Das Ducati-Taxi ist zurück, aber ohne Mamola
2019 war das letzte Jahr, in dem Randy Mamola den Ducati-Zweisitzer regelmäßig steuerte
Randy Mamola hat 13 Halbliter-GP gewonnen, aber nie eine Weltmeisterschaft. Er fuhr in der 500-ccm-WM für Werksteams wie Heron Suzuki, für Lucky Strike Yamaha, Rothmans Honda und Cagiva, er kämpfte gegen alle Stars von Roberts über Sheene bis zu Lawson und Rainey.
Auch danach schwang sich der Kalifornier noch jahrelang bei fast jedem Grand Prix in den Sattel – auf dem Zweisitzer von Ducati. Und es machte ihm stets Spaß.
«Natürlich macht man sich in meinem Alter manchmal Gedanken», räumte Randy einmal ein. «Aber wenn ich dann im November, Dezember, Januar und Februar nicht fahre und dann in Katar fünf Runden zur Eingewöhnung bekomme, beginnen meine Augen spätestens in der dritten Runde zu leuchten. Weil mir diese Desmosedici mit all der Power, mit diesem High-Tech auf hohem Niveau, und der modernen Elektronik so enorm viel Freude macht», berichtet er. «Und noch mehr Freude habe ich, wenn ich meine Passagiere begeistern kann, ob es VIPs sind oder einfach Gäste, das spielt dabei keine Rolle.»
Dann griff Randy in die Hosentasche und holte sein Mobiltelefon heraus. Er zeigte ein kurzes Video vom Silverstone-GP 2017: Er macht nach der fliegenden Runde ein Stoppie und fährt fast 150 Meter auf dem Vorderrad, der Allerwerteste des Mitfahrers hat keinen Kontakt zur Sitzbank, er plumpst erst nach dem Abbremsen wieder wuchtig zurück in den Sitz.
Ducati baut jedes Jahr ein neues Zweisitzer-Motorrad auf, aber die Motoren stammen aus der Rossi-Ära von 2011 und 2012, sie waren damals voluminöser, was beim langen «Twin Seater» keine Rolle spielt. Als Gigi Dall’Igna im Oktober 2013 zu Ducati kam, wurden die 1000-ccm-V4-Motoren schrittweise immer kompakter.
2020 war das Renntaxi Corona-bedingt nicht im Einsatz, in diesem Jahr ist es zurück. Allerdings steuert es nicht mehr Mamola, weil er inzwischen 61 Jahre alt ist, sondern Franco Battaini oder Fonsi Nieto. Beim Italien-GP in Mugello luden die beiden unter anderen Mark Webber und Susie Wolff auf. Mamola steht dem Team weiterhin mit seiner Erfahrung zur Seite.
An einem Grand-Prix-Wochenenden geht der Doppelsitzer üblicherweise am Freitag und Sonntag für Gäste, die sich für 1200 bis 2500 Euro eine fliegende Runde zugunsten von «Riders for Health» erkauft haben, auf die Strecke. Den Passagieren wird eine «out lap» und eine fliegende Runde geboten. Das Gewicht soll maximal 90 kg betragen; das Alter wird auf 18 bis 60 Jahre beschränkt, aber es gibt Ausnahmen für die Fahrt, die bis zu 300 km/h schnell sein kann.
«Als ich 2001 Bernie Ecclestone in Portugal mitgenommen habe, war er bereits 71 Jahre alt», erinnert sich Randy. «Das war damals nur drei Tage vor 9/11.» Um den Ritt mit Ecclestone entstand ein ziemlicher Wirbel. Als die Neuigkeit in Estoril damals durchsickerte, bekam Ecclestone Anrufe der besorgten Formel-1-Teambesitzer Frank Williams und Flavio Briatore: «Bernie, bitte sag’ uns, dass du das nicht machst. Das ist lebensgefährlich!»
