Exklusiv: Klappt Spielberg-GP bereits am 26. Juli?
Spielberg in Österreich könnte im Juli und August Schauplatz des Österreich-GP sein
Hervé Poncharal kündigte gestern im SPEEDWEEK.com-Interview an, er rechne nach den neuesten Entwicklungen mit einem Start der MotoGP-Saison im August. Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta (73) stellte sogar eine Rückkehr auf die Rennstrecken für Ende Juli in Aussicht. Bis dahin sind aber noch etliche Hürden zu überwinden, die von verschiedenen Maßnahmen der Regierungen verfügt worden sind.
Es geht da um Reisebeschränkungen, Abstandsregeln, Quarantäne-Verordnungen, Hygienevorschriften, das Gesichtsmaskentragen, um Versammlungsverbote, um Empfehlungen zur Nichtausübung von Risikosportarten, um das vorläufige Verbot von Großveranstaltungen und andere Vorschriften, die eine zweite Infektionswelle verhindern sollen.
In der Formel 1 soll diesen Vorschriften durch konstant durchgeführte Covid-19-Bluttests aller Teammitglieder Folge geleistet werden. Die Dorna Sports S.L. will diese Strategie weitgehend nachahmen, aber in der MotoGP-WM gibt es nicht 20 Fahrer und zehn Teams wie in der Formel 1, sondern 42 Teams in drei Klassen und 85 Fahrer, deshalb geht es in den Boxen enger zu.
Zum Vergleich: In Spielberg existieren 34 Boxen mit einer Größe von je 119 Quadratmetern. Jedem Team können also drei Boxen zugeteilt werden. An den Autos arbeiten fünf bis sechs Mechaniker, der Rest der Techniker wird verteilt. Im Motorrad-GP-Sport bekommen die MotoGP-Teams in Österreich je eine Box für normal 25 Teammitglieder. In den kleinen Klassen werden bis zu drei Teams in eine Box gequetscht, für rund zehn kleine GP-Teams wird ein großes Zelt aufgestellt.
Jetzt muss neu gerechnet werden, um die Ansteckungsgefahr zu verringern. Es werden in diesem Jahr wohl mehr Teams aus den Boxen in Zelt verlagert werden, wegen der Abstandsregeln.
Besonders auf veralteten Rennstrecken wie Phillip Island klagen die Teams über winzige Boxen, auch in Le Mans, Misano, Valencia und Silverstone.
Der 2011 neu eröffnete Red Bull Ring verfügt über geräumige Boxen, das gilt auch für das MotorLand Aragón, wo 2010 erstmals ein Grand Prix stattfand, für Sepang und Las Termas.
Poncharal: «Ein sensibles Thema»
Genaue Pläne für die neue Fahrerlager-Ordnung und die andere GP-Normalität existieren noch nicht, denn das «closed doors protocol» befindet sich noch in Ausarbeitung, verantwortlich dafür ist IRTA Paddock Manager Geoff Dixon.
«Wir denken und planen noch, aber es steht fest, dass wir ein Konzept brauchen, bei dem wir alle Maßnahmen und Vorschriften befolgen können, also auch die Abstandsregeln», erklärte der französische Red Bull-KTM-Tech3-Teambesitzer und IRTA-Präsident Hervé Poncharal. «Wir wollen, dass die Teammitglieder nicht zu eng nebeneinander arbeiten müssen, wir wollen ihnen eine gewisse Distanz gewähren. Deshalb könnte das Fahrerlager 2020 etwas anders aussehen, zumal wir ja keine Gäste und Medien einlassen dürfen. Wir haben ja alle gemeinsam die klare Absicht: Es soll kein einziger Mensch durch uns neu infiziert werden.»
Hervé Poncharal ist lange genug im Business um zu wissen, dass der weltweite Shutdown die Weltwirtschaft in schwere Turbulenzen bringen wird. Die Wirtschaftsleistung könnte sich selbst in den stärksten europäischen Ländern von plus 3 Prozent auf minus 7 Prozent abschwächen, wenn der Konsum nicht bald neu entfacht wird.
Der Red Bull KTM-Tech3-Teambesitzer zeigt jedoch volles Verständnis für die drakonischen Hausarreste und Ausgangsbeschränkungen in den betroffenen Ländern.
Poncharal: «Man hört jetzt vermehrt Stimmen, die sagen, der wirtschaftliche Schaden durch die Covid-19-Seuche wird größer sein als der gesundheitliche. Denn bei uns in Frankreich leben wir schon 45 Tage unter Hausarrest, es folgen noch zwölf, wir werden also fast 60 Tage eingesperrt sein. In Italien und Spanien ist die Situation ähnlich. In Frankreich sind bereits mehr als 24.000 Menschen an der Pandemie gestorben. Wenn dein Vater, dein Bruder, deine Mutter oder ein anderer naher Verwandter betroffen ist, dann verstehst du: ‘Der Lockdown hat wirklich Sinn.’ Wenn du nicht unmittelbar betroffen bist, kannst du leichter über den wirtschaftlichen Schaden diskutieren. Das ist ein sehr sensibles Thema.»
