Freddie Spencer: In den USA mit 18 schon unschlagbar
«Fast Freddie» Spencer, am vergangenen Montag 60 Jahre alt geworden, gilt heute schon als Mythos, als Legende, viele Experten nennen ihn in einem Atemzug mit Mike Hailwood oder Marc Márquez. Denn er entzauberte in der 500-ccm-Weltmeisterschaft 1983 den dreifachen World Champion «King Kenny» Roberts.
Seinen Geburtstag nehmen wir als Anlass genug, um heute und in den nächsten Tagen etwas Rückschau auf die erstaunliche Karriere des hoch begabten Amerikaners aus Shreveport/Louisiana zu halten, seinen raketenhaften Aufstieg zu beleuchten und an die zahlreichen Rückschläge zu erinnern, die seine Motorrad-Karriere und sein Privatleben geprägt haben.
Denn der Honda-Star gewann 1983 mit 21 Jahren zwar als jüngster Fahrer die 500-ccm-Weltmeisterschaft, er siegte bei insgesamt 27 Grand Prix, er triumphierte 1985 als letzter GP-Pilot im selben Jahr in der 250er- und 500er-WM. Leider bildete die Saison 1985 nicht nur den Höhepunkt von Freddies glanzvoller Karriere, sondern sie läutete gleichzeitig das Ende ein. Denn beim Schweden-GP in Anderstorp am 11. August 1985 feierte Spencer nicht nur seinen 20. Halbliter-GP-Sieg, sondern auch seinen letzten. Mit 23 Jahren!
Es folgte eine Reihe von misslungenen Comebackversuchen, aber Freddie gelang nachher nie mehr ein Top-6-Ergebnis. Er musste immer wieder Pausen einlegen, die Ärzte diagnostizierten eine Sehnenscheidenentzündung am rechten Handgelenk, er klagte fast jahrelang über Symptome wie heute die Fahrer bei «arm pump», denn der Superstar hatte schon mit sechs Jahren bis zu 100 Wettbewerbe im Jahr bestritten und 1980 mit 18 Jahren auf einer Yamaha 500 des Erv-Kanemoto-Teams in Zolder/Belgien in der Halbliter-WM debütiert.
Zu den Entdeckern des jungen Freddie gehörte der kalifornische Rennfahrer Steve McLaughlin, der 1980 das finanzstarke, neue Superbike-Team für American Honda leitete, nachdem er das «Daytona 200» auf einer 1000-ccm-Boxer-BMW 1976 und zwei Jahre später auf einer Suzuki GS1000 gewonnen hatte.
«Freddie ist damals für meinen Freund Reno Leoni ein Ducati-Superbike gefahren», erinnert sich McLaughlin, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt und hier verheiratet ist. «Freddie ist ein einzigartiger Mensch. Er hat bald herausgefunden, dass es besser ist, wenn er nicht allzu viel redet und nur wenig von sich preisgibt. Er war nicht so verschlossen und zurückgezogen wie Eddie Lawson, der sich beim Umgang mit den Medien nie wohlgefühlt hat. Freddie ist schon in jungen Jahren ein cleverer Bursche gewesen. Gleichzeitig war er wie jeder erfolgreiche Rennfahrer etwas egoistisch und auf sich bezogen.»
«Wir haben Freddie mit knapp 18 Jahren für Honda unter Vertrag genommen. Ich war damals nicht nur Teammanager, sondern bin selber noch Rennen gefahren als Honda-Teamkollege von Freddie, Ron Pierce und Roberto Pietri. Zwei Rennen nachdem ich Freddie engagiert hatte, hat mir mein Verstand gesagt, dass die Zeit für den Rücktritt gekommen ist. Mir war sofort klar: Kein Gegner wird diesen Jungen besiegen! Ich habe zwar Kenny Roberts in den USA nie besiegt, aber ich war einige Male nahe dran. Bei Freddie bestand nie die geringste Chance.»
Der redegewandte McLaughlin (73) war nicht nur der erste Promoter der Superbike-WM 1988, er hält sich auch zugute, in Amerika den Begriff «Superbike» miterfunden zu haben. «1976 hat die AMA-Serie noch ‚Production Superbike‘ geheißen. Ich habe damals einen Zwist mit dem US-Verband AMA über den Namen Superbike geführt. Als ich 1980 das Honda-Team gestartet habe, existierte bereits die neue US Superbike Championship.»
