Stefan Pierer (KTM): Warum Ducati-Kauf nicht klappte
Am 7. Dezember 2017 sorgte der KTM-Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer in einem Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com weltweit für Schlagzeilen, als er erstmals ankündigte, er sei an der Übernahme des italienischen Motorradherstellers Ducati interessiert, der fünf Jahre vorher von der VW Gruppe unter Ferdinand Piëch gekauft worden war – für ca. 730 Millionen Euro. Innerhalb der VW Gruppe wurde Ducati damals als Sportmotorradhersteller der Audi Group zugeteilt, zu der auch Lamborghini gehört.
Stefan Pierer hat immer wieder versichert, er werde mit seinen Marken KTM, Husqvarna und GASGAS keine Motorräder mit mehr als zwei Zylindern bauen. «Um einen Dreizylinder anbieten zu können, müsste Triumph zu unserer Gruppe kommen, was ich ausschließe, so sehr sich mein indischer Partner Bajaj darum bemüht.»
Pierer ließ immer wieder durchblicken, Vierzylinder-Bikes könnten für das österreichische Werk eines Tages durch einen Kauf von Ducati ein Thema werden. Er betonte: «Ducati wird unter Druck kommen. Die ganzen neuen Herausforderungen wie Digitalisierung und E-Mobilität, neue Abgasnormen, das kann ein so kleiner Hersteller wie Ducati allein auf Dauer nicht bewältigen.»
Deshalb nahm Pierer, der mit seinem Konzern Pierer Mobility AG im Frühjahr 2020 den spanischen Hersteller GASGAS zu 100 Prozent gekauft hat, immer wieder Ducati ins Visier für eine Übernahme.
In den letzten Tagen wurde in Italien kolportiert, die Pierer Mobility AG stehe kurz vor der Übernahme der Ducati Motor Holding und der Rennabteilung Ducati Corse.
Doch Stefan Pierer dementierte alle diesbezüglichen Meldungen heute im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. Er bestätigte aber die Verghandlungsgepräche. «Die sind im November und Dezember 2020 über die Bühne gegangen. Die Familien Piëch und Porsche verkaufen nicht, auch die dritte Generation nicht. Da spielt vielleicht auch die Eitelkeit eine Rolle.»
Der VW-Vorstandsvorsitzende Dr. Herbert Diess, ein Österreicher, der in der Vergangenheit Geschäftsführer von BMW Motorrad war und ein guter Bekannter von Pierer ist, wollte die Marken Lamborghini und Ducati verkaufen. Doch die Eigentümer untersagten dieses Vorhaben. «Der Kauf von Ducati ist jetzt vom Tisch», versicherte Pierer heute am Nachmittag.
Gilt diese Entscheidung für immer? «Sag' niemals nie. Das habe ich auch schon gelernt in unserer Branche», entgegnete Pierer, dessen Interesse an lukrativen Zukäufen weiter wach bleiben wird.
Ducati galt schon in den letzten zwei, drei Jahren immer wieder als Übernahme-Kandidat, denn der Edel-Hersteller aus der Motorradbranche passte nie wirklich ins Portfolio von Volkswagen.
Pierer hat deshalb immer wieder den Kontakt zu VW und Audi gesucht, um seine Firmengruppe eines Tages mit dem Schmuckstück Ducati zu erweitern. Pierer: «Ducati ist der Ferrari der Motorradbranche.»
Die Pierer Mobility AG hat sich längst zum größten Motorradhersteller Europa gemausert. 2020 wurde das zehnte Rekordjahr in Serie verzeichnet. Es wurden trotz der Coronakrise 270.407 Motorräder verkauft, dazu fast 100.000 Elektro-Fahrräder der Marken R-Raymon und Husqvarna. Insgesamt hat das Unternehmen im Vorjahr 1530 Millionen Euro umgesetzt.
Stefan Pierer (64) kündigte gegenüber SPEEDWEEK.com schon vor mehr als drei Jahren an: «2022 wollen wir mehr als 400.000 Motorräder verkaufen und nach Honda und Yamaha der drittgrößte Sportmotorradhersteller der Welt werden.»
KTM und Ducati sind in der MotoGP-WM erbitterte Gegner. Kürzlich wurden bei der Dorna von beiden Herstellern neue Fünf-Jahre-Verträge bis Ende 2026 unterzeichnet. Ducati hat in der Königsklasse 2007 die Fahrer-WM mit Casey Stoner gewonnen und 2020 die Konstrukteurs-WM. Dazu hat Ducati in der Superbike-WM 17 Marken-WM-Titel und 14 Fahrer-WM-Titel für sich entschieden.
