Honda-Krise: Das Schlimmste sind nicht die Ergebnisse
Pol Espargaró landete am Freitag auf dem SaRi gleich zweimal im Kiesbett von Kurve 1
Auch wenn es eine sehr besorgniserregende Situation zeichnet, ist das Schlimmste an Hondas MotoGP-Krise nicht die historische Schlappe in den Ergebnislisten. Es ist auch nicht so, dass der Deutschland-GP am vergangenen Wochenende etwas Neues zu Tage befördert hätte, vielmehr unterstrich der Event, wie sehr die aktuelle RC213V zu einem «Fahrer fressenden Bike» geworden ist – und wir reden dabei über den körperlichen und psychologischen Aspekt.
Nach dem 30-Runden-Rennen sprach HRC-Testfahrer und Márquez-Ersatz Stefan Bradl aus, was im Fahrerlager zuvor hinter vorgehaltener Hand gemunkelt worden war. Was bei Honda passiert, sei «nicht akzeptabel», hielt der Bayer fest, nachdem er sich trotz Verbrennungen als 16. und Letzter ins Ziel gequält hatte. Bradl erklärte außerdem, dass er gezwungen war, vor ihm eine Lücke aufreißen zu lassen – auf der Suche nach kühlender Luft, um gegen die sengende Hitze anzukämpfen, die unter der Verkleidung von seinem Motorrad ausgestrahlt wurde.
Das Bild von der Brandblase an Bradls rechtem Fuß zirkulierte in den vergangenen Tagen auf den sozialen Netzwerken. Das erklärt auch das Foto von Pol Espargaró, der seinen rechten Fuß nach dem Rennen in kaltes Wasser hielt. Wie ein Domino-Effekt kamen plötzlich weitere solche Episoden ans Tageslicht – wie jene von Takaaki Nakagami in Malaysia, der aus demselben Grund sein Team unter quälenden Schmerzen bat, ihm seinen rechten Stiefel auszuziehen.
Hondas RCV war immer schon ein schwierig zu fahrendes Bike, das war immer Teil der DNA. Wie oft hat man von Marc Márquez gehört, dass es ein sehr forderndes Motorrad war, das er «bändigen» musste, und nur so konkurrenzfähig wurde? Und sieben Jahre lang, von 2013 bis 2019, war nur Marc dazu in der Lage. Er ging das Risiko ein, das vom Bike gefordert wurde, und kam auf brillante Weise zu sechs MotoGP-Titeln – aber auch auf eine überwältigende Crash-Zahl: 120 in sieben Saisons.
Was nun besonders besorgniserregend ist: Man ist weit davon entfernt, die Situation zu verbessern. Vielmehr wurde sie durch die Einführung der 2022er-Honda verschlimmert – ein Motorrad, das mit seinem revolutionären Konzept im Vergleich zu den Vorgängern auf dem Papier fahrerfreundlicher hätte sein sollen. Inzwischen ist aber klar, dass das neue Bike nicht nur ein Fiasko, sondern das eingangs erwähnte «Fahrer fressenden Bike» ist. Die Zahlen sprechen für sich.
In den bisher zehn Grand Prix der laufenden Saison stürzte Alex Márquez zwölf Mal; Pol Espargaró zehn Mal; Marc Márquez genauso oft, obwohl er die Saison nach Mugello für die vierte Oberarm-OP unterbrach; Nakagami sechs Mal; Bradl fünf Mal – bei vier bestrittenen Grand Prix. Anders gesagt: Die Honda-Piloten kommen zur Hälfte der Saison auf total 43 Stürze. Und wir müssen uns vor Augen halten, dass wir von zehn Grand Prix reden.
Es ist daher wenig überraschend, dass sich die Moral der Honda-Piloten auf einem Allzeit-Tief befindet. Das Bild eines geschlagenen Pol Espargaró, der das Rennen aufgeben musste, ist besonders eindrucksvoll. Denn wenn es einen zähen und mutigen Fahrer gibt, ist es Pol. Man muss den Hut vor ihm ziehen, wenn man bedenkt, dass der 31-Jährige aus Granollers seinen Platz im Repsol Honda Werksteam am Ende der Saison schon verloren hat und er trotzdem weiterhin alles gibt.
Das führte in Deutschland zu zwei FP1-Stürzen, was wiederum stark geprellte Rippen zur Folge hatte. Das wäre Grund genug gewesen, um das Handtuch zu werfen. Espargaró aber machte weiter, solange er konnte – und endete mit dem Fuß in einem Eimer voll kaltem Wasser und mit einem Eisbeutel auf der Hand.
Wie zu Beginn erwähnt: Die Ergebnisse sind noch der am wenigsten beunruhigende Aspekt an Hondas aktueller Situation. Das körperliche Wohlergehen der Fahrer steht an erster Stelle und angesichts dessen, was auf dem Sachsenring passiert ist, sollte jemand handeln. Und wenn diese Maßnahmen nicht aus der Team-Box kommen, sollte jemand aus Japan intervenieren.
MotoGP-Ergebnis, Sachsenring (19. Juni):
1. Quartararo, Yamaha, 30 Rdn. in 41:12,816 min
2. Zarco, Ducati, + 4,939 sec
3. Miller, Ducati, + 8,372
4. Aleix Espargaró, Aprilia, + 9,113
5. Marini, Ducati, + 11,679
6. Martin, Ducati, + 13,164
7. Brad Binder, KTM, + 15,405
8. Di Giannantonio, Ducati, + 15,851
9. Oliveira, KTM, + 19,740
10. Bastianini, Ducati, + 21,611
11. Bezzecchi, Ducati, + 23,175
12. Fernandez, KTM, + 26,548
13. Morbidelli, Yamaha, + 29,014
14. Dovizioso, Yamaha, + 30,680
15. Gardner, KTM, + 30,812
16. Bradl, Honda, + 52,040
MotoGP-Fahrer-WM nach 10 von 20 Grand Prix:
1. Quartararo 172 Punkte. 2. Aleix Espargaró 138. 3. Zarco 111. 4. Bastianini 100. 5. Brad Binder 82. 6. Bagnaia 81. 7. Miller 81. 8. Rins 69. 9. Mir 69. 10. Oliveira 64. 11. Martin 61. 12. Marc Márquez 60. 13. Marini 52. 14. Vinales 46. 15. Pol Espargaró 40. 16. Nakagami 38. 17. Bezzecchi 35. 18. Alex Márquez 26. 19. Morbidelli 25. 20. Di Giannantonio 16. 21. Darryn Binder 10. 22. Dovizioso 10. 23. Gardner 9. 24. Raúl Fernández 5.
Konstrukteurs-WM:
1. Ducati 221 Punkte. 2. Yamaha 172. 3. Aprilia 139. 4. KTM 110. 5. Suzuki 93. 6. Honda 81.
Team-WM:
1. Monster Energy Yamaha 197 Punkte. 2. Aprilia Racing 184. 3. Prima Pramac Racing 172. 4. Ducati Lenovo Team 162. 5. Red Bull KTM Factory 146. 6. Suzuki Ecstar 138. 7. Gresini Racing 116. 8. Repsol Honda 100. 9. Mooney VR46 Racing 87. 10. LCR Honda 64. 11. WithU Yamaha RNF 20. 12. Tech3 KTM Factory 14.