Jack Miller: «Du brauchst einen starken Willen»
Der 27-jährige Australier Jack Miller fährt seine achte MotoGP-Saison, zuerst drei Jahre bei Honda, dann drei bei Pramac-Ducati, jetzt bestreitet «JackAss» seine zweite Saison im Ducati-Werksteam neben Pecco Bagnaia. Er gewann 2021 auf der Desmosedici in Jerez und Le Mans und ging in diesem Jahr als WM-Siebter in die Sommerpause.
Im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com spricht «Thriller Miller», der 2023 und 2024 statt Miguel Oliveira (er ist vierfacher MotoGP-Sieger) im Red Bull KTM Factory Team antreten wird, über die mühsamen Anfänge und den mutigen Verzicht auf eine Moto2-Saison.
Jack, du bestreitest jetzt deine achte MotoGP-Saison, die fünfte mit Ducati. Nach dem zweiten WM-Rang in der Moto3 auf KTM bist du für 2015 direkt in die MotoGP aufgestiegen. Im Rückblick: Würdest du das wieder machen? Du hast damals einen HRC-Werksvertrag bekommen. Das passiert nicht jeden Tag.
Genau so ist es. Ich hatte damals diese Gelegenheit und musste sie wahrnehmen.
Sicher, meine MotoGP-Karriere hat nicht auf die einfachste Art und Weise begonnen. Ich bekam damals bei LCR neben Cal Crutchlow nur eine Open Class-Honda, wie du weißt. Das war also sowieso eine Art Moto2-Jahr.
Die Open Class war eine eigene Meisterschaft innerhalb der MotoGP-WM. Diese Production-Honda hatte kein Seamless-Getriebe, keinen pneumatischen Ventiltrieb, die Elektronik hat nicht funktioniert, sie kam von Magneti Marelli. An den Werks-Honda RC213V wurde noch mit der Honda-Elektronik gefahren.
Dieses Jahr war ein «eye opener», es hat mir die Augen geöffnet. Ich habe in der Saison 2015 viel gelernt.
Wenn ich jetzt zurückblicke: Es war schwierig. Ich würde es anderen Fahrern nicht empfehlen. Du brauchst einen sehr starken Willen und Durchhaltevermögen, um in diesem Zusammenhang mit dem ganzen «bullshit» fertig zu werden. Denn von außen betrachtet hatte ich eine MotoGP-Honda, ich fuhr bei LCR.
Aber wenn ich jetzt nach knapp acht Jahren das Gesamtbild betrachte: Ich habe in der MotoGP bisher 18 Podestplätze erreicht, darunter drei Siege, ich war im Vorjahr WM-Vierter.
Und ich fahre immer noch… Im Moment eine Werks-Ducati, ich habe seit drei Jahren einen Ducati-Werksvertrag. Nach dieser Saison wechsle ich ins KTM-Werksteam.
Ich blicke also schon auf eine lange MotoGP-Karriere. Es war also doch eine gute Idee, damals von der Moto3 gleich in die MotoGP zu wechseln.
HRC-Vizepräsident Nakamoto sagte vor der Saison 2015, die Open-Class-Honda würde mit Testfahrer Casey Stoner in Motegi nur 0,3 sec auf die Bestzeit der Werks-Honda verlorieren. Nicky Hayden klagte beim ersten Test in Sepang: «Ich verliere auf jeder kurzen Geraden 0,3 sec.» Pro Runde waren es dann 3 Sekunden.
Mindestens, ja. Es war nicht das Gleiche, ganz sicher. Aber sogar in meiner Rookie-Saison habe ich die anderen Fahrer auf den Open-Class-Honda wie Nicky und Eugene Laverty auf denselben Bikes alle besiegt. Sogar Nicky, den Ex-Weltmeister.
Dann bin ich zu Marc VDS-Honda gewechselt und habe ein Werksmotorrad bekommen. Das war ein gutes Bilke. Im Grunde war das meine erste Saison auf einer MotoGP-Rennmaschine.
Meine erste Saison 2016 bei Marc VDS war trotzdem schwierig, ich habe viel gelernt. Es war das erste Jahr mit der Einheits-ECU von Marelli. Immerhin habe ich den Regen-GP in Assen gewonnen.
Und am Ende konnte ich mich im dritten Honda-Jahr 2017 auf den elften Gesamtrang verbessern. Wir haben mit diesem Motorrad gute Arbeit geleistet. Ich bin zehnmal in die Top-Ten gefahren.
Schon bei Honda bist du als Regenspezialist aufgefallen, auch bei gemischten Verhältnissen warst du immer vorne dabei.
Ja, genau, das hat sicher geholfen. Ich habe das Glück, im Nassen schnell zu sein. Das nimmt dir viel Druck von den Schultern, wenn du als MotoGP-Anfänger noch nicht genug Können hast oder dein Bike-Equipment noch nicht die beste Qualität hat.