MotoGP: VR46-Team ist nicht einverstanden

Pit Beirer (KTM): «Unsere Fahrer waren machtlos»

Von Günther Wiesinger
KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer deckt die Schwächen von KTM in Katar schonungslos auf. «Unser Hinterreifen war im Rennen jeweils nach 10 Runden niedergemetzelt.»

Nach den drei Siegen von Brad Binder (Brünn) und Miguel Oliveira (Spielberg-2 und Portimão) im Vorjahr und den fünf dritten Plätzen von Pol Espargaró hat der KTM-Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer und Vorstand Hubert Trunkenpolz die Latte für die Saison 2021 hoch gelegt. Sie erwarten, dass KTM beim Titelkampf ein Wörtchen mitredet. Pit Beirer, Motorsport-Direktor von KTM, gab sich im Winter eine Spur bescheidener. «Pol Espargaró hat 2020 den dritten WM-Rang nur um 4 Punkte verpasst. Also dürfen wir uns für die kommende Saison Chancen auf die Top-3 ausrechnen», kündigte er im Dezember an.

Doch die beiden Wettkämpfe auf dem Losail Circuit entpuppten sich für KTM als kalte Dusche. Die vier Piloten brachten nur 14 WM-Punkte heim – Binder 10, Oliveira 4. Binder liegt als bester KTM-Pilot in der WM an zwölfter Stelle.

«Es wäre jetzt zu einfach, wenn wir uns die Ausrede suchen, dass der Losail Circuit noch nie gut zu unserem Motorrad gepasst hat», sagt KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer im Interview mit SPEEDWEEK.com. «Wir haben uns definitiv schwerer getan haben, als wir uns das erhofft haben. Wir haben keinen Testtag gehabt, an dem wir am Abend sagen konnten wir waren zufrieden. Wir sind dann mit den Schwierigkeiten, die uns an den vier Testtagen begleitet haben, ins erste Rennen gestartet. Wir haben dann erst für den zweiten Grand Prix ein paar gravierendere Änderungen vorgenommen, die uns geholfen haben.»

Bei diesem «Tissot Grand Prix of Doha» am 4. April brauste Brad Binder immerhin vom 18. Startplatz auf Rang 8. Und Teamkollege Oliveira flitzte nach einen Superstart auf Platz 4 vor, ehe sein Dashboard schwarz wurde und er an die 15. Position zurückfiel.

«Wenn man sich die Rückstände vom zweiten Rennen anschaut, kann man sagen, wir haben für den zweiten WM-Lauf einiges gelernt», betont Pit Beirer. «Wir sind jetzt schon extrem motiviert für den Katar-GP 2022. Denn wir wollen diese Piste jetzt zu unserer Strecke machen. Es kann nicht mehr der Anspruch sein zu sagen, in Katar funktioniert unser Motorrad nicht. »

Die Fahrer sind sich einig, dass die Bremsstabilität zu den Stärken der KTM RC16 zählt, doch auf der flüssigen Strecke im Mittleren Osten war diese Stärke nicht gefragt. KTM brachte zwar eine ansehnliche Rennpace zustande, litt aber über eine einzelne Runde, weil der weiche Hinterreifen nicht auf Temperatur gebracht werden konnte.

Beirer: «Für uns war Losail schwierig, weil wir unsere Stärken haben, wenn man vor einer Kurve extrem und hart bremsen und das Motorrad dann rasch umlegen muss. Diese Art von Kurven gibt es in Doha nicht. In den schnellen Kurven, in die man nicht so stark reinbremst, dort sind wir im Turning einfach zu schlecht. Wir sind zu lang auf der Reifenflanke und stellen unser Motorrad zu spät auf. Dadurch fehlt der nötige Vortrieb beim Beschleunigen, den du brauchst. Wenn du in jeder Kurve ein Zehntel verlierst, dann summiert sich das auf einer langen Strecke wie Losail mit 16 Kurven.»

Beirer weiter: «Gott sei Dank haben wir vier Fahrer, dadurch haben wir unter der Woche nach dem ersten Grand Prix in die Daten schauen können und verstanden, warum wir am ersten Wochenende überhaupt nicht konkurrenzfähig waren. Wir konnten die Situation für den zweiten WM-Lauf etwas verändern. Aber wir wissen jetzt: Wir sind in den langgezogenen Kurven zu lange in Schräglage und stellen das Motorrad zu spät auf. Das ist eine Schwachstelle, an der wir arbeiten müssen. Dazu haben wir den Soft-Reifen, der für alle Fahrer in Katar erste Wahl war, in zehn Runden niedergemetzelt. Die Rennen gingen aber über 22 Runden. Die Fahrer waren im zweiten Teil des Rennens definitiv machtlos. Man sieht an den Daten, dass die Motorrad-Performance mit den abbauenden Reifen eindeutig schlechter geworden ist. Die Fahrer haben uns echt leid getan. Sie konnten nach zehn Runden keine Gegenwehr mehr leisten.»

Warum wurden die Erkenntnisse zur radikalen Veränderung nicht schon nach den ersten vier Testtagen getroffen? «Es ist grundsätzlich nicht einfach, wenn man wegen der Corona-Situation ausnahmsweise nur eine Winter-Teststrecke hat und du als Hersteller mit diesem Circuit sowieso Schwierigkeiten hast. Wir sind in eine Sackgasse gelaufen und haben für den ersten Grand Prix das richtige Rezept nicht gefunden. Wenn du die Probleme nach vier Testtagen nicht erfolgreich umdrehst, macht sich im Team Enttäuschung breit.»