Doch Spencer bestritt das prestigeträchtige 200-Meilen-Rennen von 1980 noch auf einer Yamaha von Erv Kanemoto, denn die Honda-Rennmaschinen waren noch nicht startklar. Freddie nahm auch an den Easter Match Races zu Ostern in England 1980 mit einer Yamaha teil!
Der Japan-stämmige Amerikaner Erv Kanemoto wurde früh eine Vertrauensperson von Freddie Spencer. Er wurde auf Wunsch von «Fast Freddie» 1980 sogar von Honda zum 24-h-Klassiker «Bol d’Or» nach Le Castellet eingeladen.
Spencer hatte sich damals lange gegen die Teilnahme an diesem Langstrecken-Rennen auf dem Circuit Paul Ricard gesträubt.
Honda-Rennchef Michihiko Aika alias «Aika san» wollte den Honda-Star jedoch unbedingt als Verstärkung im 24-h-Werksteam haben. Erst dank einer Honda-Sondergage von 50.000 US-Dollar plus einem Überschallflug mit der Concorde konnte Fred überredet werden.
Daheim in den USA durften die von Straßenmotorrädern abgeleiteten Superbike-Vierzylinder 1980 erstmals mit maximal 1025 ccm Hubraum antreten. Motorgehäuse, Zylinder und Zylinderköpfe mussten der Serie entstammen, die Vergaser-Durchmessen waren auf 31 mm limitiert. Der Originalrahmen und die Schwinge durften versteift werden. Motortuning war erlaubt, was Technik und Material zuließen, die Art der Auspuffanlage stand den Herstellern frei. Honda bohrte das Modell CB 750F auf 1024 ccm auf und kämpfte gegen die oft überlegenen 1000-ccm-Bikes von Yoshimura-Suzuki und Muzzy-Kawasaki, mit denen Asse wie Wes Cooley und Eddie Lawson unterwegs waren.
«Ich hatte damals bei Honda als Teamchef in Amerika ein Budget von 1 Million Dollar, ich konnte also tun, was immer ich wollte», blickte McLaughlin heute im Gespräch mit SPEEDWEEK.com zurück. «Also habe ich die Strecke vor jedem Meisterschaftslauf gemietet. In Daytona sind wir vier Tage lang gefahren, auf den anderen Circuits haben wir uns für zwei oder drei Tage eingemietet. Ron Pierce, Roberto und ich gingen jeweils vom ersten Tag an auf die Strecke, wir haben uns da draußen tagelang den Arsch abgefahren. Am letzten Tag ist dann Freddie fröhlich aufgekreuzt, er ließ nagelneue Slicks aufziehen, die nicht angefahren waren. Und nach fünf Runden hat er jedes Mal den absoluten Rundenrekord gebrochen!»
Diese Überlegenheit von Spencer brachte den rennfahrenden Teamchef McLaughlin in Schwierigkeiten. «Ron Pierce war mein Freund, wir kannten uns seit dem 13. Lebensjahr. Ich hatte das Daytona 200 im Jahr 1980 auf dem Yoshimura-Superbike gewonnen. Ron Pierce bekam den Honda-Vertrag, weil er Daytona auf der Suzuki 1979 gewonnen hatte. Ron konnte nicht akzeptieren, dass der junge Freddie schneller war als er. Er war überzeugt, dass Freddie die besten unserer total 22 Motoren hatte. Also habe ich einmal alle Triebwerke mit identischen Vergaser-Settings auf den Prüfstand stellen lassen. Und es hat sich gezeigt: Ron Pierce hatte die besten Motoren.»
«Ich habe Ron dann erklärt: ‚Freddie ist 18, du bist 32. Der Junge hat Reflexe, die du vor zehn Jahren verloren hast», erinnert sich der redselige Steve McLaughlin, den sie aus gutem Grund «The Mouth» nannten. «Außerdem hatte Freddie ‚balls‘. Ron war zu alt, um leichtsinnig Dummheiten zu machen. Freddie riskierte viel mehr – und er hatte das nötige Talent.»
McLaughlin musste die Gage des jungen Freddie Spencer nicht von seinem 1-Mio-Dollar-Budget bezahlen. «Fred bekam ein Fixum von 55.000 Dollar. Dazu war ein lukratives Bonussystem vereinbart. Am Jahresende wurden ihm insgesamt fast 150.000 Dollar ausbezahlt. Das war vor mehr als 40 Jahren eine Menge Geld. Zum Glück hatte ich mit den Japanern vereinbart, dass die Gage von Fred nicht von meinem operativen Budget bezahlt wird.»