Valentino Rossi sucht das Glück

KTM mit Binder & Miller und Oliveira & Pol Espargaró?

Von Günther Wiesinger
Beim MotoGP-Fahreraufgebot von KTM bahnt sich für 2023 eine saftige Überraschung an: Beide Rookies raus, die Routiniers Miller und Pol Espargaró rein. Was spricht alles für diesen Plan?

Aller Voraussicht nach braucht KTM im Red Bull-Werksteam neben Brad Binder einen Platz für Miller. Auch Pol Espargaró soll von Honda zurückkehren. Deshalb wurde Miguel Oliveira ein Platz bei KTM-Tech3 angeboten. Doch damit kann sich der Portugiese bisher nicht abfinden. Aber ein Blick auf die Ergebnisse bringt Klarheit: Miller hat die MotoGP-WM 2021 als Vierter beendet, er lag vor dem Mugello-GP vor Bagnaia auf dem vierten WM-Rang. Und er könnte 2023 jederzeit bei Pramac-Ducati fahren, wo jetzt Martin und Zarco an guten Tagen um Pole-Positions und Podestplätze fighten.

Doch in Mugello war zu hören, dass sich Jack Miller und Ducati bisher über die Vertragsdauer nicht einig wurden (er will zwei Jahre, Ducati ein Jahr) und außerdem die Abschiebung vom Lenovo- ins Pramac-Team mit einer schmerzhaften Gagenreduktion einhergehen würde.

Deshalb ist Miller bereit, 2023 bei Red Bull-KTM zu fahren und einen Zweijahres-Vertrag beim Hersteller aus Oberösterreich zu unterschreiben, für den er 2014 sieben Moto3-Rennen gewann und den Titel gegen Alex Márquez nur um zwei Punkte verspielte.

Pit Beirer, Motorsport-Direktor von KTM, wollte diesen Deal in Mugello gegenüber SPEEDWEEK.com nicht bestätigen; er dementierte ihn aber nicht. «Für Jack spricht, dass er drei MotoGP-Rennen gewonnen hat und im Vorjahr WM-Vierter geworden ist», stellte Beirer fest.

Millers Widersacher Miguel Oliveira hat zwar 2021 in Mugello mit Platz 2 eine Erfolgsserie gestartet, die dann eine Woche später mit dem Sieg beim Catalunya-GP ihren Höhepunkt erlebte und sich mit den Plätzen 2 und 5 in Sachsen und Assen fortsetzte. Doch dann stürzte der Portugiese im FP1 in Spielberg schwer. Er zog sich eine schmerzhafte Handverletzung zu, die ihn wochenlang an Topleistungen hinderte.

Das trug dazu bei, dass der Portugiese seit elf Monaten nur zwei Top-Ten-Ergebnisse im Trockenen erzielt hat: Mit Platz 5 in Portimão 2022 und am Sonntag mit Platz 9 in Mugello.

Oliveira: «Mein Traumplatz ist nicht verfügbar»

Doch Miguel Oliveira hat auf der KTM RC16 vier MotoGP-Siege errungen, doppelt so viele wie sein aktueller Teamkollege Binder. Deshalb will er sich verständlicherweise nicht aus dem Red Bull KTM MotoGP Factory Team verdrängen lassen, obwohl er im Tech3-Kundenteam 2020 zweimal gewonnen hat – in Spielberg und Portimão.

Oliveira und sein Manager-Vater Paulo hören sich auch nach anderen Möglichkeiten um. Aber sehr reizvolle offene Stellen existieren nicht: LCR-Honda, Gresini-Ducati, WithU-RNF-Aprilia, das sind keine reizvollen Destinationen, wenn es um die Fahrergage und langfristige Perspektiven geht. Denn bei KTM könnte Oliveira nach einem Jahr mit starken Leistungen wieder ins Red Bull-Team zurückkehren.

«Der Platz bei Tech3-KTM ist mir vor dem Mugello-GP angeboten worden», räumte Oliveira ein. «Ich denke darüber nach, aber mein Traumplatz ist das nicht.»

Was ist der Traumplatz? «Der ist nicht mehr verfügbar», ließ sich der Moto3-Vizeweltmeister von 2015 (sechs Punkte hinter Danny Kent) und Moto2-Vizeweltmeister von 2018 (neun Punkte hinter Bagnaia) entlocken.

Es deutet also alles darauf hin, dass bei Red Bull-KTM die Entscheidung für Miller als Teamkollege für Binder schon gefallen ist, wie SPEEDWEEK.com am Samstag berichtet hat.

Da sich gleichzeitig Remy-Gardner-Manager Paco Sanchez mit einem missglückten Interview bei KTM unbeliebt gemacht hat, als er das finanzielle Angebot für den Australier für 2023 bemängelte und die Qualität der Technikcrew von Tech3 kritisierte, bahnt sich jetzt auch beim KTM-Tech3-Team eine Überraschung an.

«Die Fahrer-Manager wie Paco Sanchez sind neben Covid die größte Seuche der Gegenwart», stellte Pit Beirer im Interview mit SPEEDWEEK.com fest.

Man muss kein Prophet sein, um hier keine Gesprächsbasis für Vertragsverhandlungen mehr ausfindig zu machen.

Deshalb ist mit einer Trennung zwischen Gardner und KTM zu rechnen, auch wenn Pit Beirer das bedauert, weil er dem Moto2-Weltmeister bescheinigt, in der MotoGP seinen Weg machen zu können.

Gleichzeitig ist bei KTM das Interesse an einer neuen Zusammenarbeit mit Rául Fernández stark gesunken. Der 21-jährige Spanier, der im Herbst 2020 zwei Moto3-Rennen und 2021 als Rookie acht Moto2-Rennen gewonnen hat, kommt in der «premier class» auf keinen grünen Zweig. Er ist nach acht Rennen punktelos, mehrmals schwer gestürzt, er hat jegliches Selbstvertrauen verloren, er liefert den Ingenieuren keine Anhaltspunkte und keinen technischen Input.

