Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

KTM jubelt: Brad Binder ging übers Wasser

Von Günther Wiesinger
Brad Binder (Red Bull KTM) musste sich in Sekundenschnelle entscheiden, ob er den Top-5 in die Boxengasse folgen solte. Er riskierte ein Gamble – und wurde mit dem GP-Triumph belohnt.

Ein Regenguss zum richtigen Zeitpunkt und dazu ein völlig unerschrockener und furchtloser Brad Binder, der dank seiner beispielhaften Fahrzeugbeherrschung die Gegner im Finish kräftig blamierte, entschieden den GP von Österreich. Binder brauste nach der 25. Runde (auf Platz 6) einfach gnadenlos weiter, als die fünf Ex-Weltmeister Marc Márquez, Bagnaia, Martin, Mir und Quartararo zum Reifenwechel an die Box rollten. Binder blieb kaltschnäuzig mit den Slicks auf der nassen Piste draußen – und marschierte dadurch schnurstracks vom sechsten Platz in Führung. Das waren die passenden Zutaten für den überraschenden fünften MotoGP-Sieg von KTM innerhalb eines Jahres. Nur Yamaha hat in dieser Zeitspanne mehr Rennen gewonnen als KTM, selbst Ducati schaffte nur vier MotoGP-Erfolge seit dem Start der Sason 2020.

Brad Binder erzählte nachher, das sei eigentlich kein Regerennen gewesen. «Als ich in den letzten vier Runden mit Slicks auf der nassen Fahrbahn unterwegs war, ging es um mehr ums Überleben als um das Rennfahren», seufzte er.

Beim Anbremsen der Zielkurve in der 28. und letzten Runde hatte der Red Bull-KTM-Star keine Chance, das Bike im Nassen mit den Slicks rechtzeitig abzubremsen. Er entschloss sich zu einem weiten Bogen – und kassierte wegen Verlassens der Fahrbahn drei Strafsekunden, die aber an seinem klaren Sieg nichts änderten.

«Als ich gestern am Abend ins Bett gegangen bin, hatte ich nur einen Gedanken im Kopf. Ich wollte heute unbedingt aufs Podium», gab Binder zu. «Ich weiß nicht, wann ich zum letzten Mal ein ganzes Jahr nicht auf dem Podium war. Es war ein Phase, die mir ewig vorgekommen ist. Ich hatte seit meinem Brünn-Sieg im Vorjahr zwei vierte Plätze, aber ich seither war nie zurück auf dem Podest.»

«Ehrlich gesagt, ich hatte ein entsetzliches Rennen, bis der Regen kam. Der Hinterreifen benahm sich ganz anders als alle anderen Reifen, die ich am ganzen Weekend verwendet habe. Beim Bremsen bin ich überall gerutscht. Ich bin einfach nicht vorwärts gekommen», seufzte der 26-jährige Südafrikaner. «Ich hatte riesige Mühe draußen auf der Piste. Aber als der Regen einsetzte, habe ich zügig zur Fünf-Mann-Spitzengruppe aufgeholt. Mir ist klar gewesen, dass sich die Jungs vorne auf einen Boxenstopp zum Reifenwechsel vorbereitet haben. Denn Marc hat sich umgedreht. Es waren noch vier Runden zu fahren… Ich habe überlegt, fahre ich an die Box oder nicht? Im letzten Augenblick habe ich mich zum Weiterfahren entschieden. Ich wollte es probieren. Die erste Runde nachher war gut, aber die nächsten zwei waren unbeschreiblich. In der letzten Runde sind die Karbonbremsen und die Reifen total abgekühlt. Deshalb konnte ich das Bike nicht mehr stoppen. Immer wenn ich bremsen wollte, bin ich einfach weitergerollt. Ich konnte den Bremshebel noch so kräftig ziehen, es ist nichts passiert. Ja, ich hatte alle Hände voll zu tun, um das Motorrad auf der Strecke zu halten.»