Gestern wurden die GP-Events auf dem Sachsenring, Assen und KymiRing für die Saison 2020 erstsatzlos gestrichen. In Katar wurde am 8. März nur die MotoGP-Klasse nicht ausgetragen.
Wie der Kalender Ende Juli oder Anfang August aussehen wird, das ändert sich von Tag zu Tag. Deshalb werden vorläufig keine neuen Termine veröffentlicht. Das ist eine Lehre aus dem vergangenen März, als zum Beispiel der Valencia-GP innerhalb von 24 Stunden drei verschiedene Termine bekam – 15., 22. und 29. November.
Bisher steht immerhin fest, dass der Saisonstart in Europa stattfinden wird. Spielberg und Brünn könnten den Anfang machen, mit jeweils zwei Grand Prix an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden, zum Beispiel am 26. Juli und 2. August in Spielberg, dann am 9. und 16. August in Brünn. Für die Absicht, am selben Schauplatz jeweils am Sonntag und Mittwoch zu fahren und dann ein freies Wochendende zu planen, findet sich bisher keine Mehrheit.
Bisher bemühte sich der Spielberg-GP-Promoter immer um einen Termin rund um den Feiertag vom 15. August, weil dann die Besucher eventuell einen Urlaubstag sparen konnten. Aber auf die Rennbesucher muss jetzt keine Rücksicht genommen werden.
Bis Juni oder Juli muss auch geklärt werden, ob zum Beispiel im September in Misano und Mugello und nachher in Spanien (Jerez, Barcelona, Aragón, Valencia stehen zur Debatte) gefahren werden kann. In Spanien kann mit den Rennen wegen des Klimas bis Oktober oder Mitte November zugewartet werden. Einzelne Rennstreckenbetreiber in Italien und Spanien haben schon Interessen signalisiert, auch an Geisterrennen, dazu gehört Misano.
Nachher könnten im November oder Dezember noch einzelne Grand Prix in warmen Ländern wie Thailand oder Malaysia folgen, falls es keine zweite Welle gibt und der Flugverkehr wieder aufgenommen wird. Sogar Katar könnte noch einmal ein Thema werden.
In dieser Saison werden bei den GP-Events keine Zuschauer zugelassen. «Aber wir können jetzt noch zehn Grand Prix zustande bringen», meint Poncharal. «Vor einem Monat war ich ein bisschen skeptisch. Heute bin ich viel zuversichtlicher. Das bedeutet aber nicht, dass uns diese zehn Rennen auch gelingen werden.»
«Wir haben in den vergangenen Wochen einige sehr heftige Schläge ins Gesicht bekommen», fasst Poncharal im Gespräch mit SPEEDWEEK.com zusammen. «Dann hängst du wie ein angeschlagenen Boxer in der Ecke. Aber in dem Augenblick, in dem du diese Schläge verdaut hast, wächst die Zuversicht. Das positive Denken kehrt zurück. Inzwischen liegen einige Fakten auf dem Tisch: Wir dürfen keine Zuschauer reinlassen, wir müssen ein ‘closed doors protocol’ austüfteln, wir sehen, dass in Österreich bei der Virus-Bekämpfung außergewöhnlich gut gearbeitet wurde, die Situation dort sieht sehr vielversprechend aus, die Maßnahmen werden bereits seit Ostern schrittweise gelockert. Wir wissen, dass Red Bull und KTM zwei sehr angesehen Unternehmen aus Österreich sind, das sind lauter positive Vorzeichen. Deshalb sind wir sehr hoffnungsvoll. Wir wissen ja auch, dass Carmelo Ezpeleta und seine Mitarbeiter unermüdlich schuften, um den Neustart zu ermöglichen. Klar, die Formel 1 ist die Nummer 1 im Motorsport. Da ist vielleicht etwas mehr Einfluss im Spiel. Deshalb ist es nicht so schlimm, wenn die Kollegen ein paar Wochen früher auf die Rennstrecke zurückkehren als wir.»
Der aktuelle Motorrad-GP-Kalender 2020
08. März: Doha/Q (ohne MotoGP)
09. August: Brünn/CZ
16. August: Red Bull Ring/A
30. August: Silverstone/GB
13. September: Misano/I
27. September: Aragón/E
04. Oktober: Buriram/TH
18. Oktober: Motegi/J
25. Oktober: Phillip Island/AUS
01. November: Sepang/MAL
15. November: Texas/USA
22. November: Las Termas/AR
29. November: Valencia/E
Ohne neues Datum: Jerez/E, Le Mans/F, Mugello/I und Barcelona/E
Abgesagt: Sachsenring/D, Assen/NL und KymiRing/FIN