Valentino Rossi leidet: Der tiefe Fall des Superstars
Valentino Rossi will beim Italien-GP in Mugello am kommenden Wochenende bekanntgeben, ob sein Sky VR46-MotoGP-Rennstall künftig mit Ducati- oder mit Yamaha-Bikes antreten wird. Außerdem muss der 115-fache GP-Sieger und neunmalige Weltmeister wohl nach den drei Juni-Rennen in Catalunya, auf dem Sachsenring und in Assen entscheiden, ob er 2022 eine weitere MotoGP-Saison als Rennfahrer anhängt. Notfalls könnte er ja in seinem eigenen Team fahren, falls ihn Petronas-Yamaha loswerden will.
Vorläufig sieht es ganz danach aus, als habe Rossi den rechtzeitigen Abschied als Rennfahrer verpasst. Schon seit 2017 haben ihn bei Yamaha immer wieder Markenkollegen wie Folger, Zarco, Viñales, Quartararo und Morbidelli übertrumpft.
Rossi tischte für seine mangelhaften Leistungen wechselnde Erklärungen und Ausreden auf. Zuerst wurde das angeblich reifenfressende Chassis verdächtigt und im Wochentakt ausgetauscht, dann die im Vergleich zu Honda und Ducati nicht fachgemäß betreute Elektronik für schuldig befunden, zwischendurch wurde wieder einmal der Crew-Chief gewechselt. Nachher wurde der Reihenmotor beschuldigt, Nachteile gegenüber den V4-Triebwerken zu haben. Doch diese fadenscheinige Begründung verstummte im Herbst 2020, denn Suzuki zauberte die Fahrer Joan Mir und Alex Rins mit so einem Motoren-Konzept auf die WM-Ränge 1 und 3.
Nach der Saison 2020 wurde Rossi von Yamaha ins Petronas-Kundenteam abgeschoben. Dort muss er auf zwei Techniker verzichten, die seit der ersten Honda-Saison im Jahr 2000 mit ihm gearbeitet haben. Denn Mark Elder und Bernie Ansiau blieben, um Fabio Quartararo zu unterstützen, nur Crew-Chief David Munoz und Matteo Flamigni (Data Recording Engineer) begleiteten ihn zu Petronas.
Fakt ist: Rossi hat seine größten MotoGP-Erfolge in der Phase des Reifenkriegs erzielt. Damals haben Michelin und danach Brigdestone die Reifen auf seine Bedürfnisse maßgeschneidert.
Seit 2016 liefert Michelin die MotoGP-Einheitsreifen, gleichzeitig setzt Marc Márquez seit 2013 neue Maßstäbe in Sachen Fahrkönnen, Trainingseifer und Risikobereitschaft. Seither gehört die Überlegenheit Rossis der Vergangenheit an, auch wenn er in Sepang 2018 und Texas 2019 fast gewonnen hätte. Doch er brachte die Führung dort nicht ins Ziel. In Malaysia stürzte er unter dem Druck von Márquez, in Austin verspielte Vale den Sieg vor zwei Jahren im Finish um 0,4 sec gegen Rins und Suzuki.
Rossi seit Assen 2017 ohne Sieg
Ein Blick auf die Statistik der letzten Jahre und vor allem auf die letzten 13 Grand Prix präsentiert ein verheerendes Bild. Valentino Rossi hat in dieser Phase nur drei zwölfte Plätze eingeheimst und dazu Rang 11 im Regen von Le Mans – also 17 Punkte. In der WM-Tabelle 2021 ist er mit neun Punkten auf den erbärmlichen 19. Rang abgerutscht.
Klar, dreimal hat Rossi im Herbst wegen seiner Corona-Infektion gefehlt. Trotzdem lässt sich nichts mehr beschönigen. Seit dem dritten Platz in Jerez im Juli 2020 wird die Karriere des Superstars von Pleiten, Pech und Pannen geprägt.
Und beim Spielberg-GP im August 2020 ging der Yamaha-Star knapp an einer Katastrophe vorbei, als die M1 seines Schützlings Franco Morbidelli im Turn 3 knapp an seinem Kopf vorbeiflog.
