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Aprilia-Debakel: Der absolute Tiefpunkt ist erreicht

Von Günther Wiesinger
Aleix Espargaró: Crash in Turn 8

Aleix Espargaró: Crash in Turn 8

Bei Aprilia läuft auch 2020 alles schief. Die Kritik am Team-Management, an der Technik und der Weiterentwicklung wird imer lauter.

Aprilia kommt auch in der sechsten Saison seit der Rückkehr in die Königsklasse aus dem Schlamassel nicht heraus. Am Sonntag scheint der absolute Tiefpunkt erreicht worden zu sein. Die Managementfehler bei Aprilia nehmen unfassbare Ausmaße an, warum sich Technical Director Romano Albesiano immer noch in seiner Position halten kann, versteht allmählich kein Mensch mehr.

Allein die Vorkommnisse der letzten zwei Wochen stecken voller Ungereimtheiten. So erfuhr MotoGP-Ersatzfahrer Bradley Smith erst am Abend nach dem Teruel-GP am 25. Oktober von den englischen TV-Reportern Matt Birt und Steve Day, dass er bei den letzten drei Grand Prix vom langsamen Testfahrer Lorenzo Savadori ersetzt werde. Er selbst war vom Team nicht informiert worden – und war sprachlos. Auch nicht gerade die feine englische Art... Aprilia-Renndirektor Massimo Rivola, der im Januar 2019 von Ferrari kam, konnte bisher keine plausible Erklärung zu diesem Fahrertausch abgeben.

Selbst die Aprilia-Teammitglieder rieben sich verwundert die Augen. Denn Savadori kann nicht annähernd die Zeiten von Smith fahren, der 2018 mit der KTM in Valencia noch auf Platz 8 brauste und an einem ausfallsreichen Tag wie gestern sauber gepunktet hätte.

Doch Bradley Smith wusste, dass er 2021 keinen Platz mehr bei Aprilia hat, deshalb kritisierte er das Team in Aragón öffentlich, wie es Sam Lowes und Scott Redding in der Vergangenheit auch schon getan haben und wie es Aleix Espargaró an fast jedem Wochenende tut.

Kein Wunder, man braucht sich nur die Ergebnisse anzuschauen: In der Marken-WM hält Aprilia bei 36 Punkten. KTM, zwei Jahre später eingestiegen, hat 143 Punkte eingesammelt. Pol Espargaró (KTM) ist WM-Siebter, Bruder Aleix WM-18.

Das bedeutet: Die mit viel Pomp angekündigte neue Aprilia-RS-GP20 mit dem 90-Grad-V4-Motor ist wieder ein unzuverlässiger Rohrkrepierer. Und Aleix ist viel zu nervenschwach, um dieses Bike konstant in die Punkteränge zu kutschieren. Auch das weiß man seit Jahren. Trotzdem bekam er einen neuen 2-Jahres-Vertrag, für kolportierte 1,2 bis 1,5 Millionen im Jahr.

Beim Valencia-GP donnerte Aleix Espargaró am Freitag auf Platz 2, im Qualifying sicherte er sich Platz 6. Aber ihm wurde ein «three position grid penalty» aufgebrummt, weil er beim Verlassen der Boxengasse im Q2 die blaue Flagge missachtet hatte.

Espargaró wurde also von der zweiten in die dritte Startreihe befördert – und schmiss sein Gefährt gleich in der ersten Runde in Kurve 8 weg. Fabio Quartararo erschrak innen, griff in die Bremse – und rutschte auch weg.

In der dritten Runde crashte auch Testfahrer und Nachzügler Savadori, der im Qualifying 2,098 sec auf die Bestzeit von Pol Espargaró (KTM) verloren hat.

Freitag: Savadori von Gerloff blamiert

Die Aprilia-Truppe kam in Valencia bezüglich ihrer Fahrerwahl schon am Freitag gründlich ins Grübeln: Denn der überforderte Savadori hat in der Saison 2020 bereits 2500 Testkilometer auf der Aprilia abgespult. Trotzdem war Garrett Gerloff am Freitag in Valencia 1,5 sec schneller. Dabei kannte Rossi-Ersatz Gerloff den Circuit Ricardo Tormo nur vom Hörensagen – und saß im nassen FP1 erstmals auf einer MotoGP-Rakete!

