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KymiRing: Statt der GP-Piste wieder eine Kiesgrube?

Von Günther Wiesinger
Seit drei Jahren macht der KymiRing als MotoGP-Schauplatz nur durch Absagen von sich reden. Jetzt wird auch noch eine Verschleuderung von Millionen an Steuergeldern offenkundig. Die bizarren Hintergründe.

Nach der dritten Absage des KymiRing-Grand Prix nach 2020 und 2021 droht das finnische Rennstrecken-Projekt nahe der Stadt Kouvala und 110 km nordöstlich von Helsinki in einer Farce zu versanden. Der kurzfristige abgesagte Grand Prix hat alle Zutaten für einen Skandal, er wird aller Voraussicht nach ein Nachspiel haben. Vielleicht sogar vor Gericht. Denn es tun sich ein paar Besorgnis erregende Fragen auf.

Denn die Rennstrecke KymiRing, am 19. August 2019 mit einem Auftritt der MotoGP-Testteams von Honda, Yamaha, Suzuki, Ducati, KTM und Aprilia eröffnet, als die Piste noch im Rohbau war und einer Baustelle glich, liefert pausenlos Stoff für negative Nachrichten. Das bemängelt auch die auflagenstarke finnische Tageszeitung «Helsingin Sanomat» (HS).

Der letzte Rückschlag war die abermalige Streichung des Finnland-GP vom 10. Juli aus dem MotoGP-Kalender 2022, die sich seit Monaten abgezeichnet hatte. Das war der letzte Tropfen, der das Fass bei den KymiRing-Kritikern zum Überlaufen brachte. Denn ein Blick auf die Entstehung der Rennstrecke ergibt ein obskures Zusammentreffen von Pleiten, Pech und Pannen.

Kritik von Lokalmatador Mika Kallio

Das Design für die Strecke, die neben der MotoGP auch die Formel 1 beherbergen sollte, begann 2007. Aber erst 2019 wurde der Asphaltbelag fertiggestellt. Und selbst der finnische Lokalmatador und KTM-MotoGP-Testfahrer Mika Kallio sprach von einer einfallslosen Streckenführung, die null Überholmöglichkeiten biete.

Dann fiel der MotoGP-WM-Lauf 2020 der Corona-Pandemie zum Opfer. Auch 2021 fand der Event nicht statt – als einziger in Europa.

Von den einst hochtrabenden und teilweise bizarren Plänen ist nicht viel zu sehen. Es existierte sogar ein Projekt namens Racing Loge, es sollten Ferienhäuser rund um die Anlage entstehen; von den zweistöckigen Gebäuden hätten zumindest die zahlungskräftigen Fans die Rennen bewundern sollen. Doch die ausgewählte Baufirma machte Bankrott.

Etliche Lokalpolitiker, so berichten «Helsingin Sanomat» und die führende Abendzeitung «Iltalehti», hätten von Anfang an gegen die Rennstreckenpläne opponiert. Es gab viele Beschwerden und Einsprachen. Und die finanzielle Beteiligung der Stadt Lathi ging ebenfalls den Bach runter.

Bei einer Voruntersuchung durch die Polizei wird momentan ermittelt, ob der KymiRing-Event-Veranstalter «Lathi Events» den Rennstreckenbetreibern tatsächlich ein Darlehen in der Höhe 2,8 Millionen Euro aus der Stadtkasse von Lathi ausbezahlt hat.

Die polizeiliche Voruntersuchung wurde nach der Klage eines Bürgers eingeleitet, der den Verdacht äußerte, es sei Steuergeld missbräuchlich verwendet worden.

Pekka Timonen, der Bürgermeister von Lathi, macht sich jetzt Sorgen um die Investitionen seiner Stadt und die Sinnhaftigkeit des Darlehens. Er verlangt, dass die Rennstreckenbesitzer die getroffenen Vereinbarungen endlich einhalten, also den Circuit fertigstellen und fünf Jahre lang einen Grand Prix abwickeln.

Auch die Firma «Lathi Events» steht im Kreuzfeuer der Kritik, denn sie ist finanziell ins Trudeln gekommen. Das Unternehmen steht zu 100 Prozent im Eigentum der Stadt Lathi; die zuständigen Politiker überdenken jetzt ihr Verhältnis zu den KymiRing-Betreibern.

Denn offenbar sind bis zu 2,8 Millionen Euro allein für die MotoGP-Promotion und andere umstrittene Ausgaben verjuxt worden. Lathi Events wird sich deshalb voraussichtlich aus dem GP-Projekt in Iiti (50 km von Lathi entfernt) zurückziehen – oder sogar in die Zahlungsunfähigkeit schlittern.

Lathi Events meldete 2021 einen bescheidenen Umsatz von 59.700 Euro; im Jahr davor lag er noch bei 1,1 Mio. Die Firma erwirtschaftete 2021 einen Verlust von 667.000 Euro, es ist von Schulden in der Höhe von 1,8 Mio. die Rede. Die Wirtschaftsprüfer meldeten erhebliche Zweifel an der Lebensfähigkeit von Lathi Events.

Mietvorauszahlung in der Höhe von € 2 Millionen

Die finnische Abendzeitung «Iltalehti» verfügt über Dokumente, die nahelegen, dass Lathi Events für die Planung und das Marketing abgesagter KymiRing-Veranstaltungen 500.000 Euro ausgegeben und für die Nutzung des Rennstreckenareals eine Mietvorauszahlung in der Höhe von 2 Millionen Euro getätigt hat. Die Einnahmen in diesem Zeitraum dürften hingegen gegen null tendiert haben.

