Miguel Oliveira: Ducati? Aprilia? Oder wieder KTM?
Miguel Oliveira hat schon beim Mugello-GP deutlich gemacht, dass er als vierfacher MotoGP-Sieger die Abschiebung vom Red Bull-KTM-Factory-Team ins Tech3-KTM-Kundenteam nicht akzeptieren werde. Er informierte dort am Abend sein Team über den Abgang per Saisonende und machte sich deshalb mit seinem Vater Paulo auf die Suche nach einem anderen Spitzenteam. Die Suche führte ihn zu Ducati, wo der schnelle der Portugiese willkommen war, weil für Gresini Racing ein vielversprechender Ersatz für den WM-Dritten Enea Bastianini gesucht wird, weil der dreifache Saisonsieger satt Miller ins Ducati-Lenovo-Werksteam transferiert wird.
Am Samstag nach dem Qualifying in Barcelona marschierten Paulo und Miguel Oliveira bekanntlich in Begleitung von Ducati-Sportdirektor ins Camp von Gresini Racing, denn Teambesitzerin Nadia Padovani musste den Deal noch endgültig absegnen.
Doch seither wurden keine nennenswerten Fortschritte erzielt, obwohl Oliveira m Donnerstag beim Deutschland-GP klarstellte, dass er sich von KTM trennen werde. Zu diesem Zeitpunkt war aber bereits durchgesickert, dass er bei Ducati noch nicht unterschrieben hat, obwohl er sich mit Ducati-Corse-General Manager Gigi Dall’Igna und Sportdirektor über die Vertragsdauer und die Fahrergage offenbar einig war.
Inzwischen ist auch klar, dass zwei persönliche Sponsoren von Oliveira bei Gresini Racing nicht ins Konzept passten. Die Autofirma Hyundai sowie eine Bank.
Deshalb trafen sich Miguel und Paulo Oliveira am Donnerstag auf dem Sachsenring heimlich mit Aprilia-Racing-Renndirektor Massimo Rivola.
Gigi Dall’Igna wusste am Freitag in Sachsen nichts vom Treffen Oliveiras mit Rivola. «Im Moment dreht es sich bei dieser Diskussion um Gresini Racing und Oliveira, nicht um Oliveira und Ducati», stellte Dall’Igna fest. «Es müssen noch gewisse Einzelheiten besiegelt werden.»
Es stimmt also, dass sich Oliveira und Ducati über den neuen Vertrag einig sind? «Wir sind happy, wenn Oliveira in Zukunft unser Motorrad fährt», ergänzte der Ducati-Corse-General Manager. «Er ist ein Fahrer, der mir sehr gut gefällt. Und das gilt nicht nur für mich. Jedem hier gefällt sein Fahrstil und seine mentale Einstellung. Er wäre für Gresini Racing sicher eine der besten Optionen. Aber ich weiß momentan nicht, wo die Probleme liegen. Darüber muss ich mit Gresini Racing diskutieren.»
Aprilia sucht bekanntlich für das neue WithU-RNF-Kundenteam von Razlan Razali, und da das italienische Werk die Fahrergagen für das Fahrerduo bezahlt, redet Aprilia auch bei der Fahrerwahl massgeblich mit.
«Wir möchten einen jungen Fahrer mit MotoGP-Erfahrung und einen Rookie», hat Razlan Razali beim Mugello-GP gegenüber SPEEDWEEK.com erwähnt.
«Seit Suzuki den Rückzug angekündigt hat, haben sich für die nächste Saison auf dem Fahrermarkt ein paar sehr gute Gelegenheiten eröffnet», erklärte Aprilia-Renndirektor Massimo Rivola. «Vor hatten wir geplant, das WithU-Team mit zwei Rookies oder zwei sehr jungen Piloten zu bestücken. Aber nach der Suzuki-Geschichte haben wir entschieden, einen erfahrenen Piloten uns einen Neuling zu verpflichten, wobei die verfügbaren Routiniers tatsächlich noch jung sind.»