Binder weiter: «Aber manchmal muss man sich auf so ein Gamble einlassen. Heute hat es sich gelohnt. Es hat funktioniert. Darüber bin ich super happy.»

Als die ersten Regentropfen fielen, schnappte sich der furchtlose «Brad Attack» Binder in gewohnter Manier gleich zwei Gegner pro Kurve.

Zu diesem Zeitpunkt kamen die Top-6 für den Sieg in Frage. Wann glaubte Brad bei seiner verrückten Fahrt erstmals an seine Siegchance? «Ich bin ein bisschen aufgeregt geworden, als der Regen einsetzte. Als es zu tröpfeln begann, sah ich meine Gelegenheit zum Aufholen. Ich spürte die Chance, dieses Wetter zu meinem Vorteil auszunutzen. Ich glaube, ich war vorher Sechster, dann bin ich an die Gruppe rangekommen. Ich sah die Gelegenheit und dachte, es ist unser Heim-GP für KTM und Red Bull, in Südafrika habe ich ja keinen, also habe ich das Risiko auf mich genommen. Ich kann gar nicht beschreiben, wie glücklich ich bin, nachdem sich das Risiko bezahlt gemacht hat.»

Ergebnisse MotoGP Red Bull Ring, 15. August 2021:

1. Brad Binder (ZA), KTM, 28 Runden in 40:46,928 min
2. Pecco Bagnaia (I), Ducati, +9,991 sec
3. Jorge Martin (E), Ducati, +11,570
4. Joan Mir (E), Suzuki, +12,623
5. Luca Marini (I), Ducati, +14,831
6. Iker Lecuona (E), KTM, +14,952
7. Fabio Quartararo (F), Yamaha, +16,650
8. Valentino Rossi (I), Yamaha, +17,150
9. Alex Márquez (E), Honda, +17,692
10. Aleix Espargaró (E), Aprilia, +18,270
11. Jack Miller (AUS), Ducati, +25,144
12. Danilo Petrucci (I), KTM, +25,193
13. Takaaki Nakagami (J), Honda, +25,603
14. Alex Rins (E), Suzuki, +30,642
15. Marc Márquez (E), Honda, +35,459
16. Pol Espargaró (E), Honda, +40,384
17. Cal Crutchlow (GB), Yamaha, +52,950
– Miguel Oliveira (P), KTM, 6 Runden zurück
– Johann Zarco (F), Ducati, 10 Runden zurück
– Enea Bastianini (I), Ducati, 22 Runden zurück

Stand Fahrer-WM nach 11 von 18 Rennen:

1. Quartararo, 181 Punkte. 2. Bagnaia 134. 3. Mir 134. 4. Zarco 132. 5. Miller 105. 6. Binder 98. 7. Viñales 95. 8. Oliveira 85. 9. Aleix Espargaró 67. 10. Martin 64. 11. Marc Márquez 59. 12. Nakagami 55. 13. Rins 44. 14. Alex Márquez 41. 15. Pol Espargaró 41. 16. Morbidelli 40. 17. Bastianini 31. 18. Petrucci 30. 19. Rossi 28. 20. Marini 27. 21. Lecuona 24. 22. Bradl 11. 23. Pedrosa 6. 24. Savadori 4. 25. Pirro 3. 26. Rabat 1.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati, 212 Punkte. 2. Yamaha 209. 3. KTM 152. 4. Suzuki 138. 5. Honda 104. 6. Aprilia 68.

Team-WM:

1. Monster Energy Yamaha, 276 Punkte. 2. Ducati Lenovo 239. 3. Pramac Racing 200. 4. Red Bull KTM Factory Racing 183. 5. Suzuki Ecstar 178. 6. Repsol Honda 107. 7. LCR Honda 96. 8. Aprilia Racing Team Gresini 71. 9. Petronas Yamaha SRT 68. 10. Esponsorama Racing Ducati 58. 11. Tech3 KTM Factory Racing 54.

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