Das Argument der Umwegrentabilität und der Tourismus-Ankurbelung mit regionalen wirtschaftlichen Effekten ist bisher nicht stichhaltig. Denn bis heute hat auf dem KymiRing keine internationale Veranstaltung stattgefunden.

Bisher steht zumindest der Motocross-GP vom 14. August noch im Kalender. Auch wenn es die Verantwortlichen bei MX-Promoter Infront Moto Racing dementieren, hält sich im MXGP-Fahrerlager das hartnäckige Gerücht, dass der KymiRing wie die MotoGP aus dem Kalender 2022 gestrichen wird.

Obwohl sich der KymiRing in Privatbesitz befindet, sind erhebliche Summen an Steuergeld im Spiel. Ob solche Subventionen den EU-Gesetzen entsprechen, darf bezweifelt werden.

500.000 Euro hat die Gemeinde Iiti in den KymiRing investiert. Dazu hat der Stadtrat von Lathi im Mai 2019 beschlossen, über die Firmen KOKO Latho Oy und Lathi Events Oy zwei Millionen Euro in den KymiRing zu investieren, um einen 12,5-%-Anteil am Stammkapital der Gesellschaft zu erhalten. Doch das Verwaltungsgericht von Hämeenlinna hat diese Entscheidung aufgehoben, weil dieses Steuergeld quasi freihändig und ohne ausreichende betriebswirtschaftliche Prüfung vergeben worden ist.

Bisher € 30 Mio. investiert – oder in den Sand gesetzt?

Die meisten Bedenken aus der Vergangenheit wären vermutlich in Vergessenheit geraten oder unter den Tisch gekehrt worden, wenn der WM-Lauf am 10. Juli 2022 anstandslos über die Bühne gegangen wäre.

Aber es ist wieder einmal alles schief gelaufen.

Dabei betonte Riku Rönnholm, der CEO des KymiRings, noch eine Woche vor der Absage, es laufe alles nach Plan. Doch diese Hoffnung erwies sich als trügerisch.

Denn die Funktionäre von Dorna, FIM und IRTA bemängelten die immer noch nicht asphaltierte Rettungsfahrbahn («Ambulance Road») und den fehlenden Asphalt im Fahrerlager sowie andere Unzulänglichkeiten, zum Beispiel die nicht fertiggestellte Boxenmauer.

Die Boxenanlage steht zwar, aber viele Baumaßnahmen harren noch der Vollendung – fast drei Jahre nach dem ersten MotoGP-Test, wohlgemerkt.

Der Grund für die Streichung des GP von Finnland hat mit der Inkompetenz der Rennstreckenbetreiber zu tun und mit der Unvollständigkeit der Infrastruktur, die für einen MotoGP-Event unabdingbar ist.

Bereits im vergangenen Herbst beliefen sich die bisherigen Baukosten für den KymiRing (4,650 km lang, 18 Kurven, Zielgerade 1,1 km lang) auf 30 Millionen Euro. Regelmäßige Besucher berichten, seither seien mit freiem Auge keine echten Baufortschritte mehr zu sehen. Das dokumentierten auch aktuelle Fotos. Die Schotter-Zufahrtstrassen präsentieren sich in einem erbärmlichen Zustand.

Die Atmosphäre erinnert eher an eine Meisterschaft im Wettpflügen als an eine renommierte MotoGP-Veranstaltung.

Laut Bürgermeister Jarkko Salonen hat der KymiRing noch Schulden in sechsstelliger Höhe bei der Gemeinde Iiti. Die Gemeinde hat ihren 17,1-%-Anteil an der Rennstrecke in diesem Jahr verkauft.

Allerdings ließ sich die Gemeinde den Ausbau der Autobahn A12 und den Bau eines Bahnübergangs für den KymiRing stolze 1,9 Millionen Euro kosten. Eine vorläufig sinnlose Geldverschwendung. 

Bisher haben sich die KymiRing-Hintermänner Timo Pohjola und Kari O. Sohlberg offenbar nicht als die zuverlässigsten Partner erwiesen, weder für die Dorna noch für die Politiker.

Es deutet einiges darauf hin, dass das Areal des KymiRings, der seinen Namen vom Fluss Kymi (Kymijoki) bekommen hat, als Brutstätte eines Kriminalfalls in die Geschichte eingehen und bald wieder als Kiefernwald und Kiesgrube sein Dasein fristen wird.

Der GP-Kalender 2022

06. März: Losail Circuit/Katar
20. März: Mandalika Street Circuit/Indonesien
03. April: Termas de Río Hondo/Argentinien
10. April: Circuit of The Americas/Texas
24. April: Portimão/Portugal
01. Mai: Jerez/Spanien
15. Mai: Le Mans/Frankreich
29. Mai: Mugello/Italien
05. Juni: Catalunya/Spanien
19. Juni: Sachsenring/Deutschland
26. Juni: Assen/Niederlande
07. August: Silverstone/GB
21. August: Red Bull Ring/Österreich
04. September: Misano/Italien
18. September: MotorLand Aragón/Spanien
25. September: Motegi/Japan
02. Oktober: Buriram/Thailand
16. Oktober: Phillip Island/Australien
23. Oktober: Sepang/Malaysien
06. November: Valencia/Spanien

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