Gigi Dall'Igna: «Die Fahrer-WM ist das Wichtigste»
Ducati Corse hat in diesem Jahr bei elf MotoGP-Events schon acht Pole-Positions erreicht, es wurden drei Siege durch Pecco Bagnaia gefeiert und drei weitere durch Enea Bastianini auf der letztjährigen Desmosedici GP21, dazu ist Ducati auf dem besten Weg, zum dritten Mal in Serie die Konstrukteurs-WM zu gewinnen. Trotzdem weist die Bilanz von Ducati-Corse General-Manager Gigi Dall’Igna einen Makel auf. In der Fahrer-WM halten sich zwar vier Ducati-Assen in den Top-7 auf, aber der beste von ihnen (Zarco) hat schon 58 Punkte auf WM-Leader Quartararo verloren, Bagnaia sogar 66.
Im Interview mit SPEEDWEEK.com sprach Gigi Dall’Igna, der im Oktober 2013 von Aprilia zu Ducati kam, um sich den letzten Traum vom MotoGP-Titelgewinn zu erfüllen, offen über die erreichten und nicht erreichten Ziele, über den verpatzten Saisonstart und über Oliveira.
Ein schwacher Trost: In der Fahrer-WM hat Ducati in den letzten fünf Jahren mit Dovizioso (2017 bis 2019) und Bagnaia (2021) dreimal den zweiten WM-Rang errungen.
Gigi, du hast Ducati wieder an die Spitze gebracht. Ducati hat acht Bikes im Feld, sieben Fahrer haben 2022 schon Podestplätze erreicht. Aber die Situation in der Fahrer-WM sieht ziemlich hoffnungslos aus.
(Er lacht.) Ja, die Situation sieht nicht so aus, wie wir sie haben möchten…
Ducati hat in der MotoGP-Klasse inzwischen viele Ziele erreicht. Die Desmosedici ist benutzerfreundlicher geworden, sogar Rookies wie Bezzecchi fahren damit aufs Podest. Ducati konnte dadurch viele Topfahrer anlocken.
Ehrlich gesagt, wir haben nicht viele Topfahrer engagiert. Wir haben die meisten Fahrer in den Kundenteams selbst aufgebaut und gefördert; das ist ein Unterschied zu früher.
Im Grunde ist es nicht unser Ziel eine Menge Fahrer zu haben. Wenn zu mit einem jungen Fahrer eine MotoGP-Karriere beginnst, weisst du nicht, was daraus wird. Aber am Ende sind wir ziemlich happy mit den Ergebnissen, die unsere Talente erreicht haben. Das ist die Realität.
Wir haben im Moment mehr als einen Spitzenfahrer auf unserem Motorrad. Das war immer unser Bestreben.
Die vielen Fahrer sind nicht das wirkliche Problem.
Wo liegen also die Probleme? Auf jeden Fall ist der Saisonstart 2022 gründlich misslungen, vor allem bei Vizeweltmeister Bagnaia.
Ja, das ist eines der Probleme gewesen.
Nach dem Saisonstart gewann Enea Bastianini drei der ersten sieben Rennen. Jetzt liegt er nach einigen Misserfolgen als WM-Fünfter schon 67 Punkte hinter Quartararo. Er stand unter Druck, denn er will statt Miller ins Werksteam. Jedenfalls nahmen sich die Ducati-Asse gegenseitig viele Punkte weg.
Ich denke nicht, dass das ein Fehler ist. Ich kann nichts dagegen tun; das lässt sich nicht vermeiden.
Selbst wenn Bastianini auf einem anderen Fabrikat sitzen würde, könnte er unseren Piloten Punkte wegnehmen.
In der Vergangenheit war nur Casey Stoner schnell auf der Ducati, viele andere Asse von Gibernau bis Melandri sind dort gescheitert. Du hast die Desmosedici Schritt für Schritt zum besten Bike im Feld gemacht. Jeder hoffnungsvolle Fahrer will jetzt eine Ducati. Das war ein Ziel, das du immer vor Augen hattest.
Absolut. Das Wichtigste ist, ein konkurrenzfähiges Motorrad zu haben.
Noch wichtiger ist, die Fahrer-WM zu gewinnen.
(Er schmunzelt). Ja, das ist das Allerwichtigste, richtig. Ganz sicher.
