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Pit Beirer: «Mit unseren Fahrern durch dick und dünn»

Von Alessandro Righi
Pit Beirer (li.) mit Ing. Sebastian Risse und Brad Binder (re.)

Pit Beirer (li.) mit Ing. Sebastian Risse und Brad Binder (re.)

Die Saison 2022 war für KTM oft ein Rollercoaster. Doch nicht nur auf den Strecken ging es heiß her. In den Augen Pit Beirers wurde KTM auch auf dem Fahrermarkt fündig.

KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer trägt seit dem Startschuss zum MotoGP-Projekt im Jahr 2014 auch die Verantwortung für die Königsklasse. Der gebürtige Radolfzeller erlebte seither einige Höhen und Tiefen mit dem Werk aus Munderfing, doch ging die Saison 2022 in die Teamgeschichte ein. Nicht nur auf die Resultate ist Beirer stolz. Auch das neue Fahrer-Quartett macht ihm große Hoffnungen für 2023.

Der 250-ccm-Motocross-Vizeweltmeister von 1999 erklärte in einer Presserunde, wie stark zwar der Fahrerandrang bei KTM ist, aber auch wie sehr das Team mit den nötigen Plätzen zu kämpfen habe. «Wir haben junge Fahrer, die sich über unsere Akademie aufdrängen. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass wir mit dem Fahrer-Ausbildungsprogramm, angefangen mit dem Austrian Junior Cup, dem Red Bull Rookies Cup, der Moto3 und der Moto2, eine fast schon zu perfekte Schulung haben. Denn wir hatten zu früh in unserem MotoGP-Projekt Moto2-Weltmeister, die aufsteigen sollten. Aber so viele gute Plätze hast du als Werksteam gar nicht.»

Jedoch habe man aus den Erfahrungen der Vergangenheit bei KTM mittlerweile gelernt. Beirer führte fort: «Wir haben 2022 vielleicht auch einen hohen Preis gezahlt, mit zwei Rookies im Tech3-Team die Ergebnisse zusammenzubringen, die wir uns gewünscht haben. Sowohl die Fahrer als auch das Team waren nicht glücklich. Das hat für Turbulenzen gesorgt. Dann haben wir auch noch Raúl Fernández gehabt, der eigentlich lieber woanders hinwollte, dann aber bei uns geblieben ist. Diese Dinge haben sehr viel Unruhe ins Team gebracht. Ich denke, dass wir jetzt, im Ausblick auf 2023, eine Stimmung geschafft haben, in der wir genau sehen, wer will wirklich zu uns und auch bleiben?»

Das richtige Personal wurde nun offenbar gefunden. «Wir haben jetzt vier Fahrer, die entschlossen sind und marschieren wollen, aber auch die nötige Erfahrung mitbringen. Im neuen GASGAS-Team haben wir den erfahrenen Pol, der uns kennt und mit uns die ersten Erfolge gefeiert hat. Ihm haben wir einen jungen Piloten dazugegeben. Die Paarung mit Augusto Fernández ist eine, die funktionieren wird», stellte Beirer fest.

Fehler bei der Fahrerwahl?

Allerdings traf KTM bei der Fahrerwahl bisher nicht immer die  richtigen Entscheidungen, wie der KTM-Motorsport-Direktor durchblicken ließ. «Vielleicht waren wir damals auch als Team zu jung, um zwei Rookies einzusetzen. Da haben wir Fehler gemacht; das geben wir auch offen zu.»

Dazu ergänzte er: «Wir sind glücklich, dass wir uns jetzt von Raúl und Miguel in aller Freundschaft getrennt haben, auch wenn es weh tut, dass Miguel weg ist. Ich glaube, wir haben ihn früh in der Saison im Stolz gekränkt, mit den ganzen Moves, die stattgefunden haben. Wir hätten uns gewünscht, dass er bleibt.»

Aber: «So hat er das Fenster für Augusto aufgemacht, der ein ganz toller Kerl ist und eine nette Familie um sich hat. Und Jack ist in gewisser Weise ein Heimkehrer. Er ist damals verfrüht Hals über Kopf direkt aus der Moto3 in die MotoGP aufgestiegen. Aber er weiß, was er bei uns kriegt. Und Brad: Er hat sich entschlossen, er will bei uns bleiben und mit uns Erfolg haben. Also haben wir jetzt eine Aufstellung an Fahrern, mit denen wir durch dick und dünn gehen können. Das ist nun mal die MotoGP, da kommen schwierige Tage, das wird nie einfach sein. Gerade an diesen Tagen müssen wir als Team zusammenhalten.»

Sportlich landete Red Bull KTM Factory Racing mit Binder in der vergangenen Fahrer-WM auf Rang 6. Doch in der Teamwertung erreichten die Österreicher den zweiten Platz hinter dem Ducati Lenovo Team und avancierte damit zum Vizeweltmeister. Beirer reflektierte: «Mich freut die Team-WM am allermeisten. Denn ich glaube, dass wir an der Strecke ein Team haben, das es fast schon verdient hätte, Weltmeister zu werden. Aber du brauchst dann die Fahrer und das Bike, um den letzten Schritt zu machen.»

Zwar habe das Team mit Brad Binder und Miguel Oliveira in der Team-WM einen tollen Job gemacht und das Resultat mehr als verdient. Jedoch bedauerte Beirer: «Unser bester Fahrer ist Sechster in der Fahrer-WM geworden. Da haben wir uns ein bisschen mehr vorgenommen.»

