Die spanische Motorsportgemeinde leidet
Auch in Jerez de la Frontera werden vorerst noch keine Motorräder ihre Runden drehen
Seit rund 25 Jahren berichtet der Kolumbianer Diego Mejia von Autorennen aus der ganzen Welt. Daneben fährt er selbst Autorennen und hat in seiner Heimat zehn Titel erobert. Wir nahmen mit Diego Kontakt auf, weil seine Wahlheimatstadt Madrid von der Corona-Katastrophe besonders heftig erschüttert wird.
In Spanien wurden etwas mehr als 104.000 Menschen positiv auf die Lungenkrankheit SARS-CoV-2 getestet, über 9300 Tote werden ihr zugeschrieben. Spanien hat in der Nacht auf 31. März im Kampf gegen das Virus die Ausgangssperre verschärft. Die umstrittene Maßnahme wird von der Regierung «Winterschlaf» genannt – alle Spanier, die für nicht wesentliche Wirtschaftszweige tätig sind, fahren nicht mehr zur Arbeit.
Der für Ende März angesetzte Europa-Auftakt der Superbike-WM wurde ebenso abgesagt wie der geplante Grand Prix der Motorrad-WM in Jerez, der für den 3. Mai vorgesehen war. Der Spanien-GP wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.
Diego Mejia erzählte: «Meine Stadt ist hart getroffen. Ich kam an jenem Sonntag aus Melbourne zurück, an dem in Australien das Formel-1-Rennen hätte stattfinden sollen. Einen Tag vorher war in Spanien der Lockdown verhängt worden. Damals schien das korrekt zu sein, vor allem bei einem Blick auf unsere italienischen Nachbarn. Heute muss ich sagen – das kam zu spät. Die Anzahl Todesfälle steigt weiter dramatisch an, aus verschiedenen Gründen.»
«Die Anzahl der Todesopfer ist erschreckend. Was ich aber am schlimmsten finde: Die extreme Ansteckungsrate unter dem medizinischen Fachpersonal. Nicht nur, dass Menschen teils schwerkrank werden und sterben, sie fehlen auch bei der Pflege ihrer Mitmenschen. Die Krise wurde intensiviert, weil versäumt worden war, rechtzeitig genügend medizinisches Material zu beschaffen. Das hätte alles in die Wege geleitet werden können, bevor uns der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Ich bin überzeugt, dass zu langsam gehandelt worden ist. Aber ich habe leicht reden, ich muss ja nicht die Schäden verantworten, wenn die Wirtschaft fast zum Stillstand kommt. Die Intensivstationen baumeln am Rande des Kollapses. Die Situation ist wirklich dramatisch. Wir bräuchten von allem mehr – mehr Fachkräfte, mehr Intensivpflegestationen, vor allem in den Ballungszentren Madrid und Barcelona.»
«Natürlich ist auch mir durch den Kopf gegangen, dass wir die ganze Sache anfangs zu wenig ernst genommen haben. Aber wir pflegen hier zu sagen: Es ist leicht, der Trainer zu sein, wenn das Spiel vorbei ist. Dennoch bin ich der Ansicht, Spanien hätte früher Ausgangssperren verhängen müssen. Es hat gewiss auch nicht geholfen, wie viele Menschen in den Anfängen der Krise noch unterwegs gewesen sind, einschließlich mir in Melbourne.»
«Schwer zu verdauen ist auch, dass im Grunde niemand weiß, wie das alles weitergehen wird. Natürlich schaue auch ich mir jeden Tag die ganzen Grafiken an, und ich sehne mich danach, endlich ein Abflachen der Kurven zu erkennen. Aber so weit sind wir offenbar noch nicht. Vielleicht erkennen wir ein Lichtlein am Ende des Tunnels um Ostern herum. Die Regierung hat Finanzhilfen aufgegleist. Sie werden auch bitter nötig sein, um der Wirtschaft zu helfen. Sonst werden Entlassungen unumgänglich. Die spanische Motorsportgemeinde wird leiden, das ist nicht zu vermeiden.»
Der aktuelle Motorrad-GP-Kalender 2020
08. März: Doha/Q (ohne MotoGP)
31. Mai: Mugello/I
07. Juni: Barcelona/E
21. Juni: Sachsenring/D
28. Juni: Assen/NL
12. Juli: KymiRing/SF
09. August: Brünn/CZ
16. August: Red Bull Ring/A
30. August: Silverstone/GB
13. September: Misano/I
27. September: Aragón/E
04. Oktober: Buriram/TH
18. Oktober: Motegi/J
25. Oktober: Phillip Island/AUS
01. November: Sepang/MAL
15. November: Texas/USA
22. November: Las Termas/ARG
29. November: Valencia/E
Bisher ohne neues Datum: Jerez/E und Le Mans/F