Fix: MotoGP-Finale nicht in Valencia

Mike Leitner (KTM): «Ablöse schneller als erwartet»

Von Günther Wiesinger
Mike Leitner wurde als Race Manager bei KTM abgelöst; seine Rolle übernimmt der ehemalige Pramac-Teammanager Francesco Guidotti. Mike Leitner über die Hintergründe seines Rückzugs und sein neues Betätigungsfeld.

Vor sieben Jahren begann Mike Leitner bei KTM Factory Racing unter der Aufsicht von Motorsport-Direktor Pit Beirer und der vorhandenen Technik-Mannschaft mit dem Aufbau des rot-weiß-roten MotoGP-Projekts. Im Oktober 2015 fand in Spielberg das erste Rollout der 1000-ccm-V4-Maschine mit der Bezeichnung KTM RC16 statt.

2016 wurde das Motorrad von Testfahrern wie Mika Kallio, Tom Lüthi und Karel Abraham entwickelt. 2016 kam es im Juli beim IRTA-Test in Spielberg vor der Rückkehr des Österreich-GP zum ersten direkten Aufeinandertreffen mit allen Konkurrenzteams. Im selben Jahr erfolgte mit dem Wildcard-Einsatz in Valencia die Rennpremiere der RC16 mit Mika Kallio.

Beim Saisonstart 2017 stand Red Bull KTM in Doha/Katar mit Pol Espargaró und Bradley Smith am Start, das Duo bevölkerte die letzte Startreihe. Aber in Jerez 2017 kam erstmals der neue Big-Bang-Motor zum Einsatz, später kamen wichtige Entwicklungsschritte wie die gegen die Fahrtrichtung drehende neue Kurbelwelle, es wurde eine neue Zündfolge ausgetüftelt.

Nach 2018 stieß auf Empfehlung von Mike Leitner der ehemalige Repsol-Hoda-Star Dani Pedrosa als Testfahrer zu KTM. Er entwickelte bis November 2019 einen neuen Gitterrohrstahlrahmen mit teilweise flachen Profilen, der sich 2020 glänzend bewährte – mit drei GP-Siegen.

Zur Erinnerung: Mike Leitner war elf Jahre lang bis Ende 2014 bei Honda als Crew-Chief von Dani Pedrosa tätig. Im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com trifft er einige Klarstellungen und beschreibt seine künftige Rolle bei KTM. 

Mike, du bist als MotoGP Race Manager bei KTM abgelöst worden. Kam diese Ablöse aus heiterem Himmel – oder hat sich das abgezeichnet?

Es ist schön öfters über eine Veränderung in der MotoGP-Teamstruktur gesprochen worden. Das ist jetzt nicht ganz überraschend gekommen.

Aber es ist dann trotzdem ein bisschen schneller passiert als erwartet; das muss ich zugeben. Gemeinsam mit Stefan Pierer, Hubert Trunkenpolz und Pit Beirer haben wir schon vorher offen darüber geredet, dass ich in meiner Funktion als Team Manager bei diesem Projekt nicht mehr den größten Input geben kann.

Diese Ansicht ist auch von meiner Seite gekommen.

Pierer und Trunkenpolz kamen am 6./7. November zum Algarve-GP nach Portimão. Ist die Entscheidung dort gefallen?

Nein, das ist dann daheim passiert in Oberösterreich. Nach dem letzten Test in Jerez.

Wie gesagt: Es ist schon länger über dieses Thema geredet worden. Es hat mehrere Kandidaten für den Job als Teammanager gegeben. Francesco Guidotti war einer davon. Ich habe ja selber mit ihm beim Valencia-GP und beim Jerez-Test im November darüber geredet.

Du sollst jetzt eine Beraterrolle bei KTM ausüben. Wie muss man sich das vorstellen?

Ja, ich bin ja nicht entlassen worden. Ich habe ein Ein-Mann-Unternehmen, wie es im Rennsport üblich ist. Und mein KTM-Vertrag läuft bis Ende 2022.

Ich habe bei KTM seit Januar 2015 schon so viele unterschiedene Titel gehabt, ich kann mich gar nicht an alle erinnern. Ich habe ja alle Ausbildungen, als Kfz-Meister und so weiter. Bei KTM habe ich 2015 auch als Berater angefangen. Als meine Aufgabe dort begonnen hat, gab es nur eine Handvoll Mitarbeiter für das MotoGP-Projekt.

In den vergangenen sieben Jahren haben wir gemeinsam bei KTM Racing Factory ein Riesending heraus gestampft.