Richtig: Denn die Kandidaten Rins und Oliveira sind 26 und 27 Jahre alt. Wir haben keine Eile und müssen unseren Businessplan und unser Budget Rücksicht nehmen, das wir für das Satellitenteam haben. Da das Thema Kundenteam neu für und delikat ist, wollen wir keinen schlechten Eindruck machen. Wir strengen uns sehr an, die idealen Strukturen für RNF zu schaffen.»
Rivola musste schmunzeln, als er von SPEEDWEEK.com gefragt wurde, ob Oliveira jetzt der aussichtsreichste Kandidat beim WithU-Team sein, ließ er sich nur ein Schmunzeln entlocken. «Ich habe mit sehr viele Leute getroffen», lachte er. «Oliveira wäre eine super Wahl. Aber auch Alex Rins wäre ein außergewöhnlich schneller Fahrer...»
Nach Gesprächen mit vielen Entscheidungsträgern zeichnet sich jetzt klar ab: Oliveira wird bei WithU-Aprilia 2023 die neue Nummer 1, sein KTM-Markengefährte Raúl Fernández, 2021 Moto2-Vizeweltmeister mit acht Saisonsiegen, wird aller Voraussicht nach den zweiten Platz übernehmen.
Das bedeutet: Neben Andrea Dovizioso wird 2023 auch Darryn Binder keinen MotoGP-Vertrag mehr haben.
Nach den Meinungsverschiedenheiten mit Remy-Gardner-Manager Paco Sanchez und wegen der unzureichenden Performance von Rául Fernández stand bei KTM auch einmal ein Dream Team mit vier Stars zur Debatte wie Lenovo und Pramac. Brad Binder und Jack Miller sind ja für 2023 und 2024 fix im Red Bull KTM Factory-Team, bei Tech3-KTM gilt Pol Espargaró als gesetzt; den zweiten Platz hätte Oliveira beschlagnahmen können oder sollen.
Denn mit Tech3-Pilot Remy Gardner gab es mit KTM keine Gespräche mehr, seit dessen Manager Paco Sanchez die unzureichende Gage und die Qualität der Technik-Crew bei Tech3 angeprangert hat.
Könnte Miguel Oliveira, der schon 2015 bei Red Bull-KTM in der Moto3-WM fuhr fuhr, Vizeweltmeister wurde und dann 2017 nach einem völlig missglückten Moto2-Jahr bei Leopard-Kiefer ins Red Bull-Ajo-Team zurückkehrte und jetzt seine insgesamt siebte Saison bei Red Bull-KTM absolviert, am Ende sogar alle Pläne über den Haufen werfen und das KTM-Angebot beim Tech3-Team als Teamkollege von Pol Espargaró annehmen, obwohl er sich bei den Österreichern eigentlich schon verabschiedet hat?
«Meine Absichten waren ziemlich klar: Entweder ich bekomme bei KTM den Sitz im Werksteam oder ich gehe woanders hin», stellte Oliveira beim Sachsenring-GP fest. «Ich bin ein Mensch, der sich gerne alle Türen offen hält. Aber diese Option war nicht verfügbar, deshalb blieb uns nichts anderes übrig, als nach diesem Jahr wegzugehen.»
Aber der Deal mit Gresini Ducati droht zu scheitern und bei WithU-RNF müsste der vierfache MotoGP-Sieger mit Aprilia-RS-GP22-Maschinen fahren.
Wäre da bei nüchterner Betrachtungsweise ein KTM-Werksvertrag mit 2023-Motorrädern bei Tech3 aussichtsreicher, in einem Team, für das er 2020 schon die MotoGP-Rennen in Spielberg und Portimão gewonnen hat?
«Offensichtlich ist beim Tech3-KTM-Team noch ein Sitz frei», räumte Oliveira beim Deutschland-GP auf Nachfrage ein. «Sag niemals nie. Lass’ uns abwarten. Aber ich sehe diesem Schritt nicht wirklich mit Freude entgegen.»