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Wie ist die Idee eines Teruel-Grand-Prix entstanden?

Von Günther Wiesinger
Die Regionen Andalusien, Steiermark und Emilia Romagna waren 2020 schon GP-Namensgeber. Aber was zum Teufel soll uns ein Teruel-GP sagen?

Weil die Motorrad-GP-Veranstalter in diesem Jahr ohne Zuschauer-Einnahmen die Gebühren in der Höhe von ca. 4 Millionen Euro an die Dorna nicht bezahlen konnten, mussten Rennen wie Sachsenring, Assen, Silverstone und KymiRing abgesagt werden. Andere Rennen wie Brünn wurden von der Politik oder von den örtlichen Tourismusbehörden gerettet und mit überschaubaren Betrögen an die Dorna finanziert. So kam es zum Andalusien-GP, zum Steiermark-GP, zum Emilia Romagna-GP und jetzt auf dem MotorLand Aragón zum Teruel-GP.

Und was haben wir uns unter dem Teruel-GP vorstellen? Wer kennt Teruel? Teruel ist eine Provinz der Region Aragonien und gleichzeitig die Hauptstadt dieser entlegenen Provinz, die der Dorna einen Beitrag bezahlte, um durch den Grand Prix Tourismus-dringend nötige Werbung zu bekommen. Der Veranstalter konnte keine Gebühr bezahlen, weil die üblichen Zuschauereinnahmen wegfallen. Teruel liegt allerdings ca. 175 km von der Rennstrecke entfernt.

Als 2010 der erste MotoGP-Event in Aragonien stattfand, hatten die Teams und Fahrer ihre Zweifel. Aber der Schauplatz kann sich sehen lassen. Immerhin ist die Piste von Hermann Tilke in Zusammenarbeit mit Formel-1-Pilot Pedro de la Rosa designt worden. Die Regierung von Aragonien stellte eine prunkvolle Rennstrecken-Arena in die Landschaft – mit einer wunderbaren Karting-Strecke und drei Offroad-Pisten obendrein, dann kam der TechnoPark hinzu, wo zum Beispiel die Moto2-Einheitsmotoren bei der Firma ExternPro revidiert werden.

Die ganze Anlage erstreckt sich über 1,320.000 Mio Quadratmeter, die GP-Strecke ist 5,077 km lang, die längste Gerade misst 1,726 km. Die GP-Piste ist zwischen 12 und 15 Meter breit, es besteht ein Höhenunterschied von 50 Meter pro Runde, die Steigung beträgt bis zu 7,2 Prozent.

Die GP-Strecke kann bei Bedarf in zwei getrennte Pisten geteilt werden.

Das Fahrerlager erstreckt sich über 44.000 Quadratmeter, ein zweiter Paddock misst 9000 Quadratmeter.

Am eindrucksvollsten ist die Boxenanlage mit 24 Boxen zu je 144 qm und 12 weiteren Boxen mit je 96 qm. Die Parkflächen nehmen insgesamt 950.650 qm ein.

Der Platzbedarf des GP-Trosses ist gewaltig: Da sind 200 Lkw im Einsatz. Im Fahrerlager tummeln sich üblicherweise ohne Corona bis zu 4000 Menschen, es sind 2019 ca. 450 Journalisten akkreditiert gewesen, darunter 90 TV-Mitarbeiter.

Im Motorland Aragón werden jährlich zwischen 30 und 35 Anlässe abgewickelt, das Highlight stellt normal der Motorrad-GP mit 70.000 Zuschauern dar. Dazu steht ein Lauf zur spanischen CEV Repsol-Meisterschaft auf dem Programm, es gibt Motoross-, Enduro-, Autocross-, Langstreckenrennen für Rennwagen und Kartrennen.

Inzwischen ist Aragón aus dem GP-Kalender nicht mehr wegzudenken, die Piste wird auch regelmässig für Testfahrten genutzt, obwohl sie verkehrstechnisch nicht so günstig liegt wie Valencia oder Barcelona.

Der Vertrag mit der Dorna wurde 2016 um fünf Jahre bis inklusive 2021 verlängert. In ersten fünf Jahren wurde Aragón dreimal zum «Best Grand Prix of the Year» gewählt.

