Freddie Spencer: Der jüngste 500er Weltmeister ist 60
«Fast» Freddie Spencer
Frederick Burdette Spencer wurde am 20. Dezember 1961 in Shreveport im US-Bundesstaat Louisiana geboren. Seit seinem sechsten Lebensjahr fuhr er Rennen, die Leidenschaft dafür wurde ihm von seinem Vater Freddie Spencer senior vererbt. Auch sein älterer Bruder Danny war vom Rennsportbazillus befallen. Während dieser Kartrennen fuhr, bekam Klein-Freddie als erstes ein Mini-Motorrad, eine Briggs & Stratton. Schon im Kindesalter bestritt er an die 100 Rennen pro Jahr.
«Dirt Track» hieß das Zauberwort in den USA damals. Dabei erlangte Freddie als einer der Ersten die spätere Fähigkeit, die damals kaum zähmbaren 500-ccm-Zweitakt-Biester wie kein Zweiter mit dem Hinterrad zu lenken. In Sachen Motorradbeherrschung setzte Spencer trotz wilder Slides in der damaligen Königsklasse neue Akzente. Seine Gewichtsverlagerung auf dem Bike und seine Linienwahl waren ungewöhnlich und unglaublich. So suchte er in den Trainings nicht nur nach der Ideallinie, sondern mit Hinblick auf die Rennen und notwendige Überholmanöver vor allem die ungewöhnlichen Linien.
«To square off the corners», nannte man seine Fahrweise, die ihn die Kurven eng anfahren ließ, während die Gegner weit nach aussen ausholten und weitere Wege gingen. So hatte der Honda-Star nie Mühe, erfolgreiche Überholmanöver zu vollführen.
Zugute kam ihm dabei seine jahrelange Erfahrung beim Dirt-Track-Fahren auch deshalb, weil er es gewohnt war, sich schnell auf wechselnde Streckenverhältnisse einzustellen.
Freddie Spencer galt als bescheidener, eher verschlossener, streng gläubiger Südstaatler, der schon 1972 ein Profi-ähnlicher Rennfahrer war. 83 von 90 Rennen gewann er in jenem Jahr, wodurch er Meister in den Staaten Texas, Oklahoma, Arkansas, Mississippi und Louisiana wurde. 1974 war es endgültig um ihn geschehen, als er als Zwölfjähriger erstmals bei einem großen Rundstrecken-Rennen als Zuschauer dabei war. Es war das 200-Meilen-Rennen in Daytona, das damals Giacomo Agostini gewann.
Mit 16 Jahren wurde Spencer Profirennfahrer und kam erstmals mit Technik-Guru Erv Kanemoto zusammen, einem Amerikaner japanischer Abstammung. Das Duo gewann auf Anhieb die AMA-Novice Championship.
1979 gewann Spencer die AMA-Lightweight-Meisterschaft (250 ccm) und fuhr parallel dazu alles, was ihm hingestellt wurde. Egal ob die zierliche 250-ccm-Rennmaschine, die schweren Viertakt-Sportbikes Ducati 900 SS und Kawasaki KZ 1000 mit Werksunterstützung, oder die superschnelle Yamaha TZ 750.
Im Herbst des gleichen Jahres wurde Spencer in den USA Teil der Honda-Familie und von Teamchef Steve McLaughlin als Nachfolger von Mike Baldwin für die US Superbike Championship verpflichtet.
Für 1980 unterzeichnete der aufstrebende «Fast Freddie» schließlich einen Werksvertrag bei Honda Japan. Allerdings hatte Honda für die amerikanische Viertakt-Motorradrennserie kein konkurrenzfähiges Motorrad und erlaubte ihm, den prestigeträchtigen Saisonauftakt in Daytona, wo sich die Rennwelten von Europa und Amerika trafen, mit einer von Kanemoto vorbereiteten Yamaha TZ 750 zu bestreiten. Nachdem «King» Kenny Roberts, zu dem Zeitpunkt zweifacher 500-ccm-Weltmeister, ausgefallen war, eilte das Honda-Ass Spencer auf Yamaha dem Sieg entgegen, fiel aber, sicher nicht zum Unbehagen von Honda, ebenfalls aus.
Zu Ostern 1980 war Spencer neben Kenny Roberts und Randy Mamola Teil der US-Mannschaft bei der damals vielbeachteten, sechs Rennen umfassenden anglo-amerikanischen Mini-Rennserie «Match Races» in Großbritannien. Es war ein Länderkampf der Briten gegen die USA. Barry Sheene, Ron Haslam und der Neuseeländer Graeme Crosby standen den Amis gegenüber. In Brands Hatch gewann Spencer beide Rennen und in Mallory Park wurde er Zweiter und Dritter. In Oulton Park stürzte er im zweiten Rennen, nachdem er das erste als Zweiter beendet hatte. Seine Visitenkarte hatte er dennoch abgegeben.