KTM hat in den ersten fünf MotoGP-Jahren als Neuling respektable Ergebnisse erreicht. Ihr habt in den letzten zwei Jahren fünf GP-Siege errungen, zwei mehr als Honda. Honda wurde in der Marken-WM 2020 besiegt und zweimal hintereinander in der Fahrer-WM.

Ja, das das nimmt uns keiner mehr weg und bestreitet bei KTM auch niemand. Man kann sagen: Wir haben 2021 nicht alles richtig gemacht, wir haben auch nicht alles falsch gemacht. Es haben auch andere Hersteller phasenweise Mühe gehabt. Wir haben zum Beispiel zwei Rennen gewonnen, Suzuki als Weltmeisterteam keines. 

Aber das KTM-Projekt wächst, es wird größer. Man will sich verbessern, deshalb werden die Abläufe und Strukturen optimiert.

Klar, es werden jetzt auch mehr Personen eingesetzt. Ich habe ja eine Zeitlang drei Rollen gleichzeitig besetzt. Jetzt sind neue Köpfe dazu gekommen. Ich bin heilfroh, dass das jetzt geschehen ist und wir auch mehr Personal im Werk in Munderfing haben.

Ich war in den letzten fünf Jahren rund 200 Tage auf den Rennstrecken unterwegs. Dazu musste ich regelmäßig ins Werk. Das war krass.

Francesco Guidotti ist jetzt als Teammanager nur für das Red-Bull-Team mit Oliveira und Binder engagiert worden. Du warst Race Manager, weil du auch bei Tech3-Kundenteam zuständig warst.

Ja, aber Hervé Poncharal leitet sein Team sowieso eigenständig.

Francesco findet ein bestehendes Rennteam vor. Er muss keine einzige Person engagieren. Er hat also eine gute Ausgangsposition. Da mache ich mir keine Sorgen.

Als du zu KTM gekommen bist, existierte kein MotoGP-Know-how. Techniker wie Sebastian Risse waren bis dahin für die Moto2 zuständig.

Bis auf Kurt Trieb, der 2004 schon einmal den 990-ccm-V4-MotoGP-Motor für KTM gebaut hat, gab es keine Techniker mit MotoGP-Wissen. Es gab ganz wenig Know-how für diese Serie.

Wenn ich heute zurückblicke, habe ich im Laufe der Zeit 40 bis 50 Techniker zu KTM gebracht. Zumindest war ich stark beteiligt an ihrer Verpflichtung.

Zusammen mit Pit Beirer habe ich sehr viele Leute gesucht und engagiert. Ich habe durch meine langjährige Tätigkeit bei HRC die nötigen Kontakte im Paddock gehabt.

Am Anfang unseres Projekts war – grob gesagt – nicht einmal eine Werkzeugkiste da. Es war nix da, keine Infastruktur, kein Personal.

Jetzt steht ein gestandenes MotoGP-Team da und eine Rennabteilung mit rund 150 Mitarbeitenden, die sich sehen lassen kann und 2018 eröffnet wurde. In den ersten zwei Jahren 2015 und 2016 waren wir noch bei der Marketing-Abteilung angesiedelt. Dann ist der große Neubau in Munderfing begonnen worden. Das hat alles Pit Beirer in die Wege geleitet. Vorher haben wir nur wenig Platz gehabt.

Im Stammwerk in Mattighofen hat keine Road Racing-Rennabteilung existiert?

Nein, es gab in Munderfing einen kleinen Trakt für uns, der aber hinten und vorne zu klein war. Denn es mussten auch die Abteilungen für Rallye, Motocross, Enduro und Moto3 untergebracht werden. Für diese ganzen Projekte wurde dann die neue Rennfirma gebaut.

Jetzt sind alle Projekt unter einem Dach; es gibt genug Platz. Das ist eine gute Sache.

Wie dürfen wir uns deine neue Aufgabe als KTM-Berater vorstellen?

Das werden wir noch genauer definieren. Ich werde auf jeden Fall zu einigen Grands Prix kommen, dort die Augen offen halten und Eindrücke sammeln. Ich werde mir das Ganze einmal von einem anderen Blickwinkel anschauen.

Wenn ich etwas sehe, was man meiner Meinung nach verbessern kann, werde ich Pit Beirer meine Ideen schildern. Auch Stefan Pierer hat gesagt, er will sich meine Meinung anhören.

Jetzt genieße ich einmal den Winter. Gestern war ich schon in Gosau Skifahren.

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