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Ducati: Warum ist der Hinterradspoiler verschwunden?

Von Günther Wiesinger
Beim Katar-GP 2019 waren Honda, Suzuki, KTM und Aprilia überzeugt, der Hinterradspoiler von Ducati sei illegal. Er wurde jedoch nicht verboten, die Gegner kopierten ihn. Jetzt verzichtet Ducati auf den «Spoon». Warum?

Gigi Dall’Igna, seit Oktober 2013 General Manager bei Ducati Corse, hat seit seinem Amtsantritt immer wieder Grauzonen des technischen Reglements erforscht und genutzt, um in der MotoGP-WM mit technischen Innovationen für Aufruhr zu sorgen. Meist blieb den gegnerischen Werken nichts anderes übrig, als die Neuheiten zu kopieren, zum Beispiel die Winglets, die Startvorrichtungen (Holeshot-Device) und den Rear Ride Height Adjuster. Doch bereits 2019 kam es beim Katar-GP zu einem Protest gegen den Sieg von Dovizioso und Platz 6 von Petrucci von Honda, Suzuki, KTM und Aprilia, weil damals der umstrittene Hinterradflügel und nach Ansicht vieler Experten illegale «Spoon» verwendet wurde.

Ducati behauptete, er diene zur Kühlung des Hinterradreifens. Doch jedem halbwegs aufgeweckten MotoGP-Ingenieur war klar, dass er in Wirklichkeit Downforce (Abtrieb) für das Hinterrad erzeugte. Das ließ sich im Windkanal jederzeit messen und beweisen.

Zur Erinnerung: Fünf Wochen nach dem misslungenen Protest von Honda, Suzuki, KTM und Aprilia gegen den umstrittenen Hinterradflügel von Ducati an den Desmosedici GP19 in Katar setzten die Protestführer Honda und KTM beim Grand Prix auf dem Circuit of the Americas (COTA) vorübergehend selbst so ein «swingarm device» ein. Bei Honda probierte es Marc Márquez am Freitag im vorletzten FP2-Run, bei KTM Johann Zarco im FP4.

Red Bull KTM-Werkspilot Pol Espargaró vermutete damals nach dem Qualifying in Texas, Zarco sei aus Versehen mit dem Flügel am Hinterrad losgefahren. Aber KTM-Ingenieur Sebastian Risse widersprach. «Es stimmt, dass Johann dieses ‚device‘ bei abtrocknenden Bedingungen im FP4 durchgehend verwendet hat, es war aber kein Versehen, sondern so geplant.»

Da das «Device» laut den Aerodynamic Guidelines nicht mit Absicht zur Erzeugung von Downforce (Abtrieb) am Hinterrad verwendet werden darf, erzählten die einfallsreichen Hersteller einfach, das Teil diene zur Versteifung der Schwinge, zur Kühlung des Hinterreifens oder als Wasserabweiser im Regen.

«Bei KTM ist es kein ‚spoiler‘, sondern wirklich nur ein Abweiser, wie ihn auch Yamaha beim Valencia-GP 2018 verwendet hat», betonte Sebastian Risse damals. «Er dient dazu, möglichst wenig Wasser auf den Hinterradreifen zu leiten. Bei Regenreifen, um Aquaplaning zu vermeiden und bei abtrocknenden Bedingungen mit Slicks, um ein Abkühlen durch Wassereintrag zu vermeiden.»

Gigi Dall’Igna, General Manager von Ducati Corse, überzeugte den MotoGP Technical-Director Danny Aldridge im März 2019, die Downforce in der Höhe von 3 bis 5 Newton sei ein unbeabsichtigter Nebeneffekt des Flügels. «Aber wir können damit die Reifentemperatur im Schnitt um ca. 7 Grad senken. Das ist das Ergebnis unseres Tests in Katar und wichtig, wenn es um die Performance und Rundenzeiten unserer Maschine geht.»

«Der Gigi ist ein Fuchs. Das Teil wiegt vielleicht allein schon 200 Gramm und erzeugt so mehr Radlast ganz ohne Aerodynamik», meinte 2019 ein MotoGP-Techniker. «Solange Gigi nicht angibt, bei welcher Geschwindigkeit dieser Abtrieb erreicht wird, ist seine Angabe leider wertlos. Bei 0 km/h hat jede Aerodynamik null Effekt. Der Effekt nimmt quadratisch mit der Geschwindigkeit zu. Ich kann nicht sagen, welchen Effekt so ein Device bei der Ducati hat, aber 2 bis 3 Newton (~ 200 bis 300 g) bei Höchstgeschwindigkeit, das kommt mir zu wenig vor.»

Zum Vergleich: Als grobe Größenordnung bei den Winglets vorne gelten 50 bis 150 Newton (~5-15 kg) bei Höchstgeschwindigkeit.
Wichtiger ist aber der Wert beim Kurvenausgang, denn am Ende der Geraden braucht man die Downforce weder vorne noch hinten. Wie viel Downforce in dem Moment anliegt, kommt auf die entsprechende Kurve an.

In der Saison 2019 rückten bald nach dem gescheiterten Protest alle Hersteller mit ähnlichen Hinterradspoilern wie Ducati aus.  Yamaha aber in erster Linie bei Regen, da dient der Spoon («Löffel») wirklich als Wasserabweiser für den Hinterreifen.

Aber Werksfahrer wie Johann Zarco und Marc Márquez waren sich schon 2019 einig: «Beim Fahren ist kaum ein Unterschied spürbar.»

Die Plätze 1 und 2 in Las Termas 2019 (Márquez vor Rossi) sowie in Texas 2019 (Rins vor Rossi) wurden jedenfalls ohne Hinterradspoiler herausgefahren. Und Marc Márquez gewann die WM 2019 überlegen ohne Hinterradspoiler.

Seither ist es um dieses Device ruhig geworden, das neue Front Ride Height Device (FRHD) hat das Thema längst verdrängt.

Deshalb ist kaum jemandem aufgefallen, dass Ducati bei der Desmosedici GP22 inzwischen wieder auf den Hinterradspoiler verzichtet, sogar vor einer Woche in Lombok, wo die Asphalttemperatur bis 64 Grad kletterte.

In dieser Saison ist der Hinterradspoiler bisher nur noch bei Suzuki, KTM und Aprilia zu sehen. Aber jedes Team kann zwei «Aero Bodys» pro Saison homologieren, also ist eine Rückkehr bei Ducati nicht ausgeschlossen.

«Durch das Ride Height Device und die neuen Aero-Check-Vorschriften hat sich die Situation etwas geändert», sagt Sebastian Risse, Technical Coordinator bei KTM in der MotoGP-Klasse. «Es ist jetzt nicht mehr so einfach, so einen Flügel auf der Schwinge unterzubringen.»

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