Sebastian Risse: Wie gelang KTM die Trendwende?
«Wir wussten schon im Vorjahr, dass dieses Jahr besonders sein würde, vor allem weil wir die ‚concessions‘ verloren hatten, und andrerseits auch Fahrer wechselten und unser Rennteam ein bisschen umstrukturiert wurde», schickte Sebastian Risse im Interview mit motogp.com voraus. «Wir haben also kein radikal neues Bike hingestellt. Wir haben unser Hauptaugenmerk auf die Haltbarkeit des Motors gelegt und darauf, die Performance des Vorjahres nicht zu verlieren. Das Motorrad funktionierte im Vorjahr gut, der Fokus lag also hauptsächlich auf den Details. In den ersten Grand Prix – gemeinsam mit der Reifen-Allocation für die Front, wie wir sie in diesem Jahr haben – war das noch nicht genug.»
Zur Erinnerung: Michelin verzichtete auf den harten Vorderreifen, mit dem die KTM-Piloten im Vorjahr noch erfolgreich waren. So klagte etwa Miguel Oliveira in Portimão darüber, dass sein Sieger-Reifen vom November 2020 nicht mehr verfügbar war.
«Wir haben keinen Stein auf dem anderen gelassen und versucht, eine Lösung zu finden. Wir haben alles getan, was wir konnten, um uns der Situation zu stellen, während der Saison schneller zu werden, Entwicklungsschritte zu bringen und dabei nicht vom Weg abzukommen», schilderte der Technical Director von KTM.
Der Durchbruch gelang dann beim Italien-GP in Mugello, wo Miguel Oliveira als Zweiter erstmals in dieser Saison das Podium erklomm – dank eines Chassis-Updates und dem neuen ETS-Rennsprit. Der Sieg in Montmeló sowie ein weiterer zweiter Platz auf dem Sachsenring sollten folgen.
«Der Unterschied liegt in der Steifigkeit», erklärte Risse zum Chassis. Entscheidend sei am Ende das Gefühl des Fahrers, fuhr er fort. «Der Fahrer muss das Vertrauen und das Gespür für den Vorder- und Hinterreifen haben, um dieses Extra herausholen zu können. Zum Glück hat es funktioniert und nun scheinen wir in einer Situation zu sein, wo wir mit dieser Reifen-Allocation recht gut umgehen können. Das Motorrad ist sehr schnell», ergänzte er.
Tatsächlich egalisierte Brad Binder in Mugello auf der RC16 mit 362,4 km/h den Top-Speed-Rekord von Pramac-Ducati-Ass Johann Zarco, was unter anderem dafür sorgte, dass der zuvor verkündeten Zusammenarbeit mit ETS große Aufmerksamkeit zukam.
«Wenn deine Motorenspezifikation homologiert ist, versuchst du alles zu erkunden und jedes Bisschen Performance aus dem herauszuholen, wo du noch Freiheiten hast. Wir haben schließlich mit dem Sprit etwas gefunden. Die Entwicklung des Sprits und der Motorkalibrierung geht Hand in Hand, das ist etwas, was im Hintergrund immer geschieht, jetzt aber sehr offensichtlich wurde, weil wir den Lieferanten gewechselt haben. Jeder konnte es also sehen», erklärte Risse. «Das war der größte Schritt, den wir in dem Bereich je gemacht haben, das ist klar.»
Großen Anteil am Erfolg habe aber auch der Fahrer («Miguel macht einen großartigen Job»). Was ist also noch drin? «Wenn du Rennen fährst, ist das Ziel früher oder später immer der Titel», schmunzelte Risse. Wann es soweit sein könnte, darauf wollte er sich aber nicht festlegen. «Dieses Momentum haben wir erst seit ein paar Grand Prix, es ist zu früh zu sagen, wo es hinführt, aber es scheint nicht unmöglich.»
Im Hinblick auf 2022 gab sich der Technische Direktor der Österreicher aber auf jeden Fall zuversichtlich: «Dieses Mal scheinen wir in einer ziemlich ausgeglichenen Position zu sein. Es ist nicht so klar wie vorher, als man immer mehr und mehr in Sachen Turning brauchte. Jetzt können wir es positiv angehen und nicht versuchen, ein Problem zu lösen, sondern etwas Zusätzliches draufzulegen.»
Stand Fahrer-WM nach 9 Rennen:
1. Quartararo, 156 Punkte. 2. Zarco 122. 3. Bagnaia 109. 4. Mir 101. 5. Miller 100. 6. Viñales 95. 7. Oliveira 85. 8. Aleix Espargaró 61. 9. Binder 60. 10. Marc Márquez 50. 11. Nakagami 41. 12. Pol Espargaró 41. 13. Morbidelli 40. 14. Rins 33. 15. Alex Márquez 27. 16. Bastianini 27. 17. Petrucci 26. 18. Martin 23. 19. Rossi 17. 20. Marini 14. 21. Lecuona 13. 22. Bradl 11. 23. Savadori 4. 24. Pirro 3. 25. Rabat 1.
Stand Konstrukteurs-WM:
1. Yamaha, 184 Punkte. 2. Ducati 167. 3. KTM 114. 4. Suzuki 105. 5. Honda 86. 6. Aprilia 62.
Stand Team-WM:
1. Monster Energy Yamaha, 251 Punkte. 2. Ducati Lenovo 209. 3. Pramac Racing 149. 4. Red Bull KTM Factory Racing 145. 5. Suzuki Ecstar 134. 6. Repsol Honda 98. 7. LCR Honda 68. 8. Aprilia Racing Team Gresini 65. 9. Petronas Yamaha SRT 57. 10. Esponsorama Racing Ducati 41. 11. Tech3 KTM Factory Racing 39.