Aber normal musst du zuerst das passende Motorrad bauen, bevor du die Fahrer-WM gewinnen kannst.
Manchmal gewinnt einfach der beste Fahrer – wie Quartararo 2021. Im Jahr 2007 war die Ducati vielleicht auch nicht das beste Motorrad, aber Stoner und die überlegenen Bridgestone-Reifen haben viel wettgemacht.
Manchmal passieren solchen Situationen. Manchmal nicht.
Du absolvierst 2023 deine zehnte Saison bei Ducati. Geht dir nicht langsam die Geduld aus?
Nein.
Hast du noch Hoffnungen auf den Titelgewinn 2022?
Man weiß nie, was passiert. Unser Ziel ist es, bis zum letzten Rennen alles zu versuchen. Das werden wir tun, ohne Zweifel.
Ducati hat in Barcelona mit Miguel und Vater Paul Oliveira verhandelt. Aber der Portugiese geht zu RNF-Aprilia, Gresini hat sich für Alex Márquez entschieden. Ducati wollte lieber den vierfachen GP-Sieger Oliveira engagieren, richtig?
Die endgültige Diskussion hat zwischen Oliveira und Gresini Racing stattgefunden, nicht mit Ducati. Die endgültige Entscheidung musste das Team treffen.
Ducati und Oliveira waren sich einig?
Ja, wir wären froh gewesen, wenn Oliveira in Zukunft unser Motorrad gefahren wäre. Er ist ein Fahrer, der mir sehr gefällt. Nicht nur ich, sondern alle bei Ducati mögen seinen Fahrstil und seine mentale Einstellung. Er war sicher eine der besten Optionen.
MotoGP-Ergebnis, Assen (26. Juni):
1. Bagnaia, Ducati, 26 Rdn. in 40:25,205 min
2. Bezzecchi, Ducati, + 0,444 sec
3. Viñales, Aprilia, + 1,209
4. Aleix Espargaró, Aprilia, + 2,585
5. Brad Binder, KTM, + 2,721
6. Miller, Ducati, + 3,045
7. Martin, Ducati, + 4,340
8. Mir, Suzuki, + 8,185
9. Oliveira, KTM, + 8,325
10. Rins, Suzuki, + 8,596
11. Bastianini, Ducati, + 9,783
12. Nakagami, Honda, + 10,617
13. Zarco, Ducati, + 14,405
14. Di Giannantonio, Ducati, + 17,681
15. Alex Márquez, Honda, + 25,866
16. Dovizioso, Yamaha, + 29,711
17. Marini, Ducati, + 30,296
18. Bradl, Honda, + 32,225
19. Gardner, KTM, + 34,947
20. Savadori, Aprilia, + 35,798
– Fernández, KTM, 8 Runden zurück
– Quartararo, Yamaha, 15 Runden zurück
– Darryn Binder, Yamaha, 18 Runden zurück
– Morbidelli, Yamaha, 18 Runden zurück
MotoGP-Fahrer-WM nach 11 von 20 Grand Prix:
1. Quartararo 172 Punkte. 2. Aleix Espargaró 151. 3. Zarco 114. 4. Bagnaia 106. 5. Bastianini 105. 6. Brad Binder 93. 7. Miller 91. 8. Mir 77. 9. Rins 75. 10. Oliveira 71. 11. Martin 70. 12. Viñales 62. 13. Marc Márquez 60. 14. Bezzecchi 55. 15. Marini 52. 16. Nakagami 42. 17. Pol Espargaró 40. 18. Alex Márquez 27. 19. Morbidelli 25. 20. Di Giannantonio 18. 21. Darryn Binder 10. 22. Dovizioso 10. 23. Gardner 9. 24. Raúl Fernández 5.
Konstrukteurs-WM:
1. Ducati 246 Punkte. 2. Yamaha 172. 3. Aprilia 155. 4. KTM 121. 5. Suzuki 101. 6. Honda 85.
Team-WM:
1. Aprilia Racing 213 Punkte. 2. Monster Energy Yamaha 197. 3. Ducati Lenovo Team 197. 4. Prima Pramac Racing 184. 5. Red Bull KTM Factory 164. 6. Suzuki Ecstar 152. 7. Gresini Racing 123. 8. Mooney VR46 Racing 107. 9 Repsol Honda 100. 10. LCR Honda 69. 11. WithU Yamaha RNF 20. 12. Tech3 KTM Factory 14.