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Assen-GP: Warum mit der Tradition gebrochen wurde

Von Günther Wiesinger
Der TT Circuit Assen, für viele das Mekka des Motorradsports

Der TT Circuit Assen, für viele das Mekka des Motorradsports

An diesem Wochenende findet die 90. Dutch-TT statt. Traditionell fanden die Rennen in Assen stets am letzten Samstag in Juni statt. Erst seit 2016 wird wie überall sonst von Freitag bis Sonntag gefahren.

Seit 2016 wird die Dutch-TT am Sonntag ausgetragen, damit verlor Assen eine Ausnahmestellung im Kalender, man hat sich angepasst und tanzt nicht mehr aus der Reihe.

Das kam einer Revolution gleich. Das ist so ähnlich, als würde man in Wimbledon plötzlich auf Sand Tennis spielen. Oder als würde man die Rallye Monte Carlo plötzlich im Sommer austragen.

Jetzt stehe die Welt nicht mehr lange, hiess es, als der Renntag der Dutch-TT in Assen/NL vom traditionellen letzten Samstag im Juni auf den Sonntag verlegt wurde.

Jahrelang sprachen die Fahrer immer vom ersten Freitag-Training, obwohl es am Donnerstag stattfand. Manche TV-Zuschauer schalteten versehentlich erst am Sonntag ein. Und manchmal kam ein Sponsor voller Vorfreude am Samstagabend in Assen an, um dann festzustellen: Der Grand Prix war schon vorbei.

Bei der Dutch-TT wurden also jahrzehntealte Traditionen auf den Kopf gestellt.

Assen: 2015 wurde die Tradition beerdigt

An diesem Wochenende wird die Dutch-TT in Assen also zum fünften Mal von Freitag bis Sonntag stattfinden. Fahrer, Teammanager, Mechaniker, Journalisten und Fans wurden im Juni 2015 von dieser Absicht überrascht – und waren ein bisschen sprachlos.

Seit 1949 wurde in Assen immer am letzten Juni-Samstag um die Wette gefahren. Der Pfarrer in einer einst an der Strecke gelegenen Kirche habe anfangs den Samstag als Renntermin durchgesetzt, erzählt man sich, weil er am Sonntag die Messe zelebrieren musste – und sich am Samstag unbedingt die Rennen anschauen wollte.

Vor sechs Jahren haben die Assen-GP-Promoter Arjan Bos (Vorsitzender der Stichting Circuit van Drenthe) und Direktor Peter Oosterbaan auf sanften Druck von Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta beschlossen, den traditionellen Termin auf den Sonntag zu ändern.

Die Niederländer haben alle Für und Wider gewissenhaft geprüft und abgewogen. Danach hat der TT-Vorstand entschieden, den MotoGP-Event auf dem Sonntag zu verschieben. Der Veranstalter ging davon aus, dass die Vorteile überwiegen werden und der Zukunft der Dutch-TT mit diesem taktischen Manöver am meisten gedient ist.

«Sieben Jahre lang habe ich dem Veranstalter in Assen nahelegt, die Rennen am Sonntag statt am Samstag auszutragen», verriet Carmelo Ezpeleta bei der Dutch-TT 2017 gegenüber SPEEDWEEK.com. «Aber sie haben sich immer mit dem Argument der Tradition dagegen gesträubt. Ich habe erwidert: Die Zeiten haben sich geändert, viele Menschen haben für Samstag andere Pläne. Erst für 2016 haben die Niederländer eingewilligt. Und was ist passiert? Der Grand Prix war ausverkauft.»?

Am Rennsonntag 2016 erschienen in Assen 105.000 Zuschauer. Das waren trotz des nicht gerade einladenden Wetters 10.000 mehr als 2015, als die Rennen noch am Samstag gefahren wurden.

