Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Kritik wegen 22 Rennen: Doch alle Teams waren dafür

Von Günther Wiesinger
2024 wird der Saisonstart wieder mit dem Nachtrennen in Doha/Katar erfolgen

2024 wird der Saisonstart wieder mit dem Nachtrennen in Doha/Katar erfolgen

Als die Dorna die neuen Fünf-Jahres-Verträge vorlegten, stimmten die MotoGP-Werks- und Privatteams der Erhöhung auf 22 Rennen zu. Trotzdem gehen jetzt wegen des Kalenders die Wogen hoch.

Noch nie gab es nach der Veröffentlichung des MotoGP-Rennkalenders für die kommende Saison so viel Aufregung über die Termingestaltung wie Ende September 2022. Denn die GP-Saison erstreckt sich zwar nächstes Jahr wieder über 21 WM-Rennen wie ursprünglich auch für 2022 geplant, ehe Finnland abgesagt wurde. Aber über die sieben Events in Asien, Australien und dem Mittleren Osten zwischen dem 24. September und dem 19. November (mit nur zwei freien Wochenenden in zwei Monaten!) wird heftig gewettert.

Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta erklärte die Gründe für diese strapaziöse Übersee-Tournee im Herbst vor einer Woche im Interview mit SPEEDWEEK.com. Aber nicht nur die Fahrer, sondern auch manche Teams äußern weiter ihren Unmut, denn etliche Teammitglieder in allen Bereichen (von den Technikern über Hospitality-Personal bis zum Communications Department) drohen mit Kündigung oder wollen nicht alle 21 Events mitmachen. Denn niemand will zwei Monate lang von der Familie getrennt sein. Eine Heimreise für eine knappe Woche lohnt sich aber kaum – wegen der Reisestrapazen, der Kosten und wegen des Zeitunterschieds.

Kritik ist auch zu hören, weil die Saison trotz des erweiterten Kalenders erst Ende März in Portimão beginnt und dann für Mai drei freie Wochenende festgelegt wurden, dafür aber im September, Oktober und November die Rennen Schlag auf Schlag folgen.

Aber Fakt ist auch: Sämtliche MotoGP-Teams haben bei den neuen Fünf-Jahres-Verträgen zugestimmt, dass die Anzahl der Grand Prix von maximal 20 auf 22 erhöht werden kann. Denn mehr Rennen bedeuten auch mehr Einnahmen, zumal deswegen die Anzahl der Tests und Testtage seit Jahren reduziert wird und der zweite Wintertest aus Kostengründen längst unmittelbar vor dem Saisonstart am selben Schauplatz durchgeführt wird.

In der Vergangenheit wurden offizielle MotoGP-Testtage im Februar und März neben Malaysia auch auf Phillip Island, in Buriram, Jerez oder Barcelona abgewickelt.

Viele Teamchefs äußern die Kritik an der Kalender-Gestaltung der Dorna aus verständlichen Gründen nur hinter vorgehaltener Hand.

Denn wer beißt schon die Hand, die ihn füttert?

Aber der KTM-Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer und Vorstand Hubert Trunkenpolz haben gegenüber SPEEDWEEK.com klargestellt: «Wir wünschen uns 18 Rennen, maximal 20. Wir brauchen keine drei Events ins Spanien und auch nicht zwei in Italien; jedes Land sollte nur einen Grand Prix ausgetragen.»

Die beiden Österreicher zeigten auch kein Interesse an einem Grand Prix in Kasachstan, äußerten aber Verständnis für Indien, «weil es der größte Motorradmarkt der Welt ist.» Außerdem kommt mit Bajaj der Großaktionär der Pierer Mobility AG aus Indien.

Dorna muss die Corona-Einbussen wettmachen

Es finden sich jedoch namhafte Teambesitzer, die Verständnis für Position von Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta aufbringen.

Denn in den zwei Corona-Jahren gingen viele Einnahmen verloren. 2020 fanden nur 14 Rennen statt, es gab zahlreiche Events ohne Zuschauer oder mit beschränkten Zuschauer-Kapazitäten, es gab finanzielle Einbußen in allen Bereichen, die Teams mussten aber in gleicher Höhe wie immer entschädigt werden, sonst hätten einige von ihnen zusperren müssen. Auch die Covid-19-Maßnahmen verschlagen riesige Summen, und seit Beginn des Ukraine-Kriegs sind für die Dorna die Transportkosten für das Material um mehr als 30 Prozent gestiegen.

Dass die Dorna-S.L.-Mehrheitseigentümer «Bridgepoint Development Capital» und «Canada Pension Plan Investment Board» nach zwei mageren Jahren wieder Erträge für ihre Investitionen sehen wollen, ist auch kein Geheimnis.

Immerhin muss die Dorna ca. 8 Mio. US-Dollar pro Jahr für die kommerziellen GP-Rechte an die FIM bezahlen. Dazu werden die GP-Teams mit mehr als 70 Millionen Euro im Jahr unterstützt, zudem sind ca. 450 Mitarbeitende bei der Dorna beschäftigt.

Auch die Moto2-Teams profitieren stark von der Dorna, denn das spanische Unternehmen bezahlt den Großteil der Motorenkosten für die 765-ccm-Dreizylinder-Einheitsmotoren von Triumph. Jedes Team muss für diese Triebwerke pro Saison und Fahrer nur 20.000 Euro zuschießen.