Die Infrastruktur ist für europäische Verhältnisse pompös, dass man 30 bis 40 Minuten ins Quartier fährt, das wird in Kauf genommen.

Und die Aragón-Betreiber mit Chefin Marta Gastón an der Spitze ruhen sich nicht auf den Lorbeeren aus: 2016 wurde beschlossen, in den folgenden fünf Jahren 46,5 Millionen Euro neu in die Anlage zu investieren.

Jetzt erleben wir also erstmals einen Teruel-GP. Teruel (Aussprache: Terwel) liegt im Osten Spaniens, und die Stadt zählt nur 35.000 Einwohner, es ist also in ganz Spanien die Provinzhauptstadt mit der geringsten Einwohnerzahl. Das Klima in der Gegend wird als rau beschrieben. Teruel weist archäologische Fundstätten auf, und in der teilweise felsigen Umgebung wurden die ältesten Dinosaurier-Überreste Spaniens gefunden. Die Ausstellung «Torvosaurus Tierra Magna Dino´polis» in Teruel ist ein beliebtes Ausflugsziel für die Touristen.

Teruel wurde von den Mauren beeinflusst, also von den Völkern der alten römischen Provinz Mauretanien im heutigen Nordafrika, die zuerst im 8. Jahrhundert Andalusien eroberten und sich später auch weiter im Norden Spaniens auf der gesamten Iberischen Halbinsel festsetzten. Das kommt in der Architektur vieler Gebäude zum Vorschein. Das «Mudéja Architecture of Aragón» zählt sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe. Besonders sehenswert der «Plaza del Torico» in der Altstadt von Teruel.

Teruel liegt abgelegen auf einer Seehöhe von 915 Meter. Die geringe Bevölkerungsdichte führte zu einer gewissen Isolation innerhalb Spaniens. Durch die Kampagne «Teruel Existe» («Teruel existiert») wurde ab 1999 um mehr Anerkennung geworben, es sollten Investoren für die Stadt und die Provinz gefunden werden.

Danach wurden die Transportverbindungen nach Teruel verbessert, es wurde zum Beispiel eine Autobahn von Saragossa nach Sagunto gebaut. Trotzdem blieb Teruel die einzige Provinzhauptstadt auf der Iberischen Halbinsel ohne direkte Straßen- oder Zugverbindung in die Hauptstadt Madrid.

Die meisten Besucher von Teruel kommen auch am lokalen Flughafen vorbei – und wundern sich momentan über die ansehnliche Ansammlung von Flugzeugen. Der Grund: Der in Privatbesitz befindliche Flughafen hat sich in den letzten Jahren als spanischer Flugzeugfriedhof einen Namen gemacht. Durch die Coronakrise hat sich dort die Anzahl der ausrangierten Flugzeuge der Airlines dramatisch vervielfacht, es sind inzwischen rund 160 Flieger, die dort in der Sonne parken. Das trockene Klima im Nordosten Spaniens schützt zuverlässig vor Korrosion – deshalb ist der Airport in Teruel momentan vollgeparkt.

Sogar die Lufthansa hat sieben Lufthansa-A380 in Teruel gelagert. Die Lufthansa plant eine Schrumpfung ihrer A380-Flotte von 14 auf maximal acht Maschinen. Die nicht mehr benötigen Superjumbos sollen an Airbus zurückgehen.

Auf dem Gelände der Flugzeug-Verwertungsfirma Tarmac Aerosave, die nahe der Provinzhauptstadt von Aragonien die Parkflächen für Airliner anbietet, stehen große und kleine Jets zahlreicher Airlines dicht gedrängt. Auch die Air France hat einen Teil der A380-Flotte in Teruel deponiert. Lufthansa hat sogar die gesamte A340-600-Flotte in Teruel geparkt.

Die bisherigen Aragón-MotoGP-Sieger:

2010: Casey Stoner (Ducati)
2011: Casey Stoner (Ducati)
2012: Dani Pedrosa (Honda)
2013: Marc Márquez (Honda)
2014: Jorge Lorenzo (Yamaha)
2015: Jorge Lorenzo (Yamaha)
2016: Marc Márquez (Honda)
2017: Marc Márquez (Honda)
2018: Marc Márquez (Honda)
2019: Marc Márquez (Honda)
2020: Alex Rins (Suzuki)

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