Sachsenring: 95 Jahre Geschichte und noch voll da
1970: Agostini auf dem Weg zu einem seiner elf Sachsenring-Siege
Der 26. Mai 1927 ist der Geburtstag des Sachsenrings, wenngleich er damals noch gar nicht so hieß. Damals knatterten erstmals zahlreiche teilweise argwöhnisch beobachtete Motorradfahrer im Renntempo beim «1. Badberg-Vierecks-Rennen» durch die Stadt Hohenstein-Ernstthal sowie über die am westlichen Ortstrand befindlichen Behelfsstraßen.
Von da an nahm die Geschichte des Sachsenrings, wie er seit 1937 heißt, ihren Lauf. Viele motorsportliche Schlachten wurden hier geschlagen. Die Glanzzeiten waren sicherlich die 1930er-Jahre mit den Läufen um den Großen Preis von Deutschland für Motorräder.
Während der Große Preis von Deutschland für Automobile seinen Platz auf dem Nürburgring fand, waren es am Sachsenring die Motorräder, die alljährlich im Mittelpunkt standen. Zwar war die deutsche Automobilindustrie mit Firmen wie Audi, Horch, DKW und Wanderer, die Anfang der 1930er-Jahre zur Auto Union verschmolzen, in Westsachsen sehr stark vertreten, doch die Motorräder waren es hier schließlich, die Tausende und Abertausende in ihren Bann zogen.
Nach 1927 und 1928, leider inklusive einiger Unfälle, ging es nach fünfjähriger Pause 1934 in Hohenstein-Ernstthal weiter. Die Sieger trugen damals so klangvolle Namen wie Jimmy Simpson, H.-G. Tyrell-Smith und Otto Ley.
1935 und 1936 gewann James Guthrie in der Klasse bis 500 ccm und avancierte damit zum großen Star. Wie in den besten Hollywood-Streifen wurde auch Jimmy Guthrie zum tragischen Helden. 1937 befand sich der Engländer erneut auf Siegesfahrt, als er in der letzten Runde tödlich verunglückte.
Der Zweite Weltkrieg setzte einen vorläufigen Schlusspunkt, doch 1949 erwachte der Sachsenring wieder. 380.000 Zuschauer pilgerten zum Ring und überzeugten mit ihrem Kommen die letzten Zweifler von der Richtigkeit des Comebacks. Im Jahr darauf erlebte der «Ring» dann mit 480.000 Besuchern seine Rekordkulisse.
Das nächste Highlight ereignete sich 1961. Erstmals gastierte die gesamte Weltelite am Sachsenring, denn der Große Preis der DDR zählte zur Motorrad-Weltmeisterschaft. Mit Ernst Degner auf MZ gab es in der Klasse bis 125 ccm zudem einen vielumjubelten Heimsieg.
1971 folgte der nächste Sieg eines deutschen Fahrers. Der westdeutsche Dieter Braun überfuhr nach schlechtem Start und packendem Kampf vor Rodney Gould und Phil Read als Sieger die Ziellinie. Dies sowie die unumgängliche Notwendigkeit, die (West-) deutsche Nationalhymne für den zum Top-Fahrer gereiften Dieter Braun über den Äther schicken zu müssen, waren sicherlich weitere Gründe der DDR-Oberen, den WM-Läufen am Sachsenring den Garaus zu machen.
Was ab 1973 folgte, war guter und mit viel Liebe hauptsächlich auf unzähligen Eigeninitiativen basierender, allerdings weniger glanzvoller Motorsport.
Ende der 1980er-Jahre vollzog sich zum Glück die politische Wende. 1990 waren erstmals wieder Fahrer aus dem westlichen Ausland am Start. Höhepunkt war das Rennen der Klasse Superbike, das Manfred Fischer vor Peter Rubatto und Michael Rudroff für sich entschied. Bedauerlicherweise verunglückten drei Rennfahrer tödlich. Die 8,618 km lange Rennstrecke mit Stadt- und Walddurchfahrten war einfach nicht mehr zeitgemäß.
Für den Bau einer permanenten Rennstrecke fehlten die Mittel, sodass sich das Projekt eines Verkehrssicherheitszentrums mit der Möglichkeit, dieses für Motorsportveranstaltungen zu nutzen, als echter Glücksgriff erwies. Nach zwei Jahren Internationaler Deutscher Motorradmeisterschaft inklusive PRO SUPERBIKE sowie Rennen zum Super Tourenwagen Cup (STW), kehrte 1998 die Motorrad-WM an den neuen Sachsenring zurück.
Neben einer modernen Anlage waren die zahlreichen treuen Fans der Faustpfand für das rührige Organisationsteam bei der Bewerbung. Seitdem mussten sich der Sachsenring und das Verkehrssicherheitszentrum mehreren Schönheitsoperationen unterziehen. Jeder Bauabschnitt war zur jeweiligen Zeit notwendig und vertretbar, schließlich ergossen sich Fördermittel nicht aus Kübeln über dem Ring, womit sich die immer wieder kehrenden kleinen Schritte begründen. Seien wir froh, dass sich die weltbesten Motorradfahrer hier bis heute Jahr für Jahr ein Stelldichein in Deutschland und auf dem Sachsenring geben.
Übrigens, mit je elf Triumph-Fahrten führen der Italiener Giacomo Agostini (zwischen 1966 und 1972) und der Spanier Marc Márquez (2010 bis 2021) das Ranking nach den meisten Sachsenring-Siegen noch gleichauf an.