Egbert Braakman, jahrzehntelang Rennsekretär der Stichting Circuit van Drenthe, legte uns die genauen Zahlen vor. «Am Renntag 2016 wurden 105.000 Zuschauer gemeldet. Davon haben rund 91.000 eine Eintrittskarte bezahlt.»

Jaap Timmer, jahrelang Promoter der Dutch-TT, im Hauptberuf Opel-Händler, nebenbei Vorsitzender der FIM Road Racing Commission (CCR) und im Frühjahr 2017 verstorben, erinnerte sich 2016 noch an die allerbesten Zeiten.

«1982 hatten wir am Renntag hier 142.000 Zuschauer. Aber damals war die Strecke mehr als 8 km lang. Auf der heutigen 4,5-km-Piste würden wir so viele Fans gar nicht mehr unterbringen.»

Andere TT-Haudegen behaupten, beim 125-ccm-GP-Sieg 1989 von Hans Spaan hätten sogar 148.000 Zuschauer Eintritt bezahlt.

In den Niederlanden steht die Dutch-TT quasi unter Denkmalschutz.

Aber durch die Verschiebung des Rennens auf den Sonntag rechneten die TT-Veranstalter mit steigenden Zuschauerzahlen. Tatsächlich wurde der bedauerliche Abwärtstrend gestoppt. Bei der bisher letzten Dutch-TT vor zwei Jahren wurden am Renntag 105.000 Zuschauer gezählt. Dass in diesem Jahr nur 11.500 Fans pro Tag auf die Tribünen dürfen, ist den Corona-bedingten Einschränkungen geschuldet.

So wie die Menschen heute ihre Freizeit gestalten, bestehen am Sonntag mehr Aussichten für den Besuch einer Motorsportveranstaltung als am Samstag. Am Sonntag haben die meisten Geschäfte zugesperrt. Und wenn man die Trainings am Freitag und Samstag durchführt, müssen die Besucher für den Trip nach Assen weniger Urlaubstage opfern. Die TT wird dadurch attraktiver für einen Mehr-Tages-Ausflug, der Verkauf von Weekend-Tickets sollte steigen, meinen die Veranstalter.

Die TT-Promter brauchen mehr Einnahmen

Die Entscheidung für den Sonntag wurde von den Niederländern aus der Not geboren. Die Anzahl der Motorrad-GP rund um die Welt ist limitiert, und die Dutch-TT kann nur dauerhaft überleben, wenn die Besucherzahlen stimmen. Der TT-Vorstand rechnete mit fünf bis zehn Prozent mehr Besuchern in der Saison 2016, als auf der Traditionsrennstrecke erstmals am Sonntag WM-Punkte vergeben wurden. Und die Hoffnungen haben sich bewahrheitet. Diese Zusatzeinnahmen werden nötig sein, um die ständig steigenden Dorna-Gebühren, andere operative Kosten und Investitionen bezahlen zu können, hieß es damals in Assen.

Die Verlegung der Rennen auf den letzten Sonntag im Juni passt auch besser zu den restlichen MotoGP-Rennen, die alle am Sonntag bestritten werden. «Wir werden mit der Tradition des letzten Juni-Wochenendes nicht brechen. Und wir betrachten die Verlegung vom Samstag auf den Sonntag als Fortführung einer Tradition – mit einer kleinen modernen und unerwarteten Wendung», schmunzeln die listigen Dutch-TT-Promoter, die ihren Grand Prix seit 1949 als Fixpunkt im Kalender wissen. Nur 2020 fiel der Assen-GP der Corona-Pandemie zum Opfer.

Keine andere Motorrad-GP-Rennstrecke hat so viel Tradition.
Als Bernie Ecclestone für die Saison 1992 nach der Entmachtung der FIM ein Jahr lang den GP-Kalender ausheckte, musste er den sturen Niederländern finanzielle Zugeständnisse machen. «Denn ein GP-Kalender ohne Assen ist wie eine Hochzeit ohne Braut», sagten die Dutch-TT-Promoter damals selbstsicher.

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