«Nach dem ersten GP-Wochenende war der Druck so groß, dass wir gesagt haben: 'Wir müssen jetzt einen radikaleren Ansatz wählen.' Wir haben danach beim Set-up größere Schritte gemacht, und genau die waren es, die uns eine neue Türe aufgeschlossen haben. Aber das kann natürlich nicht der Plan für die Zukunft sein, denn wir werden in dieser Saison nicht vor jedem Grand Prix vier Testtage und dann zwei Rennen hintereinander haben. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass wir beim zweiten Rennen stärker werden, weil keine Doppel-Events mehr geplant sind. Wir kommen in Europa in einen anderen Renn-Rhythmus und müssen am Freitag in den freien Trainings besser loslegen. Wir müssen schon am Freitagvormittag schnell sein und nicht erst am Sonntagnachmittag.»

Bei den Tests und Trainings in Katar kam erschwerend dazu, dass am helllichten Tag keine sinnvollen Erkenntnisse für das Quali- oder Renn-Set-up gefunden werden konnten, weil Grip und äußere Verhältnisse ganz anders waren als zur Startzeit des Q1 oder Rennens.

«Wir reden hier von einer Weltmeisterschaft auf allerhöchstem Niveau», gibt Beirer zu bedenken. «Und dazu kamen die Fahrer extrem unter Druck. Sie kamen dreieinhalb Monaten mit ihren Arbeitsgeräten nicht in Berührung. Dann ging in Doha das Licht an – und sie mussten liefern. Dabei brauchen die Fahrer nach der Winterpause zwei, drei Tage, um ihr Gefühl wieder neu aufzubauen. Deshalb bekamen wir an den ersten Tagen nicht die Aussagen, die wir gebraucht hätten, um das Motorrad zu entwickeln und optimal abzustimmen. Jeder Motocross-WM-Fahrer trainiert vor dem Saisonstart mindestens 40 Tage auf seinem Motorrad, bevor er sich traut, damit einen WM-Lauf zu fahren. Für unsere Fahrer war nach drei, vier Testtagen bereits ‚show time’. Wir sind bei KTM im fünften Jahr nach wie vor auf einer dünnen Eisdecke unterwegs. Wenn etwas nicht passt, brauchen wir zu lange, bis wir die optimale Lösung beieinander haben. Aber wir haben dann gesehen: Wir haben alle Teile in unseren Werkzeugkisten dabei gehabt, die wir gebraucht haben. Aber die Zeit rennt so schnell runter. Das Zeitfenster, das optimale Rundenzeiten erlaubt, ist in Doha sehr klein. Du hast pro Tag eine Stunde, in denen du gute Zeiten erzielen kannst. Vorher ist es zu warm, danach ist es zu kühl, deshalb stürzen dann so viele Fahrer in diesem ominösen Turn 2, weil der Reifen auf der linken Seite zu kalt ist.»

Und in einem 45 Minuten langen GP-Training lässt sich sowieso nicht mehr viel testen. «In Katar hat das FP2 am Freitag schon für den direkten Einzug ins Q2 gezählt, weil es im FP3 zu heiß war», gibt Beirer zu bedenken. «Man konnte also am Freitag nicht viel probieren. Da mussten die Fahrer sofort ihre beste Option am Bike zusammenstecken und versuchen, eine Rundenzeit zu drücken. Da waren wir nicht gut genug. Aus. Amen. Fertig! Da gibt‘s überhaupt nichts schönzureden. Das müssen wir besser hinkriegen.»

Ergebnisse MotoGP-Rennen Katar, 4. April 2021:

1. Fabio Quartararo, Yamaha, 42:23,997 min
2. Johann Zarco, Ducati, +1,457 sec
3. Jorge Martin, Ducati, +1,500
4. Alex Rins, Suzuki, +2,088
5. Maverick Viñales, Yamaha, +2,110
6. Pecco Bagnaia, Ducati, +2,642
7. Joan Mir, Suzuki, +4,868
8. Brad Binder, KTM, +4,979
9. Jack Miller, Ducati, +5,365
10. Aleix Espargaró, Aprilia, +5,382
11. Enea Bastianini, Ducati, +5,550
12. Franco Morbidelli, Yamaha, +5,787
13. Pol Espargaró, Honda, +6,063
14. Stefan Bradl, Honda, +6,453
15. Miguel Oliveira, KTM, +8,928
16. Valentino Rossi, Yamaha, +14,246
17. Takaaki Nakagami, Honda, +16,241
18. Luca Marini, Ducati, +16,472
19. Danilo Petrucci, KTM, +16,779
20. Lorenzo Savadori, Aprilia, +38,775
– Alex Márquez, Honda, 10 Runden zurück
– Iker Lecuona, KTM, 10 Runden zurück

Stand Fahrer-WM nach 2 von 19 Rennen:

1. Zarco, 40 Punkte. 2. Quartararo 36. 3. Viñales 36. 4. Bagnaia 26. 5. Rins 23. 6. Mir 22. 7. Martin 17. 8. Aleix Espargaró 15. 9. Miller 14. 10. Pol Espargaró 11. 11. Bastianini 11. 12. Binder 10. 13. Bradl 7. 14. Rossi 4. 15. Morbidelli 4. 16. Oliveira 4. 17. Marini 0. 18. Lecuona 0. 19. Nakagami 0. 20. Savadori 0. 21. Petrucci 0.

Stand Marken-WM:

1. Yamaha, 50 Punkte. 2. Ducati 40. 3. Suzuki 26. 4. Aprilia 15. 5. KTM 11. 6. Honda 11.

Stand Team-WM:

1. Monster Energy Yamaha, 72 Punkte. 2. Pramac Ducati 57. 3. Suzuki Ecstar 45. 4. Ducati Lenovo 40. 5. Repsol Honda 18. 6. Aprilia Gresini 15. 7. Red Bull KTM 14. 8. Esponsorama Ducati 11. 9. Petronas Yamaha SRT 8.

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