Vor Jerez-GP: Sauerstoffmangel wie auf Achttausender
Von 17. bis 19. Juli findet in Jerez der erste Motorrad-GP der Geschichte ohne Zuschauer statt. Das 60 Seiten umfassende «closed doors protocol» der Dorna sorgt wegen der Covid-19-Seuche für außergewöhnliche Zustände. «Wir werden wie Gefangene gehalten», meinte ein Teammanager.
Besonders das Tragen von Nasen- und Gesichtsmasken ist bei einer Hitze von 36 bis 40 Grad unerträglich. Und dieser Virusschutz muss sogar im Freien getragen werden – trotz Abstandsregeln von 2 Metern.
«Wenn du hier in Jerez bei dieser Hitze mit einer Maske arbeiten oder rumlaufen musst, ist das beim Atmen so anstrengend wie das Klettern auf einem 8000 Meter hohen Berg ohne Sauerstoff», seufzte Moto3-Teamteilhaber Peter Öttl Dienstagfrüh.
An der Hitze wird sich nichts ändern: Die Vorhersage meldet bis inklusive 26. Juli (an diesem Tag findet der 2. Jerez-GP statt) wolkenlosen Himmel
Im Paddock herrscht gespentische Ruhe: Keine Teamgäste, keine Journalisten, keine Marketing-Personen, keine Hospitalitys, nur kleine Catering-Nischen. Die Stimmung erinnert an einen einsamen privaten Wintertest.
Die meisten Teams sind bereits am gestrigen Montag in Jerez eingetroffen. Denn viele Rennställe haben ihr Material in den Übersee-Frachtkisten durch die Dorna-Logistik von Doha/Katar nach Spanien verfrachten und dort bis zum Re-Start lagern lassen. Diese Teams müssen das Material nach der Ankunft in den Boxen durchchecken und für den Mittwoch-Test startklar machen.
Einige Spitzenteams wie Liqui Moly Intact haben die Frachtkisten ins heimische Hauptquartier liefern lassen, Verkleidungen lackiert, die Bikes und Komponenten für die 13 Grand Prix innerhalb von 18 Wochenende bis 15. November vorbereitet und genügend Ersatzteile gebunkert. Private Testfahrten mit den GP-Maschinen wurden jedoch verboten.
Fast neun Monate sind seit dem letzten MotoGP-WM-Rennen (Valencia, November 2019) vergangen. Kein Wunder, wenn die Fahrer, Teams, Werke und Fans das erste Kräftemessen in der Königsklasse 2020 kaum erwarten können. Die Fahrer der Klassen Moto3- und Moto2 haben am 8. März auf dem Losail Circuit in Doha/Katar bereits ihren ersten Saisonwettbewerb ausgetragen.
Die Mitglieder der sechs in Italien stationierten MotoGP-Teams konnten damals nicht mehr nach Doha einreisen, wegen der beginnenden Coronaviruskrise hätten alle Italiener sofort 14 Tage in Quarantäne begeben müssen. Die Teams der kleiner Klassen waren bereits vor Ort, weil sie am Wochenende zuvor ihren IRTA-Test in Losail ausgetragen hatten.
Am IRTA-Testtag am morgigen Mittwoch (15. Juli) kommen neben den drei WM-Klassen auch die Fahrer des MotoE-Weltcups zum Zug. Der Auftakt des Red Bull-Rookies-Cup ist für die beiden GP-Events in Spielberg/Österreich im August mit insgesamt vier Rennen in der Steiermark geplant.
Die Moto3-Fahrer dürfen morgen insgesamt zweimal 40 Minuten lang testen, die MotoGP-Asse bekommen am Vormittag und Nachmittag jeweils 90 Minuten «track time». Für die Moto2-WM-Piloten sind zweimal 40 Minuten auf dem «Circuito de Jerez – Ángel Nieto» vorgesehen.
Wegen der Versammlungsverbote und der auf 1600 Personen beschränkten Zulassung zum Fahrerlager mussten Kompromisse geschlossen werden. Die Teams dürfen nur zwischen Paddock und Hotel pendeln und sich nicht in Restaurants, Bars oder am Strand herumtreiben. Sie dürfen bei Doppel-Events auch nicht zwischendurch für zwei oder drei Tage nach Hause reisen, sondern sollen sich weiter im gewohnten Umfeld aufhalten, um das Risiko einer Ansteckung zu verringern.
Alle Beteiligten ahnen: Bei positiven Covid-19-Virustests könnte die ganze MotoGP-Saison in Gefahr geraten.
Die MotoGP-Werksteams dürfen je 45 Teammitglieder mitnehmen, die MotoGP-Privatteams je 25. Die Teams der Moto3 und Moto2 dürfen zwölf Teammitglieder (inklusive Fahrer) mitbringen.
«Für die MotoE brauchen wir nur zwei Personen zusätzlich», erzählte Intact-Teamprinzipal Jürgen Lingg. «Das sind Gero und Joan, die sind direkt von Portugal nach Jerez gekommen, da sie auch bei unserem Junior-Team in der CEV beschäftigt sind.»
Dafür ist die Anwesenheit von Personal von Motorrad-Lieferant Energica erforderlich und von Stromerzeuger Enel, dessen Techniker für die Ladestationen verantwortlich sind.
Die 1600 Fahrerlager-Insassen setzen sich so zusammen:
Teams und Service Companys: 860 Personen
Dorna-Personal und Zulieferfirmen: 250 Personen
Medien: 40 Personen
Circuit-Management, Streckenposten: 450 Personen.
Wegen der Abstandsregeln wird der Zugang in der Früh zeitlich begrenzt. Jede Gruppe und jede Kategorie bekommt ein zeitliches Fenster für den Fahrerlager-Eintritt. Durch Body-Screening wird bei jedem Fahrerlager-Besucher in der Früh die Körpertemperatur gemessen. Positive Fälle werden sofort isoliert.
«Wir möchten unbedingt alles tun, um zu gewährleisten, dass durch unseren Sport kein einziger Mensch mit dem Virus infiziert wird», beteuert Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta.
Deshalb sollen die Teams auch bei den Technical Debriefs ein «social distancing protocol» befolgen und diese Gespräche nicht von Angesicht zu Angesicht stattfinden.
Jedes Team und jede Service Company (wie Michelin, Dunlop, Kalex, Speed-up, Öhlins, WP, Leder und Helmhersteller usw.) musste 21 Tage vor dem Start des Events bei IRTA und Dorna eine Mitarbeiter-Liste vorlegen. Die Frist für den ersten Jerez-GP lief am 22. Juni ab.
Zeitplan Gran Premio Red Bull de España in Jerez
Mittwoch, 15. Juli
06.30 Uhr: Fahrerlager-Öffnung
06.30 bis 07.15 Uhr: Zugang für Circuit-Mitarbeiter
07.15 bis 08.00 Uhr: Zutritt für MotoE und Moto3-Teams
08.00 bis 09.00 Uhr: Zugang für MotoGP-Teams
09.00 bis 09.30 Uhr: Zugang für Moto2-Teams
08.30 bis 09.00 Uhr: MotoE-Test
09.10 bis 09.50 Uhr: Moto3-Test
10.00 bis 11.30 Uhr: MotoGP-Test
11.40 bis 12.20 Uhr: Moto2-Test
12.30 bis 13.00 Uhr: MotoE-Test
13.10 bis 13.50 Uhr: Moto3-Test
14.00 bis 15.30 Uhr: MotoGP-Test
15.40 bis 16.20 Uhr: Moto2-Test
16.30 bis 17.00 Uhr: MotoE-Test