Doch BE ließ sich von seinem mutigen Vorhaben nicht abbringen. Und Randy sagte hinterher: «Ich habe noch nie so eine so kostbare Fracht befördert.» Ecclestone nach dem 5-Minuten-Abenteuer: «Unglaublich. Das ist eines der aufregendsten Erlebnisse in meinem Leben gewesen. Besonders, weil ich es zusammen mit Randy Mamola gemacht habe.»
Auch bei Michael Schumachers Mitfahrt in Mugello befand sich Randy auf einer heiklen Mission. «Schumi hat damals für Ferrari gegen Alonso um den Formel-1-Titel gekämpft. Eine Woche später fand der Formel-1-GP in Silverstone statt», erinnert sich Randy. «Ducati-Chef Claudio Domenicali flüsterte mir vor dem Start mit Schumi ins Ohr: 'Randy, wenn Schumi ein Haar gekrümmt wird, bring’ ich dich um.'»
Mamola chauffierte auch viele andere Promis um die Pisten. Matt LeBlanc 2010 in Silverstone, Prinz Harry 2009 in Donington, David Bisbal 2008 in den USA, Autorennfahrer Allan McNish 2008 in Misano, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Mamola hat das Zweisitzer-Programm zuerst zwei Jahre für Yamaha gemacht, dann mehr als 15 Jahre mit Ducati. «Die ursprüngliche Idee stammt von meinem ehemaligen Teamchef Kenny Roberts. Es entstand zu einer Zeit, als man die GP-Maschinen noch mit nach Hause nehmen und damit spielen konnte», blickt der populäre Randy zurück. «Wir haben den ‘Twin Seater’ anfangs mit Yamaha gemacht.»
Insgesamt hat Randy Mamola mehr als 6000 Passagiere befördert. Manchmal waren es 50 pro Tag. Unter den Prominenten befanden sich neben Ecclestone und Schumacher noch Keanu Reeves, die Formel-1-Piloten Marc Gené und Martin Brundle, die Rennradstars Stuart O’Grady und Mark Cavendish sowie etliche Fußballstars, deren Namen er sich nicht eingeprägt hat. «Und ein paar Oscar-Gewinner, an die ich mich auch nicht mehr alle erinnern kann.»
Zweimal ist Randy Mamola mit dem Doppelsitzer in all den Jahren gestürzt, das beschämt ihn heute noch. Nur bei einem Crash saß ein Passagier auf der Maschine. «Das war vor acht, neun Jahren. Bridgestone hat damals einen Hinterreifen gehabt, der aus der MotoGP-WM abgezogen wurde, weil sich Fahrer wie Casey Stoner und Ben Spies heftig darüber beschwerten. Durch irgendeinen Fehler hat dieser Reifen den Weg zu uns gefunden. Mit dem Beifahrer bin ich in Barcelona gestürzt, ohne Sozius dann im selben Jahr in Silverstone noch einmal. Seither haben wir immer einen Reifentechniker bei uns, früher von Bridgestone, jetzt von Michelin.»
Auch Ex-Motorrad-Weltmeister Luca Cadalora hat sich einmal bei Mamola hinten drauf gesetzt. «Mit ihm durfte ich in Mugello zwei fliegende Runden fahren. Das war fantastisch. In der zweiten Runde habe ich maximal gepusht. Am Schluss dachte ich, es wäre noch schneller gegangen. Wir haben beide mit den Knien am Boden gestreift. Luca sagte nachher, er habe gedacht, wir würden diesen Speed nicht heil überstehen... Aber wenn sich der Beifahrer perfekt verhält, empfindet man ihn nicht als Belastung oder als Ballast, dann ist alles harmonisch, es fühlt sich eher an wie ein Rucksack.»
Meist bleibt das Ducati-Taxi 15 bis 20 Sekunden über dem Rundenrekord, aber Mamola richtete seine Performance auf die Qualität des Passagiers aus. «Die beste Rundenzeit mit einem VIP habe ich einst in Valencia mit dem deutschen Schauspieler Richy Müller erreicht. Er war talentiert, kräftig, nicht besonders groß und auf der Suche nach einer Challenge. Wir sind nur 9 Sekunden über der Pole-Zeit geblieben», schilderte Randy.