Erschwerend kommt dazu: Raúls Geschäfte führt eine Managementfirma mit vier Managern, auch der robuste Vater Carlos mischt tatkräftig mit. Er pochte zum Beispiel im Herbst nachdrücklich und teilweise lautstark darauf, dass der jüngere Bruder Adrián in der Moto3-WM für 2022 einen Vertrag bei Red Bull-KTM bekommen müsse. Er war WM-22. auf der Werks-Husqvarna, jetzt liegt der 18-jährige Spanier aus dem Red Bull-KTM-Tech3-Team wieder auf dem 22. WM-Rang.

Dazu haben die KTM-Verantwortlichen wie Stefan Pierer, Hubert Trunkenpolz und Pit Beirer schon mehrmals klargestellt: Optionen auf die Fahrer werden nur eingelöst, wenn sie wirklich bedingungslos an das MotoGP-Projekt glauben. Deshalb wurde zum Beispiel Jorge Martin für 2021 an Pramac-Ducati freigegeben und Johann Zarco 2019 nach dem Misano-GP freigestellt. 

KTM: Appetit auf Rookies gesunken

Nach den jüngsten Ereignissen ist bei KTM momentan das Interesse an Experimenten mit Rookies gesunken. Die Österreicher neigen dazu, die KTM RC16 in der kommenden Saison mit vier Topfahrern zu entwickeln, bis sie wie die Ducati Desmosedici auch für Rookies ein geeignetes Gerät ist.

Da Pol Espargaró kein Geheimnis daraus macht, dass er nach zwei Repsol-Honda-Jahren (bisher zwei Podestplätze) gern zu KTM zurückkehren würde, bahnt sich ein starkes Fahrerduo bei KTM-Tech3-Team für 2023 an – mit Miguel Oliveira und Pol Espargaró, der 2020 mit der KTM bei 14 Rennen zwei Pole-Positions, fünf dritte Plätze und den fünften WM-Rang herausgefahren hat.

Pit Beirer unterstrich zuletzt sein Interesse an Pol Espargaró. «Pol hat bei uns das MotoGP-Projekt von 2017 bis 2020 ganz stark mitgeprägt. Mit seiner Hilfe sind wir dorthin gekommen, wo wir sind», stellte der KTM-Stratege fest.

«Jeder dieser Kandidaten hat ganz aussergewöhnliche Fähigkeiten», ergänzte der 250-ccm-Motocross-Vizeweltmeister von 1999, für den damals der heutige Oliveira-Crew-Chief Paul Trevathan aus Neuseeland als Mechaniker tätig war.

Ergebnisse MotoGP-Rennen Mugello (29. Mai):

1. Pecco Bagnaia, Ducati, 23 Runden in 41:18,923 min
2. Fabio Quartararo, Yamaha, +0,635 sec
3. Aleix Espargaró, Aprilia, +1,983
4. Johann Zarco, Ducati, +2,590
5. Marco Bezzecchi, Ducati, +3,067
6. Luca Marini, Ducati, +3,875
7. Brad Binder, KTM, +4,067
8. Takaaki Nakagami, Honda, +10,944
9. Miguel Oliveira, KTM, +11,256
10. Marc Márquez, Honda, +11,800
11. Fabio Di Giannantonio, Ducati, +12,916
12. Maverick Vinales, Aprilia, +12,917
13. Jorge Martin, Ducati, +17,240
14. Alex Márquez, Honda, +17,568
15. Jack Miller, Ducati, +17,687
16. Darryn Binder, Yamaha, +20,265
17. Franco Morbidelli, Yamaha, +20,296
18. Michele Pirro, Ducati, +21,305
19. Remy Gardner, KTM, +30,548
20. Andrea Dovizioso, Yamaha, +31,011
21. Raúl Fernández, KTM, +42,723
22. Lorenzo Savadori, Aprilia, 1 Runde zurück
– Enea Bastianini, Ducati, 10 Runden zurück
– Alex Rins, Suzuki, 16 Runden zurück
– Joan Mir, Suzuki, 16 Runden zurück
– Pol Espargaró, Honda, 19 Runden zurück

Fahrer-WM-Stand nach 8 von 20 Grands Prix:

1. Quartararo, 122 Punkte. 2. Aleix Espargaró 114. 3. Bastianini 94. 4. Bagnaia 81. 5. Zarco 75. 6. Rins 69. 7. Brad Binder 65. 8. Miller 63. 9. Marc Márquez 60. 10. Mir 56. 11. Oliveira 50. 12. Pol Espargaró 40. 13. Nakagami 38. 14. Viñales 37. 15. Martin 31. 16. Marini 31. 17. Bezzecchi 30. 18. Alex Márquez 20. 19. Morbidelli 19. 20. Di Giannantonio 8. 21. Dovizioso 8. 21. Darryn Binder 6. 23. Gardner 3.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati, 181 Punkte. 2. Yamaha 122. 3. Aprilia 115. 4. KTM 93. 5. Suzuki 80. 6. Honda 75.

Team-WM:

1. Aprilia Racing, 151 Punkte. 2. Ducati Lenovo 144. 3. Monster Energy Yamaha 141. 4. Suzuki Ecstar 125. 5. Red Bull KTM Factory 115. 6. Prima Pramac Racing 106. 7. Gresini Racing 102. 8. Repsol Honda 100. 9. Mooney VR46 Racing 61. 10. LCR Honda 58. 11. WithU Yamaha RNF 14. 12. Tech3 KTM Factory 3.

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