Kein Wunder, wenn Rossi angesichts dieser Misere noch gern ein Jahr weitermachen und sich rehabilitieren möchte. Wobei er die Hoffnung auf den ersten Titelgewinn seit 2009 wohl längst abgeschrieben hat.
Hier ein paar Fakten aus der trostlosen Statistik Rossis aus der jüngsten Vergangenheit:
– 17 Punkte aus den letzten 10 bestrittenen Rennen.
– 1 Podestplatz seit 33 Rennen.
– Kein Sieg seit 63 WM-Läufen, genau genommen seit dem 25. Juni 2017 in Assen.
– Beim Jerez-GP 2021 passierte es Rossi erst zum fünften Mal in seiner GP-Karriere (bisher 419 GP-Teilnahmen), dass er außerhalb der Punkteränge ins Ziel kam. Er traf auf Platz 16 hinter Bruder Luca Marini ein.
– In Doha-2 musste Rossi mit Startplatz 21 das schlechteste Quali-Ergebnis seiner ganzen GP-Karriere hinnehmen, die 1996 in Shah Alam begonnen hat.
– Die Quali-Ergebnisse des 41-jährigen Italieners 2021: 4, 21, 17, 17 und 9. Zur Erinnerung: Platz 4 beim ersten Katar-GP erreichte Rossi im Schlepptau seines Schützlings Pecco Bagnaia.
– Seit dem vierten Platz in Misano am 13. September 2020 hat Rossi kein Top-Ten-Ergebnis mehr erzielt. Damals verlor er nur 2,643 sec auf Sieger Franco Morbidelli.
Am kommenden Woche kämpft Valentino Rossi quasi in seinem Wohnzimmer um WM-Punkte – im Autodromo Internazionale del Mugello. Vielleicht gelingt ihm dort wieder ein Durchbruch an die Weltspitze. Es geht ja oft nur um ein paar Zehntelsekunden, die fehlen. Und immerhin hat Rossi in der Toskana ab 2002 sieben Mal hintereinander triumphiert.
Aber der letzte Mugello-Triumph der Nummer 46 ist lange her – er gelang 2008.
Die Bilanz von Rossi in der Königsklasse
2000: WM-2. auf Honda 500, 209 Punkte, zwei GP-Siege
2001: WM-1. auf Honda 500, 325 Punkte, elf Siege
2002: WM-1. auf Honda 990, 355 Punkte, elf Siege
2003: WM-1. auf Honda 990, 357 Punkte, neun Siege
2004: WM-1. auf Yamaha 990, 304 Punkte, neun Siege
2005: WM-1. auf Yamaha 990, 367 Punkte, elf Siege
2006: WM-2. auf Yamaha 990, 247 Punkte, fünf Siege
2007: WM-3. auf Yamaha 800, 271 Punkte, vier Siege
2008: WM-1. auf Yamaha 800, 373 Punkte, neun Siege
2009: WM-1. auf Yamaha 800, 306 Punkte, sechs Siege
2010: WM-3. auf Yamaha 800, 233 Punkte, zwei Siege
2011: WM-7. auf Ducati 800, 139 Punkte, kein Sieg
2012: WM-8. auf Ducati 1000, 163 Punkte, kein Sieg
2013: WM-4. auf Yamaha 1000, 237 Punkte, ein Sieg
2014: WM-2. auf Yamaha 1000, 295 Punkte, zwei Siege
2015: WM-2. auf Yamaha 1000, 325 Punkte, vier Siege
2016: WM-2. auf Yamaha 1000, 249 Punkte, zwei Siege
2017: WM-5. auf Yamaha 1000, 208 Punkte, ein Sieg
2018: WM-3. auf Yamaha 1000, 198 Punkte, kein Sieg
2019: WM-7. auf Yamaha 1000, 174 Punkte, kein Sieg
2020: WM-15. auf Yamaha 1000, 66 Punkte, kein Sieg
2021: WM-19. auf Yamaha 1000, 9 Punkte, kein Sieg