Ducati-Dominanz in der MotoGP: Zu viel des Guten?
Ducati gab beim Saisonfinale 2021 in Valencia ein Musterbeispiel ab: Wie man gewinnt – überlegen gewinnt – wenn man verloren hat. Das erste rein rote MotoGP-Podium der Geschichte krönte den Gewinn der Konstrukteurs-WM für den Hersteller aus Borgo Panigale. Beim Jerez-Test (wo die neuesten Motoren zum Einsatz kamen) machten sie mit überlegener Bestzeit weiter.
Die Desmosedici regiert die Welt.
In den Geschichtsbüchern ist 2021 aber Yamaha-Star Fabio Quartararo vermerkt. Es ist der Fahrer, der den Unterschied macht (um eine von Valentino Rossi gern bemühte Phrase zu verwenden).
Ducati-Fans könnten meinen, das sei ein bisschen unfair. Der italienische Hersteller muss die Schuld aber nur bei sich selbst suchen. Zu viele starke Fahrer, die sich auf dem besten Renn-Bike der Welt entfalten können. Das ist eine verlockende Formel, aber auch eine, die den Erfolg verwässern kann.
Das letzte Saisonrennen war ein interessanter Fall.
In 19 MotoGP-Jahren gewann Ducati zuvor in Valencia nur zweimal. Die engen Kurven und kurzen Geraden waren keine Kombination, die zum schnellen, aber anhaltend untersteuernden Motorrad passte. Da waren schon Troy Bayliss und Casey Stoner gefragt, um diese Hürde zu überwinden – zwei außergewöhnliche Talente, die dazu die Umstände nutzten.
Meistens gewann Honda in Valencia, dazu kamen zehn Yamaha-Siege und einer für Suzuki, seit die Strecke 1999 in den Kalender der Motorrad-WM aufgenommen wurde.
Wie sich die Ducati auf engen Strecken präsentiert, hat sich in den letzten zwei Jahren jedoch völlig verändert. Bisher war die größte Stärke der Desmosedici die Beschleunigung und der Speed auf den Geraden. Jetzt hat eine Kombination aus abenteuerlicher Innovation und solider Ingenieursstärke das hervorgebracht, was Vizeweltmeister Pecco Bagnaia «ein perfektes Bike» nannte. In Valencia feierte er seinen viertern Sieg in den vergangenen sechs Rennen.
Sein Teamkollege aus dem Ducati Lenovo Team, Jack Miller, ging noch einen Schritt weiter: «Mit diesem Motorrad fühlen wir uns alle wohl. Wir haben ein großartiges Paket gefunden, das fantastisch funktioniert, und wir müssen nichts anrühren. Ich glaube, das ist der Punkt: Zeit auf demselben Motorrad zu bekommen, so wie es seit zwei Jahren ist.»
Neben dem 1-2-3 durch Bagnaia, Martin und Miller nicht zu vergessen: Martins Pramac-Ducati-Teamkollege Johann Zarco wurde in Valencia Sechster, weniger als zwei Sekunden hinter dem neuen Champion Quartararo.
Nur die Suzuki und ihr geschmeidiges Handling forderten die Ducati-Armada zumindest anfänglich heraus: Alex Rins stürzte dann allerdings, Joan Mir musste abreißen lassen und sich mit Rang 4 zufriedengeben.
Ducati dominierte das Saisonende. Doch am Ende war es eine weitere verpasste Chance. Drei unterschiedliche Ducati-Piloten gewannen sieben von 18 Rennen. Dem gegenüber standen sechs Siege für Yamaha. Entscheidend war aber, dass Quartararo fünf davon holte. Kein Ducati-Ass gewann mehr als vier Rennen.
Die Kräfte aufzusplittern kostet dem einzelnen Fahrer Punkte. Denn sie fahren nicht nur gegen die Konkurrenz Rennen, sondern auch untereinander.
Etwas ähnliches passierte 2020: Drei Yamaha-Piloten gewannen sieben von 14 Rennen. Das bedeutete aber auch, dass sie sich gegenseitig Punkte wegnahmen. Joan Mir eroberte den Titel, indem er auf Strecken, die der Suzuki lagen, Podestplätze anhäufte und gleichzeitig nicht mit anderen Fahrern auf demselben Motorrad teilen musste. Er gewann nur ein Rennen, aber er musste keine wertvollen Punkte verschenken.
Ducati verdankt ihre Überlegenheit den Innovationen: Sie waren die ersten, die Winglets einführten, die Startvorrichtung und das Ride-Height-Device. Variable Geometrie, die auf die notorische Turning-Schwäche aufgerichtet ist. Es ist ein klarer Fokus in der Entwicklung zur erkennen: Stärken werden beibehalten, Schwachpunkte angegangen.
Während die Yamaha- und Suzuki-Piloten auf ein rundes Paket mit einer ausgeklügelten Mischung aus ausgewogenen Performance-Elementen zählen können, bietet die Ducati spezielle Stärken, die vielleicht schroffer sind, sich aber bezahlt machen, wenn sie richtig eingesetzt werden.
Ihre Bremsstabilität macht es schwierig, sie im Kurveneingang zu überholen; furchterregende Beschleunigung sorgt für denselben Effekt im Kurvenausgang. Die anderen sind vielleicht in der Kurvenmitte smoother und sogar schneller… Aber was ändert das? Sie stecken dahinter fest.
Die Motorenentwicklung ist für die kommende Saison nicht mehr eingefroren. Die anderen können versuchen aufzuholen, aber Ducati hat genauso die Chance, sich weiter zu steigern. Das gilt auch für andere Aspekte. Ducati führt in allen Bereichen.
Eine andere Innovation könnte die Fahrer allerdings teuer zu stehen kommen: Die Neuaufstellung des Gresini Teams und Rossis Übernahme des Esponsorama-Rennstalls sorgen dafür, dass künftig acht Ducati im Feld vertreten sein werden. Dem gegenüber stehen je vier Honda, Yamaha und KTM sowie jeweils ein Aprilia- und Suzuki-Duo.
Die Qualität der Ducati-Fahrer ist so hoch wie ihre PS-Werte: Das Aufgebot um die Rennsieger Bagnaia, Miller und Top-Rookie Martin ist zudem mit Zarco und dem anderen Super-Rookie der Saison 2021, Enea Bastianini, bestückt.
Bemerkenswert ist, dass es sich hauptsächlich um junge Fahrer handelt, die sich schnell an die sich ändernden technischen Anforderungen anpassen: Man erinnere sich nur an die allgemeine Stärke der Rookies in diesem Jahr im Vergleich zum Niedergang von Veteran Rossi.
Ducati verfügt für 2022 über eine schillernde Reihe an Talenten. Wird es sich als zu viel des Guten erweisen?