Zurück in den USA fuhr Freddie Spencer in der heimischen Meisterschaft, doch die Honda-Vierzylinder war nicht konkurrenzfähig, sodass er hinter Wes Cooley und Eddie Lawson nur Dritter wurde. Ebenfalls 1980 gab er im belgischen Zolder auf einer Yamaha TZ 500 sein Grand-Prix-Debüt, fiel allerdings aus.
Für 1981 bot ihm Honda an, in der US-amerikanischen Meisterschaft in verschiedenen Klassen Jagd auf die Titel zu machen. Freddie entschloss sich, mit dem GP-Zirkus noch etwas zu warten und willigte ein. Beim Dirt Track war er mit der NS 750 den starken Harley-Davidson hoffnungslos unterlegen und auch bei den Superbikes und in der Formel-1-Klasse war er nicht wirklich konkurrenzfähig, wenngleich er ein paar Zeichen setzen konnte.
Erste GP-Saison 1982 mit Honda
1982 stieg Spencer mit Honda und deren neuer NS 500 V3, der ersten Zweitakt-Rennmaschine von Honda, richtig in die Grand-Prix-Szene ein. Im belgischen Spa-Francorchamps feierte Spencer, begünstigt von Kenny Roberts geplatztem Hinterreifen, seinen ersten Grand-Prix-Sieg. Gleichzeitig war es der erste GP-Sieg für Honda seit Ralph Bryans 1967 im japanischen Fisco in der 250er-Klasse, beziehungsweise in der Halbliterklasse seit Mike Hailwood 1967 im kanadischen Mosport. Danach hatte sich der größte Motorradhersteller für viele Jahre vom Motorradrennsport zurückgezogen.
Während Freddie Spencer mit seinen gerade einmal 20 Jahren sehr wohl von Beginn an konkurrenzfähig war, er gewann zwei Monate später auch den Großen Preis von San Marino in Mugello, konnte man das von seinem Motorrad zunächst nur mit Abstrichen behaupten. Fünf Ausfälle sind zwar viel, aber für ein ehrgeiziges neues Projekt auch nicht ungewöhnlich. Zudem war die Dreizylinder-Honda NS 500 V3 ein spezielles, mit dem 90-Grad-V3-Motor und dem kurzen Radstand aber auch sehr innovatives Bike.
Was an Motorleistung zunächst fehlte, konnte Freddie mit dem guten Handling teilweise wettmachen. Lediglich an der Standfestigkeit haperte es. Doch auch diese sollten die Honda-Techniker in den Griff bekommen. Hinzu kamen zwei Verletzungen von Spencer, die ihn noch Jahre später beschäftigen sollten. In Assen stürzte er im Regen und brach sich dabei den Daumen, was erst später diagnostiziert wurde. Auf eine sinnvolle Operation verzichtete er. Beim Finale in Hockenheim stürzte er beim Kampf um den Sieg gegen Randy Mamola und einer Berührung mit dem bereits als Weltmeister feststehenden Franco Uncini. Dabei brach er sich das Schlüsselbein zum ersten Mal. Schlussrang 2 hatte Freddie so zwar verloren, doch Platz 3 in seiner ersten vollen GP-Saison konnte sich sehen lassen.
Im darauffolgenden Jahr 1983 kam Honda mit der verbesserten MK2-Version der NS 500. Auch sonst ließen die Japaner nichts unversucht. So umfasste deren Tross fallweise an die 60 Personen. Mit dem nun dreifachen Weltmeister Kenny Roberts lieferte er sich ein Duell auf Augenhöhe. Kein anderer Fahrer konnte den beiden das Wasser reichen, geschweige einen Grand Prix gewinnen. Am Ende stand es nach Siegen 6 zu 6, wobei Freddie Spencer im letzten Saisonrennen taktieren konnte und mit Platz 2 hinter seinem Erzrivalen zwei Punkte Vorsprung rettete und damit seinen ersten WM-Titel gewann. Es stand dann 144 zu 142. Mit 21 Jahren wurde der Honda-Werkspilot der jüngste Weltmeister der Geschichte in der von 1949 bis 2001 ausgetragenen 500er-Klasse.