KTM hat bisher 311 Weltmeistertitel errungen und bei der Dakar-Rallye bis 2019 ingesamt 18 Mal hintereinander triumphiert. Seit 2003 ist der ehemalige Offroad-Spezialist KTM (Slogan: «Ready to Race») auch im internationalen Straßenrennsport erfolgreich – zuerst in den Zweitakt-GP-Klassen 125 und 250 ccm, dann seit 2012 in der Moto3, seit 2017 in der Moto2 und MotoGP.
Stefan Pierer, der das KTM-Werk nach der Pleite 1992 mit 150 Beschäftigen und 6000 verkauften Motorrädern übernahm und jetzt ca. 5000 Mitarbeitende beschäftigt, hat längst auch WP Suspension (500 Mitarbeiter) gekauft. 2012 hat er Husqvarna (von BMW) übernommen. Während beim Husky-Verkauf von MV Agusta an BMW ein Preis zwischen 50 bis 100 Millionen Euro kolportiert wurde, erhielt Pierer die schwedische Tradtionsmarke kostenlos. «Wir haben für die Übernahme sogar Geld bekommen», räumte er einmal ein.
Pierer ist ein Mann mit Visionen. Er hat den Absatz bei Husqvarna innerhalb von acht Jahren von 6000 auf fast 50.000 Exemplare erhöht.
«Als ich 1992 bei der Übernahme von KTM neu ins Offroad-Motorradgeschäft eingestiegen bin, war die Marke Husqvarna für mich die Benchmark. Ich habe bald erkannt, dass die Automobilindustrie oft eine Vorreiterrolle für die Motorradbranche spielt», sagt Stefan Pierer. «Als die Volkswagengruppe mit all ihren Marken die Plattformstrategie entwickelt hat, habe ich das als Vorbild gesehen. Wir haben 2012 Husqvarna gekauft, als uns unsere Freunde von BMW um Hilfe gebeten haben. Es gab damals viele kritische Stimmen. Man hat uns nachgesagt, wir würden uns damit nur Probleme aufhalsen. Aber wir wussten dank VW, wie es geht, wir haben uns drüber getraut. Heute werden zwar Motoren und Fahrwerke teilweise identisch für alle drei Marken gebaut, aber im Haus bei uns wird nicht gegeneinander gearbeitet. Imzwischen können wir unter einem Dach inklusive GASGAS drei Marken anbieten und dadurch die Kundenfrequenz erhöhen.»
«Ich habe eine emotionale Beziehung zu Ducati», versicherte der KTM-Vorstandsvorsitzende Pierer in den letzten Jahren immer wieder. «Ducati ist Ducati, daran gibt es nichts zu rütteln. Die einzige Marke, die noch zu uns passen würde, ist Ducati. Alles andere kannst du vergessen. MV Agusta ist zu klein.»
Übrigens: KTM rüstet die X-bow-Sportwagen seit Jahren mit Audi-Motoren aus.
Die VW-Gruppe hat 2011 rund 740 Millionen Euro für Ducati bezahlt. Zuletzt war sogar von Kaufangeboten in der Höhe von 1,5 Milliarden Euro zu hören. Liesse sich so ein Betrag jemals erwirtschaften?
Pierer: «Ich habe immer vermutet, dass Audi durch die Dieselaffäre und die Milliarden-Investitionen für die E-Mobilität bald andere Prioritäten haben könnte als das Betreiben eines Motorradwerks. Wie gesagt: Ducati ist der Ferrari der Motorradbranche. So eine Marke in unserer Gruppe zu haben, wäre natürlich interessant. Es ist keine Frage des Preises, sondern es geht um das Thema: Wann realisiert jeder, in welcher Situation er sich befindet? Es kommen neue Herausforderungen bei der Homologation auf uns zu. Wir haben zum Beispiel Euro5. Im Jahr 2024 kommt das Thema Lärm dazu. Es geht auch im die demografische Entwicklung in Europa. Man muss heute mit dem Motorradgeschäft nach Asien gehen, nach Indien. Wenn du dort nicht erfolgreich bist, bist du irgendwann weg. Es geht bei Ducati nicht um den Kaufpreis, sondern um die Frage: ‚Wie kann ich gemeinsam stärker werden?‘ Kommt Zeit kommt Rat.»