Der 50-jährige Motorsport-Direktor erinnerte an sich die weniger erfolgreichen Momente während der Saison 2022: «Unzufrieden waren wir im Sommer. Beim Heim-GP am Spielberg haben wir keine Performance abgeliefert. Wenn du dann noch Rennen hast, in denen du Achter oder Zehnter wirst, das tut dann auch weh, weil im Team hart gearbeitet und viel Geld investiert wird.»

Doch auch wenn Red Bull KTM Factory Racing nicht in jedem Rennen die eigenen Erwartungen erfüllen konnte, stand KTM doch mit Miguel Oliveira zwei Mal auf dem höchsten Podestplatz und wurde mit Brad Binder drei Mal Zweiter. Beirer betone: «Wenn du Rennen hast, bei denen du Fünfter oder Sechster wirst, darfst du nicht unzufrieden sein, denn das sind unglaubliche Leistungen. Wir hatten Rennen, in denen wir drei Sekunden hinter dem Sieger ins Ziel gefahren sind. Das sind dann Momente, wo es fast schon zum Verzweifeln wird, damit du in der MotoGP aufs Podium fährst.»

«Doch mit den kleinen Abständen waren das die Momente, in denen wir uns klar machen mussten, wie gut wir gearbeitet haben und wie gut das Motorrad eigentlich schon ist», meint der KTM-Stratege.

Bei den meisten Rennen eine gute Pace

Während die KTM RC16 im Renntrimm ihre Stärke ausspielen konnte, avancierte das Qualifying zur Schwachstelle für KTM. «Diese eine Runde am Samstag bricht uns das Genick. Wir hatten dieses Jahr in 70 Prozent der Rennen eine Pace, die für das Podium gereicht hätte. Aber du brauchst einfach eine geile Startposition. In der brutalen Analyse muss man sagen: Wir suchen nicht mehr alles. Wir haben zum Teil eine Rennpace, die okay ist. Aber diesen Speed für die einzelne Runde müssen wir gewaltig verbessern.»

Eines der Paradebeispiele für die Qualifying-Schwäche und die Renn-Stärke war der 15. Saisonlauf in Aragón. «In Aragón wurde Binder Vierter, da haben wir das Podium um zwei Zehntelsekunden verpasst. Das bedeutete dann schon: ‚Okay, raus aus der Talsohle.‘ Aber auf dem Startplatz waren wir auch nur Zehnter und Elfter. Da habe mir die Leute dann gesagt: ‚Da seid ihr nur so gut gewesen, weil Aragón wenig Grip hat und es ein langsames Rennen war.‘ Die Prügel und das Negative sind wir mittlerweile gewöhnt.»

Um einen besseren Blick auf das Aragón-Rennen zu bekommen, hat Beirer das Rennen im Nachhinein in den eigenen vier Wänden noch einmal geschaut und ein Fazit gezogen. «Wir waren dieses Jahr um 20 Sekunden schneller als letztes Jahr und nochmal 20 Sekunden schneller als 2020. Stellt man sich vor, dass ein Motorrad mit 300 km/h 40 Sekunden lang geradeaus fährt, dann hat man die Entfernung.»

Bei KTM habe man sich massiv verbessert, wie der ehemalige Rennfahrer vom Bodensee weiter ausführte. Doch: «Wir wollen und können mehr. Ich habe das Gefühl, dass wir durch die Veränderungen im letzten Winter einige Puzzleteile in das Projekt gesteckt haben. Jetzt sind wir besser vorbereitet denn je, um in die neue Saison zu gehen. Wir haben eine fundierte Basis. Das beste Beispiel ist Valencia, wo wir ganz genau wussten, warum wir das neue Chassis für Brad bringen. Unser Technikchef Fabio Sterlacchini hat eine Datenbank aufgebaut, von der wir in Zukunft profitieren werden.»

MotoGP-WM-Endstand 2022 (nach 20 Rennen):

1. Bagnaia 265. 2. Quartararo 248 Punkte. 3. Bastianini 219. 4. Aleix Espargaró 212. 5. Miller 189. 6. Brad Binder 188. 7. Rins 173. 8. Zarco 166. 9. Martin 152. 10. Oliveira 149. 11. Viñales 122. 12. Marini 120. 13. Marc Márquez 113. 14. Bezzecchi 111. 15. Mir 87. 16. Pol Espargaró 56. 17. Alex Márquez 50. 18. Nakagami 48. 19. Morbidelli 42. 20. Di Giannantonio 24. 21. Dovizioso 15. 22. Raúl Fernández 14. 23. Remy Gardner 13. 24. Darryn Binder 12. 25. Crutchlow 10. 26. Bradl 2.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati 448 Punkte. 2. Yamaha 256. 3. Aprilia 248. 4. KTM 240. 5. Suzuki 199. 6. Honda 155.

Team-WM:

1. Ducati Lenovo Team 454 Punkte. 2. Red Bull KTM Factory 337. 3. Aprilia Racing 334. 4. Prima Pramac Racing 318. 5. Monster Energy Yamaha 290. 6. Suzuki Ecstar 260. 7. Gresini Racing 243. 8. Mooney VR46 Racing 231. 9. Repsol Honda 171. 10. LCR Honda 98. 11. WithU Yamaha RNF 37. 12. Tech3 KTM Factory 27.

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