Da hätte Aprilia besser den 49-jährigen Max Biaggi ins Rennen geschickt, der letzte Woche in Jerez noch für Aprilia an der RS-GP20 eine neue Schwinge testete, als Dani Pedrosa dort am Montag und Dienstag für KTM unterwegs war.

Aber unverständliche Fahrerentscheidungen haben bei Aprilia Tradition: Die meisten Top-Ten-Plätze wurden 2016 mit Bautista und Bradl erreicht. Trotzdem wurden damals beide Fahrer entlassen – und nie mehr gleichwertig ersetzt. Lowes und Redding erwiesen sich als gründliche Flops.

Aber die Aprilia-Verantwortlichen scheinen aus Schaden immer dümmer zu werden. Warum hält das Aprilia-Management immer noch eisern an Andrea Iannone fest, dessen Dopingsperre erst im Juni 2021 ausläuft und für dessen Verfahren seit bald einem Jahr viel Geld und Energie vergeudet wurde. Fahrer wie Cal Crutchlow lässt Aprilia hingegen zappeln, auch Dovizioso ließen sich die Italiener durch die Lappen gehen. Rätsel über Rätsel.

Richtig mysteriös wurden die Geschehnisse bei Aprilia Racing am Sonntag zwei Runden vor Rennschluss, als Savadori nach dem Crash immerhin an 15. und letzter Stelle lag. Ihm wurde nämlich eine Boxentafel mit dem rätselhaften Befehl «Box!» vor die Nase gehalten.

Auch auf elektronischem Weg wurde der Fahrer verständigt. «Ich wollte durchfahren, um Erfahrungen und Daten zu sammeln», schilderte Savadori. «Aber dann gab es einen Alarm im Dashboard, der mich zum Aufgeben zwang.»

Offensichtlich bahnte sich wieder einmal ein Motorschaden an.

Und wir wissen ja: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.

Deshalb ätzten böse Zungen danach im Fahrerlager: «Vielleicht wollte Piaggio-Präsident Roberto Colaninno das Desaster nicht mehr weiter ansehen und hat Rivola befohlen, das Trauerspiel zu beenden.»

MotoGP-Ergebnis Europa-GP, Valencia (8.11.):

1. Mir, Suzuki, 41:37,297 min
2. Rins, Suzuki, + 1,203 sec
3. Pol Espargaró, KTM, + 1,203
4. Nakagami, Honda, + 2,194
5. Oliveira, KTM, + 8,046
6. Miller, Ducati, + 8,755
7. Binder, KTM, + 10,137
8. Dovizioso, Ducati, + 10,801
9. Zarco, Ducati, + 11,550
10. Petrucci, Ducati, + 16,803
11. Morbidelli, Yamaha, + 17,617
12. Bradl, Honda, + 24,350
13. Viñales, Yamaha, + 25,403
14. Quartararo, Yamaha, + 39,639

Stand Fahrer-WM nach 12 von 14 Rennen:

1. Mir, 162 Punkte. 2. Quartararo 125. 3. Rins 125. 4. Viñales 121. 5. Morbidelli 117. 6. Dovizioso 117. 7. Pol Espargaró 106. 8. Nakagami 105. 9. Miller 92. 10. Oliveira 90. 11. Petrucci 77. 12. Binder 76. 13. Zarco 71. 14. Alex Márquez 67. 15. Rossi 58. 16. Bagnaia 42. 17. Lecuona 27. 18. Aleix Espargaró 27. 19. Crutchlow 26. 20. Bradl 16. 21. Smith 12. 22. Rabat 10. 23. Pirro 4.

Konstrukteurs-WM nach 12 von 14 Rennen:

1. Suzuki 188. 2. Ducati 181 Punkte. 3. Yamaha 163. 4. KTM 159. 5. Honda 130. 6. Aprilia 36.

Team-WM nach 12 von 14 Rennen:

1. Team Suzuki Ecstar, 287 Punkte. 2. Petronas Yamaha SRT 205. 3. Ducati Team 194. 4. Red Bull KTM Factory Racing 182. 5. Monster Energy Yamaha MotoGP 159. 6. Pramac Racing 138. 7. LCR Honda 131. 8. Red Bull KTM Tech3, 117. 9. Repsol Honda Team 83. 10. Esponsorama Racing 81. 11. Aprilia Racing Team Gresini 39.

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