Und in der MotoE-Rennserie (2023 erstmals eine Weltmeisterschaft) liefert die Dorna die Einheits-Motorräder (2023 erstmals von Ducati) kostenlos. Außerdem bekommt jedes Team pro Fahrer einen Zuschuss von 40.000 Euro.

«Carmelo Ezpeleta hat uns überzeugt»

Fakt ist auch: Das Hersteller-Bündnis MSMA räumte der Dorna mit damals sechs Herstellern (Honda, Yamaha, Suzuki, Ducati, Aprilia und KTM) die Möglichkeit ein, den GP-Kalender von 2022 bis 2026 auf maximal 22 Events zu erweitern. Da war auch die Pierer Mobility AG dabei mit den Marken KTM, GASGAS und Husqvarna, in der MotoGP unterschrieben diesen Deal nicht nur die Werksteams, sondern auch die Kundenteams. Auch die Teamvereinigung IRTA und die Teams der Klassen Moto3 und Moto2 stimmten zu.

«Carmelo Ezpeleta hat damals die Erweiterung auf 22 Rennen vorgeschlagen, die Gründe dafür erklärt und uns überzeugt», erklärte jetzt ein Teambesitzer, der gern anonym bleiben möchte. «Wir haben alle die neuen Verträge unterschrieben, auch die sechs Werke in der MotoGP.»

Aber damals war noch nicht die Rede von 21 Sprintrennen zusätzlich im Jahr und von sieben gebündelten Übersee-Grand Prix im Herbst.

Dazu kommt: In der MotoGP-WM kann sich im Gegenteil zu den Formel-1-Teams kein Rennstall leisten, die Mannschaften an der Strecke angesichts der 24 Rennen (exklusive sechs Sprint Races) teilweise auszutauschen und daheim im F1-Hauptquartier zu beschäftigen oder in Ferien zu schicken. So ein Rotations-Konzept ist in der Formel 1 bereits im Gespräch, es kam auch schon bei Corona-Infektionen zum Einsatz. In der MotoGP-WM können so ein Konzept nicht einmal die Factory Teams finanzieren.

Deshalb verlieren die Motorrad-GP-Teams jedes Jahr wertvolle Mitglieder. Sie gehen trotz der Leidenschaft für den Job weg, weil sie Rücksicht auf ihre Familien und ihre Work-Life-Balance nehmen müssen.

Übrigens: Im Mai und Juli werden die GP-Teams Gelegenheit für Urlaubstage haben, auch während er zwei Monate mit Testverbot im Dezember und Januar.

Außerdem dürfte der Kalender 2023 ein Einzelfall bleiben. Denn nach dem fertiggestellten Umbau des Losail Circuit wird 2024 die WM wieder an Anfang März in Doha beginnen. So kann vor den Rennen in Argentinien und Texas noch der Mandalika-GP eingebaut werden – wie 2022. Aber für 2023 passte ein einzelnes Asien-Rennen im Frühjahr weder von den Kosten noch vom Termin her ins Konzept.

Denn Portimão lässt sich das Privileg des Auftakts offenbar einiges kosten. Aber von der Witterung her wäre dort eine Vorverlegung auf Anfang März (inklusive IRTA-Tests) nicht sinnvoll gewesen.

Auch ein triftiges Argument für den Kasachstan-GP legte die Dorna vor: Niemand sonst wollte in der Ferienzeit im Juli veranstalten. Und bei der Meinungsumfrage unter den Fans wurde 2022 offenkundig, dass die fünfwöchige Rennpause nach der Dutch-TT im Sommer geschäftsschädigend war und das Interesse an der MotoGP in dieser Phase gegenüber der Formel 1 deutlich absackte. 

Deshalb wird nie wieder eine fünfwöchigen Sommerpause eingeplant werden. 

Zusammenfassend kann gesagt werden: Beide Seiten bringen einleuchtende Argumente vor. Deshalb werden die Diskussionen nicht verstummen. 

Ob die Dorna noch Zugeständnisse machen kann, bleibt abzuwarten. 

Beim Finale am 26. November in Valencia könnten jedenfalls frische Temperaturen drohen.

Der MotoGP-Kalender 2023

26. März: Portimão/Portugal
02. April: Termas de Río Hondo/Argentinien (F1 Australien)
16. April: Circuit of The Americas/Texas
30. April: Jerez/Spanien (F1 Aserbaidschan)
14. Mai: Le Mans/Frankreich
11. Juni: Mugello/Italien
18. Juni: Sachsenring/Deutschland (F1 Kanada)
25. Juni: Assen/Niederlande
09. Juli: Sokol Circuit/Kasachstan** (F1 Grossbritannien)
06. August: Silverstone/GB
20. August: Red Bull Ring/Österreich
03. September: Catalunya/Spanien (F1 Italien)
10. September: Misano/Italien
24. September: Buddh Circuit/Indien** (F1 Japan)
01. Oktober: Motegi/Japan
15. Oktober: Mandalika/Indonesien
22. Oktober: Phillip Island/Australien (F1 Austin)
29. Oktober: Buriram/Thailand (F1 Mexiko)
12. November: Sepang/Malaysia
19. November: Losail Circuit/Katar* (18.11. F1 Las Vegas)
26. November: Valencia/Spanien (F1 Abu Dhabi)

* = Nachtrennen bei Flutlicht
** = Strecke noch nicht homologiert

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