1984 musste Spencer mit der neuen Honda NSR 500 V4 ein paar Rückschläge einstecken. So war er beim Saisonauftakt in Kyalami nach einem Trainingssturz infolge einer gebrochenen Felge nicht am Start. Auch bei den Transatlantic Match Races zu Ostern in Großbritannien stürzte er und zog sich Knochenbrüche im Fuß zu. Einige WM-Läufe musste er so auslassen. Auch bei einem nicht zur WM zählenden Rennen in Laguna Seca ging er zu Boden und brach sich das schon in Hockenheim malträtierte Schlüsselbein erneut. Zwischendurch kam er immer mal wieder in den Continental Circus und gewann dann meist, was ihm letztlich wenigstens den vierten Endrang einbrachte.
Zwei Titelgewinne 1985
1985 kam Freddie Spencer weitgehend genesen zurück über den großen Teich und nahm zunächst die Doppelbelastung und später die Doppelherausforderung mit Starts in der 500-ccm- und 250-ccm-Klasse an.
Ursprünglich war das gar nicht geplant, aber schon beim Vorsaisonrennen wie auch mit Fortdauer der Saison fand der inzwischen in Europa «Fast Freddie» getaufte Spencer Gefallen an der Honda RS 250 RW. Die Viertelliterklasse war dabei noch härter umkämpft als die 500er-Kategorie, standen doch nicht selten ein Dutzend siegfähige Fahrer am Start. In den Anfangsjahren bis Mitte der 1970er-Jahre waren Doppelstarts keine Seltenheit, sogar drei Rennen pro Tag wurden von einzelnen Piloten gefahren. 14 Siege, sieben in jeder Klasse, davon vier Doppelsiege, fuhr der Amerikaner in den neuen Rothmans-Lackierungen ein und war am Ende Doppelweltmeister. Dennoch nahm die Saison ein schlechtes Ende, denn bei einem nicht zur WM zählenden Rennen in Japan zog sich der Amerikaner erneut eine schwere Daumenverletzung zu.
Von da an begann seine Zeit des Leidens, und Spencer wurde nie mehr der Alte. Beim Saisonauftakt 1986 im spanischen Jarama gab Spencer in Führung liegend auf und setzte mit einer chronischen Sehnenscheidenentzündung im rechten Handgelenk für den Rest der Saison aus. 1987 wollte er wieder angreifen, doch das Pech blieb ihm treu. Vor dem eigentlichen Saisonstart war in Daytona ein Konkurrent vor ihm gestürzt, Freddie ging ebenfalls zu Boden und brach sich dabei das nie richtig verheilte Schlüsselbein sowie das Schulterblatt. Bei seinem Comeback-Versuch in Hockenheim verletzte er sich durch seinen eigenen Knieschutz am Knie und fiel erneut aus. Ein siebter Platz in Anderstorp war für ihn das einzig zählbare Ergebnis in jenem Jahr.
1989 kam er noch einmal in einem Spitzenteam (Agostini Marlboro Yamaha) unter, doch von seinem einstigen Glanz war nichts mehr übrig. Ein fünfter Platz im spanischen Jerez blieb sein bestes Saisonresultat. Am Ende wurde der gesundheitlich angeschlagene Spencer auf WM-Rang 16 geführt. Nach einem Intermezzo in den USA unternahm er 1993 in der WM einen weiteren Comeback-Versuch mit einer privaten ROC-Yamaha, der allerdings ebenfalls ungebührend scheiterte.
Neben der Rennerei hatte Freddie Spencer in den 1980er-Jahren als Grundstücksspekulant gearbeitet und auch dabei ein kleines Vermögen erwirtschaftet. Dieses brachte aber seine Ehefrau mit ihrer Spielsucht durch, sodass Freddie am Rand des Ruins stand.
Später und inzwischen befindet sich sein Leben wieder in geordneten Bahnen. Die zu Hause betriebene Riding-School existiert zwar nicht mehr, er tingelte aber als Stargast bei Klassik-Veranstaltungen durch Europa und schwang sich sogar wieder in den Sattel von Dirt-Track-Maschinen. Zurück zu den Wurzeln, sozusagen.
Spencer lebte zu seiner Zeit als TV-Moderator in London, hielt sich dann oft mit seiner seiner Schweizer Freundin Alexandra im Tessin auf und ist seit 2019 fix bei jedem MotoGP-Event als Mitglied im «MotoGP Stewards Panel», das bei Vergehen für die Strafen zuständig ist.
Inzwischen hat Freddie seine Lebensfährten Alexandra geheiratet – und seinen Hauptwohnsitz wieder in Amerika aufgeschlagen.