerodynamik auch, da ist aber ein Update pro Saison erlaubt, beim Motor nicht.

Wie kann dem weltgrößten Motorradhersteller so ein technisches Schlamassel wiederfahren? Seit August und September 2019 wurden von den Stammfahrern verschiedene Prototypen für 2020 getestet, dann im November jeweils zwei Tage in Valencia und Jerez, es waren keine lauten Klagen zu hören. Die Beschwerden gingen erst in Sepang (7. bis 9.2. 2020) los. Und damals wusste niemand, ob der zehnte Platz von Weltmeister Marc Márquez in erster Linie der lädierten rechten Schulter anzulasten war. «Ich bin nur zu 60 oder 70 Prozent fit und kann deshalb keine präzisen Angaben zum Motorrad machen», räumte der Spanier ein.

Márquez stürzte in Malaysia zweimal. «Wegen der Schulter konnte ich die Slides mit dem Ellenbogen nicht abfangen. Es fehlte an Kraft», sagte er.

Man könnte es sich leicht machen und jetzt Testfahrer Stefan Bradl den Schwarzen Peter in die Schuhe schieben. Aber HRC hat den Deutschen vor dem IRTA-Test in Sepang heimgeschickt und auch für den Katar-Test nicht aufgeboten. Dabei war Marc Márquez angeschlagen, Alex kann als Rookie noch keine Aussagen machen, Crutchlow stürzte in Doha am zweiten Tag nach 27 Runden schwer, damit fiel er als Testfahrer ebenfalls aus. Er kam über Gesamtrang 18 nicht hinaus.

Offenbar hat sich HRC in Doha bei der Abstimmung in die falsche Richtung orientiert. Auf der Piste in Losail hat Marc Márquez sowieso ausser 2014 noch nie gewonnen...

Ob jetzt das 2019-Material die beste Lösung für die HRC-Zukunft ist, lässt sich kaum beurteilen.

Yamaha und Suzuki haben jedenfalls klare Fortschritte gemacht, Ducati sucht noch eine Lösung für die Anpassung an die neuen Hinterreifen, zählt aber in Katar zu den Sieganwärtern. Dovizioso, Miller und Petrucci standen 2019 in Doha auf den Startplätzen 2, 4 und 7. Dank 355 km/h Top-Speed werden die Roten auch in diesem Jahr auf der schnellen Losail-Piste in Katar um den Sieg fighten.

Honda ist zuzutrauen, dass sie aus dem Katar-Test-Desaster die richtigen Schlüsse ziehen. Mit Santi Hernandez, Ramon Aurín und Christophe «Beefy» Bourguignon gibt es bei Repsol und LCR drei erstklassige Crew-Chiefs, deren Problemlösungs-Kapazität unbestritten ist.

Honda ist bei den Wintertests 2016 auf dramatische Probleme mit der neuen Einheits-ECU von Magneti Marelli gestoßen, trotzdem verlor Márquez als Dritter in Katar damals nur 2,2 sec auf Sieger Lorenzo (Yamaha).

In einem anderen Jahr erwies sich die MotoGP-Honda anfangs wegen extremer Leichtbauweise als nicht konkurrenzfähig, Honda reparierte den Schaden innerhalb weniger Wochen. Auch beim Umstieg auf den Big Bang-Motor und ein Jahr später mit der Einführung der gegen die Fahrtrichtung drehenden Kurbelwelle bekam HRC die Probleme in der Marc-Márquez Ära rechtzeitig in den Griff.

Aber damals waren Yamaha, Suzuki und Ducati nicht so stark wie heute. Momentan sind sogar KTM und Aprilia schneller als Honda, wenn bei HRC nicht alles zusammenpasst.

Marc Márquez hat die WM 2019 mit 151 Punkten Vorsprung gewonnen und bei 19 Grand Prix zwölf Siege und sechs zweite Plätze erbeutet.

Aber er hat auch 27 Saisonstürze in Kauf genommen und viele «Saves».

Deshalb wünschte er sich ein besseres Gefühl für das Vorderrad.

Das bekommt man, indem Gewicht nach vorne verlagert wird. Das geht aber bekanntlich auf Kosten der Traktion.

Deshalb haben die HRC-Ingenieure wahrscheinlich kein revolutionär neues Chassis gebaut.

Sie verlassen sich auf ihre bestes Pferd im Stall: Márquez wird´s schon richten.

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